Vivantes kündigt Sparprogramm an

Wenige Tage nachdem bekannt wurde, dass der Berliner Klinikkonzern Vivantes das vergangene Geschäftsjahr mit einem Minus von 131 Millionen Euro abgeschlossen hat, kündigte das Management gegenüber den Beschäftigten ein drastisches Sparprogramm an.

Sommer 2021: Pflegekräfte von Vivantes und der Charité in Berlin kämpfen für bessere Arbeitsbedingungen

Vivantes ist der größte deutsche kommunale Träger von Kliniken. Mit acht Kliniken und einem Fachkrankenhaus für Geriatrie hatte der Konzern 2023 rund 19.200 Beschäftigte.

Das erhebliche Defizit kam nicht überraschend. „Das vergangene Geschäftsjahr war abermals geprägt von erheblichen Kostensteigerungen im operativen Betrieb bei wieder nicht vollständiger Refinanzierung durch die Kostenträger“, erklärte der Vorsitzende der Geschäftsführung Johannes Danckert. Das habe Vivantes ebenso wie die gesamte Branche vor große Herausforderungen gestellt.

Bereits in den letzten Jahren hatte der Krankenhauskonzern rote Zahlen geschrieben. 2022 belief sich das Defizit noch auf 66 Millionen Euro bei einem Gesamtumsatz von 1,5 Milliarden Euro. Im letzten Jahr blieb der Gesamtumsatz nahezu konstant, das Defizit hat sich aber fast verdoppelt.

Am 14. Mai erhielten die Vivantes-Beschäftigten eine E-Mail der Geschäftsleitung mit dem Betreff „Gemeinsam für Vivantes“, die nur als Drohung verstanden werden kann.

Darin erklärt das Management, dass trotz gestiegener Patientenzahlen in 2023 ein hohes Defizit erwirtschaftet wurde und dass diese Entwicklung sich auch im laufenden Geschäftsjahr 2024 nicht ändern werde. Gleichzeitig zwinge die kommende Krankenhausreform zu „Umstrukturierungen“, die einiges an „Veränderungsbereitschaft“ abverlangten.

Dabei wird bereits im zweiten Absatz implizit mit der Schließung von Standorten und der Streichung von Stellen gedroht: „Uns allen muss bewusst sein: Vivantes steht vor großen und auch existenziellen Herausforderungen.“

Weiter führt das Management die „erhebliche finanzielle Unterstützung durch das Land Berlin“ an, um die äußerst angespannte wirtschaftliche Situation zu bewältigen, und kommt zu dem Schluss: „Von Vivantes wird erwartet, dass das Unternehmen einen eigenen und wichtigen Beitrag zur wirtschaftlichen Stabilisierung leistet, um auch weiterhin die Unterstützung des Gesellschafters zu erhalten.“

Dies macht deutlich, dass die geplanten Sparmaßnahmen auf Druck des CDU/SPD-Senats durchgesetzt werden. Dies steht in direktem Widerspruch zu dem 2023 unter dem Titel „Das Beste für Berlin“ verabschiedeten Koalitionsvertrag beider Parteien. Hierin bekennt sich die Regierung zu ihrer „Eigentümerverantwortung“ für Vivantes und die Charité. Bereits hier wurde auf die kommende Klinikreform auf Bundesebene hingewiesen und dazu vermerkt: „Die Krankenhausreform darf im Land Berlin nicht zu Einschränkungen in der Versorgung führen.“

Spätestens jetzt wird klar, dass dies lediglich hohle Phrasen waren. Während großzügig Haushaltsmittel in die innere und äußere Aufrüstung fließen, wird in den Bereichen Gesundheit, Soziales und Bildung rigoros gespart.

Um dies umzusetzen, so der Text weiter, hat der Aufsichtsrat die Geschäftsführung mit der Erarbeitung eines „Sanierungs- und Neuausrichtungskonzepts“ beauftragt, das im Juli 2024 beschlossen werden soll. „Aktuell wird aus diesem Grund buchstäblich jeder Stein umgedreht und jedes Szenario durchdacht. Denkverbote darf und wird es nicht geben.“

Solche oder ähnliche Formulierungen sind Beschäftigten aller Branchen, die mit Entlassungen und Kürzungen konfrontiert werden, nur allzu bekannt. Im Klartext bedeutet es, dass massive Einsparungen auf dem Rücken der Beschäftigten geplant werden.

Bereits in letzten vier Jahren, in denen die Pandemie tobte, arbeiteten Ärzte, Pflegepersonal und andere Beschäftigte in den Kliniken ständig am Limit. Während dieser Zeit wurden bei dramatisch steigenden Inflationsraten berechtigte Lohnforderungen entweder unterdrückt oder auf ein Minimum reduziert. Und nun sollen die Beschäftigten mit Kürzungen oder möglicherweise sogar Entlassungen dafür „belohnt“ werden.

Nicht ohne Grund spricht das Management in der E-Mail – trotz vieler salbungsvoller Worte zur Zusammenarbeit und dem Willen zu guter Gesundheitsversorgung – eine klare Drohung an alle aus, die sich diesem Spardiktat widersetzen.

Man werde „jedoch auch mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln gegen halbe Wahrheiten und ganze Lügen vorgehen, die – oft anonym und unter Bruch der Verschwiegenheitsverpflichtung – von Gruppen an die Öffentlichkeit lanciert werden, die ausschließlich ihre persönlichen Interessen verfolgen,“ heißt es darin.

Offensichtlich soll damit sichergestellt werden, dass die Details der Einsparungen nicht oder nicht vollständig und zeitnah an die Öffentlichkeit gelangen. In den letzten Jahren hatten immer wieder Pflegekräfte über die katastrophalen Zustände in Kliniken berichtet und waren daraufhin arbeitsrechtlich belangt worden.

Die Beschäftigten von Vivantes stehen dabei dem Konzernmanagement, dem Berliner Senat und der Gewerkschaft Verdi gegenüber. Im Aufsichtsrat, der den Auftrag für das Sparprogramm erteilt hat, sitzen Senatsvertreter, wie Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD), die jüngst die brutale Räumung der Berliner Humboldt-Universität nach Protesten gegen den Völkermord in Gaza mitverantwortete, sowie Vertreter von Betriebsrat und Verdi.

Die stellvertretende Landesfachbereichsleiterin für Gesundheit und Soziales von Verdi, Gisela Neunhöffer, und die Vorsitzende des Betriebsrats, Josephine Thyrêt, sind Mitglieder des Aufsichtsrats. Thyrêt ist stellvertretende Vorsitzende des Aufsichtsrates und außerdem Mitglied des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW). Sie spricht sich in der Öffentlichkeit gegen Einsparungen und Schließungen von Kliniken aus, während sie bei Vivantes federführend die Kürzungen in Auftrag gibt, die in völligen Einklang mit der beschlossenen Krankenhausreform der Bundesregierung stehen.

Verdi hat in den letzten Jahren gemeinsam mit dem Management und den Senatsparteien jeden Kampf der Beschäftigten verraten und verkauft. Als 2021 die Beschäftigten der Berliner Charité und Teile der Vivantes-Belegschaft in Streik traten, tat Verdi alles, um die Kämpfe zu isolieren und schlussendlich abzuwürgen.

Zuletzt hatte Verdi im Januar einen 19-tägigen Streik am Jüdischen Krankenhaus in Berlin beendet. Dort gilt ab Dezember diesen Jahres nun einen ähnlichen „Entlastungstarifvertrag“, wie er bereits an der Charité und den Vivantes-Kliniken vereinbart wurde. Wie hier seit langem deutlich wurde, dient diese Art von Tarifvertrag dazu, die schlechten Bedingungen für das Pflegepersonal festzuschreiben.

Bei der Charité könnten künftig ähnliche Maßnahmen, wie sie nun für die Vivantes-Kliniken ausgearbeitet werden, anstehen. Auch hier wurde 2023 ein Defizit von 134 Millionen Euro erwirtschaftet, das höchste Defizit in der Geschichte der Charité. Bundesweit sieht es ähnlich aus. Nach einer Erhebung des Deutschen Krankenhaus Instituts (DKI) erwarteten 78 Prozent der Kliniken für 2023 ein Minus in der Bilanz. Die Befragung zeigt auch, dass große Krankenhäuser mit mehr als 600 Betten ihre aktuelle wirtschaftliche Situation besonders schlecht einschätzen. Für 2024 erwarten drei von vier Kliniken dieser Größe, dass sich die Lage eher verschlechtert.

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