Weihnachten in Amerika

Wachsende Milliardärsvermögen, Obdachlosigkeit auf Rekordhöhen

Die Finanzoligarchie in den USA hat zum Jahresende allen Grund zum Feiern, denn der Aktienindex „Dow Jones Industrial Average“ bricht einen Rekord nach dem anderen. Auf der anderen Seite verbringen in diesem Winter mehr obdachlose Amerikaner als je zuvor die Feiertage auf der Straße, in Notunterkünften für Obdachlose, in abgestellten Autos und Wohnmobilen, in verlassenen Gebäuden und in Zelten.

Die Zahl der Obdachlosen hat mit 653.000 einen absoluten Rekordwert erreicht und ist gegenüber dem Vorjahr um 12 % gestiegen. In diesem Jahr war die Zahl der Obdachlosen in Amerika größer als die Bevölkerung von ganzen Bundesstaaten wie Vermont oder Wyoming.

Zelte auf einer Überführung in Los Angeles, November 2023 [AP Photo/Christopher Weber]

Die Angaben stammen aus der jährlichen „Point-in-Time“-Erhebung des US-Ministeriums für Wohnungsbau und Stadtentwicklung (Housing and Urban Development, HUD), die Anfang des Monats veröffentlicht wurde.

Selbst diese schockierenden Zahlen sind wahrscheinlich zu niedrig angesetzt. Bereits 2017 wurde in einem Bericht der Hilfsorganisation National Law Center on Homelessness & Poverty festgestellt, dass die Zahl der Obdachlosen in den USA „über das Jahr hinweg 2,5 bis 10,2 Mal höher ist als bei der punktuellen Point-in-Time-Zählung“. Dies hatte eine frühere Studie unter Verwendung von „administrativen Daten von Obdachlosendiensten“ ergeben.

Weitere Ergebnisse der jüngsten HUD-Erhebung sind:

  • Die Obdachlosigkeit unter Familien mit Kindern ist um 15,5 % gestiegen.
  • In Kalifornien, wo von allen US Bundesstaaten die meisten (d. h. 186) Milliardäre wohnen, gibt es auch die meisten Obdachlosen (d. h. 181.399).
  • Fast jeder sechste Obdachlose, mehr als 98.000, war zwischen 55 und 64 Jahre alt, weitere 39.700 waren über 64 Jahre alt.
  • Von den obdachlosen Erwachsenen, die älter waren als 55 Jahre, lebten 46 Prozent an Orten, „die nicht als menschliche Behausung geeignet sind“.

Das Leben auf der Straße wird für Hunderttausende zum Todesurteil. Eine in diesem Jahr veröffentlichte Studie über den Zusammenhang zwischen dem Wohnstatus und der Häufigkeit und den Ursachen plötzlicher Todesfälle in San Francisco ergab, dass (ohne Berücksichtigung von Drogenüberdosierungen) obdachlose Amerikaner ein 16 Mal höheres Risiko haben, plötzlich zu sterben, als ihre Altersgenossen .

Während mehr Amerikaner als je zuvor auf der Straße leben und Millionen in prekären Verhältnissen von Obdachlosigkeit bedroht sind, ging es den Ultra-Reichen noch nie so gut wie heute. Die Lobbygruppe Americans For Tax Fairness, die sich für gerechtere Steuern einsetzt, hat herausgefunden, dass das kollektive Vermögen der 741 Milliardäre in den Vereinigten Staaten im November 2023 auf 5,2 Billionen Dollar angewachsen ist, nach Angaben der Gruppe „der höchste jemals verzeichnete Betrag“.

Die gleichzeitige Zunahme von extremem Reichtum und extremer Armut ist das Ergebnis einer bewussten Politik der herrschenden Klasse zugunsten der Finanzoligarchie, d. h. zugunsten der Wall Street, der Großunternehmen, der Finanzinstitute, der Milliardäre und deren Interessen vertretenden Politiker.

Präsident Joe Biden und die Demokratische Partei geben sich zwar als Freunde der Arbeiterklasse aus, haben aber großteils die Sozial- und Steuerpolitik zugunsten der Milliardäre fortgesetzt, die bereits unter der Trump-Regierung betrieben wurde. Außerdem wurden unter Biden praktisch alle Sozialprogramme zur Abfederung der Pandemie-Folgen wieder gestrichen:

  • Das gesetzliche Moratorium für Zwangsräumungen, die Ausweitung und Aufstockung der Arbeitslosenunterstützung und die Steuergutschrift für Kinder wurden aufgehoben. Laut dem Eviction Lab an der Princeton University, das entsprechende Zahlen erfasst, gab es von Dezember 2022 bis November 2023 in lediglich 34 Städten mehr als eine Million Zwangsräumungen, davon 75.704 allein im letzten Monat.
  • Die große „Rückabwicklung“ der Aufnahme von Bedürftigen in die staatliche Krankenversicherung Medicaid hat dazu geführt, dass mindestens 13.379.000 Personen ihren Versicherungsschutz verloren haben. Die meisten dieser Betroffenen leben in Texas, nämlich 1,7 Millionen, gefolgt von Florida mit 1,1 Millionen und Kalifornien mit über 930.000.
  • Unter US-Präsident Biden wurde die Rückzahlung von staatlichen Studienkrediten, die während der Pandemie für 3,5 Jahre ausgesetzt worden war, wieder in Gang gesetzt. Dies betrifft 43 Millionen Kreditnehmer mit einer Gesamtverschuldung von 1,7 Billionen Dollar. Letzte Woche bestätigte das US-Bildungsministerium, dass fast neun Millionen Kreditnehmer bzw. fast 40 Prozent derjenigen, die im Oktober erstmals wieder Rückzahlungen für Studienkredite zu leisten hatten, ihre erste Rate bis Mitte November noch nicht beglichen hatten.

Während die Regierung Biden erklärt, dass „kein Geld“ für elementare Sozialprogramme vorhanden sei, hat der Kongress für 2024 einen Militärhaushalt in Höhe von 890 Milliarden Dollar verabschiedet, und das Weiße Haus fordert weitere 105 Milliarden Dollar für den Krieg in der Ukraine und zur Finanzierung des israelischen Völkermords in Gaza.

In Interviews mit Associated Press und dem Wall Street Journal wies Jeff Olivet, Leiter der Bundesbehörde gegen Obdachlosigkeit (USICH), auf den „Mangel an erschwinglichen Wohnungen“ und auf die hohen Wohnkosten hin, „die dazu geführt haben, dass viele Amerikaner nur noch von einem Gehalt zum nächsten leben und bei einem Schicksalsschlag unmittelbar von Obdachlosigkeit bedroht sind“.

Das traditionelle eigene Haus in Amerika ist für große Teile der Bevölkerung unerschwinglich geworden. Die Immobilienpreise haben sich nahezu verdoppelt, und die Lohnsteigerungen blieben weit dahinter zurück. Vor elf Jahren, im November 2012, betrug laut Daten des Zentralbankensystems der Durchschnittsverdienst aller Beschäftigten der Privatwirtschaft 24,16 Dollar pro Stunde bzw. rund 48.000 Dollar pro Jahr. Im November 2023 waren es 34,10 Dollar pro Stunde, d. h., die Löhne sind jährlich im Durchschnitt nicht einmal um 1 Dollar pro Stunde gestiegen.

Das Sinken der Reallöhne ist das Ergebnis der gezielten Klassenkriegspolitik, die von der Zentralbank (Fed) mit Unterstützung beider Parteien des Großkapitals – Demokraten und Republikanern – betrieben wird. Ihr Ziel ist es, Forderungen nach Lohnerhöhungen im Keim zu ersticken und den Widerstand gegen stärkere Ausbeutung zu unterdrücken. Nach Jahren extrem niedriger Zinssätze hat die US-Notenbank unter ihrem Vorsitzenden Jerome Powell in den letzten zwei Jahren die Zinssätze kontinuierlich angehoben und auf hohem Niveau gehalten, was die Kosten für Hauskäufer in die Höhe treibt.

Um die Löhne niedrig zu halten und die Arbeiter an Streiks zu hindern, damit die Herrschenden Gewinne erzielen und Kriegsmaterial nach Israel, in die Ukraine und ins Südchinesische Meer schicken können, hat sich die Regierung Biden auf die Dienste der Gewerkschaftsbürokratien in allen Branchen verlassen, von der Logistik über das Gesundheitswesen und die Automobilindustrie bis hin zu Autoren und Schauspielern. Überall wurden unternehmerfreundliche Tarifverträge abgeschlossen.

In den Vereinigten Staaten und weltweit sind Massen von Arbeitern in den Streik getreten und haben sich den Versuchen von Regierungen, Unternehmen und Gewerkschaften widersetzt, ihnen Verschlechterungen aufzuzwingen. Vom 1. Januar bis 20. Dezember 2023 gab es in den USA 408 Streiks, wie aus dem Labor Action Tracker der School of Industrial Labor der Cornell University hervorgeht.

Dennoch waren die Arbeiter nicht in der Lage, die Inflation und den Anstieg der Lebenshaltungskosten auszugleichen. Dies unterstreicht, dass der Kampf zur Verteidigung sozialer Rechte nicht innerhalb der Grenzen der Gewerkschaftsbürokratien und des Zweiparteiensystems geführt werden kann. Der Kapitalismus, das Wirtschaftssystem, das so viel Elend hervorbringt, steht in unversöhnlichem Gegensatz zu den Bedürfnissen der großen Mehrheit der Bevölkerung.

Die Beseitigung von Armut und Obdachlosigkeit erfordert die unabhängige Mobilisierung der Arbeiterklasse in einer sozialistischen Massenbewegung gegen den Kapitalismus. Die Arbeiterklasse muss die Milliardäre enteignen und die Billionen, die für sie und ihre Kriege vergeudet werden, dazu verwenden, soziale Rechte, einschließlich des Rechts auf Wohnraum, zu garantieren.

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