Vor dem Hintergrund der Nato-gestützten Offensive gegen Russland:

Dammbruch in der Ukraine verursacht große humanitäre und ökologische Katastrophe

Am Dienstagmorgen (Ortszeit) brach der Nova-Kachowka-Damm in der südöstlichen ukrainischen Region Cherson, die seit dem Frühjahr 2022 von Russland besetzt ist. Die Zerstörung des als „strategisch wichtig“ eingestuften Staudamms ereignete sich in der Anfangsphase der ukrainischen „Gegenoffensive“ gegen Russland, die von den Nato-Mächten unterstützt wird.

Die Ursache für den Dammbruch ist zwar noch unklar, doch die Bilder vom Ort des Geschehens deuten auf eine Explosion hin.

Die Zerstörung des Staudamms und des angrenzenden Wasserkraftwerks Kachowka hat eine humanitäre und ökologische Katastrophe ungeheuren Ausmaßes ausgelöst.

Der Staudamm, der 1956 als Teil der Wasserkraftwerks Kachowka gebaut wurde, ist hunderte Meter breit, 30 Meter hoch und durchquert den gesamten Fluss Dnepr. Der Stausee fasste 18 Kubikkilometer Wasser und hatte damit fast dasselbe Volumen wie der Große Salzsee in Utah. Bislang ist noch nicht klar, mit welcher Geschwindigkeit und wie viel Wasser verloren gegangen ist. Dutzende von Siedlungen wurden überschwemmt und Tausende Menschen evakuiert. Die Oblasthauptstadt Cherson, in der vor dem Krieg 290.000 Menschen lebten, ist ebenfalls von Überschwemmungen bedroht.

Das Wasserkraftwerk Kachowka wurde zerstört. Bisher hatte es einen beträchtlichen Teil der Bevölkerung sowohl in den von der Ukraine als auch in den von Russland kontrollierten Gebieten mit Trinkwasser versorgt, einschließlich der Halbinsel Krim, die Russland seit 2014 beansprucht. Durch die Zerstörung ist ihre Trinkwasserversorgung nun bedroht.

Das Kraftwerk war auch an der Kühlung der sechs Reaktoren des europaweit größten Atomkraftwerks Saporischschja beteiligt, die im September in Kaltstillstand versetzt wurden. Laut der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), welche die Situation überwacht, reichen die Wassermengen für das Atomkraftwerk in einem Kühlbecken und den nahegelegenen Kanälen noch „für mehrere Monate“. Die IAEA erklärte, es bestehe „keine kurzfristige Gefahr für den Schutz und die nukleare Sicherheit“.

Wissenschaftler warnten, der Dammbruch könnte die größte Umweltkatastrophe in der Ukraine seit der Atomkatastrophe von Tschernobyl 1986 sein. 

Aufgrund der Beschädigung des Wasserkraftwerks Kachowka gelangten laut der ukrainischen Regierung mindestens 150 Tonnen Motoröl in den Dnepr, eine der größten Wasserstraßen Europas. In den kommenden Tagen könnten weitere 300 Tonnen Öl in die Gewässer gelangen, was nicht nur für die Ukraine, sondern für die gesamte Region unabsehbare ökologische Folgen hätte.

Die Ökologin Oleksandra Schumilowa erklärte gegenüber dem Spiegel: „Diese Ölprodukte werden nicht einfach verdünnt und versickern, sondern von lebenden Organismen wie der Vegetation und Tieren aufgenommen. Außerdem bildet Öl einen Film auf der Wasseroberfläche, und zwar großflächig, da das Wasser sehr flach ist und sich das Wasser somit weit verbreiten kann.“

Zudem werde „ein großes landwirtschaftliches Gebiet überflutet... [sodass] viele Schadstoffe wie Pestizide ausgewaschen und in Flüsse und Meere gespült [werden]“. Laut dem Spiegel münden 98 Prozent der ukrainischen Flussbecken ins Schwarze Meer und ins Asowsche Meer, die restlichen zwei Prozent fließen in die Ostsee.

Diese humanitäre und ökologische Katastrophe trifft die ukrainischen Arbeiter zusätzlich zu dem schrecklichen Blutbad auf dem Schlachtfeld und der sozialen Krise von historischem Ausmaß. Laut aktuellen Zahlen einer ukrainischen NGO haben seit Beginn des Kriegs 8,5 Millionen Menschen das Land dauerhaft verlassen, wodurch sich die Bevölkerung auf 29 Millionen verringert hat. Von diesen 29 Millionen leben nicht alle in Gebieten, die von der Nato-gestützten Selenskyj-Regierung kontrolliert werden. Nur zwischen 9,1 und 9,5 Millionen sind erwerbstätig und davon ist etwa ein Drittel von staatlichen Gehältern abhängig. Schätzungen zufolge wurden von dieser kleinen Bevölkerung bis zu 200.000 Menschen getötet und weitere Hunderttausende verwundet – ein Massenmord und ein soziales Elend von diesem Ausmaß gab es in Europa zuletzt im Zweiten Weltkrieg.

Russland und die Ukraine werfen sich gegenseitig vor, den Staudamm vorsätzlich gesprengt und damit die Katastrophe verursacht zu haben. Einige Medienberichte deuten auch darauf hin, dass der Staudamm bereits während der Kämpfe im letzten Herbst beschädigt wurde. Laut CNN deuten Satellitenbilder darauf hin, dass der Staudamm nur wenige Tage vor der Zerstörung beschädigt wurde.

Auch die Berichte darüber, wer von der Katastrophe militärisch profitieren könnte, sind widersprüchlich. Das Wall Street Journal schrieb, die Überschwemmung beeinträchtige die Möglichkeiten für die ukrainische Gegenoffensive. Allerdings könnte sie auch die Befestigungen und Minenfelder wegspülen, die von russischen Truppen in dem Gebiet errichtet wurden, was der Ukraine bei ihrer Gegenoffensive möglicherweise einen militärischen Vorteil verschaffen würde.

Die Nato-Mächte und die Ukraine machten sofort Russland für die Katastrophe verantwortlich. Bundeskanzler Olaf Scholz, der sich vor kurzem in Wuttiraden gegen Russland erging, wie sie in Europa seit der Nazi-Zeit nicht mehr zu hören waren, erklärte: „Das ist natürlich, bei allem was man annehmen kann, eine Aggression der russischen Seite, um die ukrainische Offensive zur Verteidigung des eigenen Landes aufzuhalten.“

Die US-Regierung äußerte sich etwas vorsichtiger. Der Sprecher des Weißen Hauses, John Kirby, erklärte, die USA seien noch nicht zu einer endgültigen Entscheidung darüber gelangt, wer den Staudamm zerstört hat, und fügte hinzu: „Wir werten noch immer aus, was hier passiert ist, aber die Russen hatten den Staudamm und den Stausee vor vielen Monaten illegal übernommen und besetzt.“ Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg verurteilte die Zerstörung des Staudamms als einen „ungeheuerlichen Akt, der wieder einmal die Brutalität des russischen Kriegs in der Ukraine demonstriert“.

Die Wahrheit ist, dass die imperialistischen Mächte diesen Krieg jahrzehntelang skrupellos und vorsätzlich provoziert haben, wobei sie sogar das Risiko eines Atomkriegs in Kauf nehmen, ohne Rücksicht auf die Folgen für die Bevölkerung in der Ukraine, Russland und der ganzen Welt. Seit der stalinistischen Auflösung der Sowjetunion hat sich die Nato systematisch bis an die Grenzen Russlands ausgedehnt. Nach dem rechtsextremen Putsch in Kiew 2014, der von den USA und Deutschland unterstützt wurde, kam eine Regierung an die Macht, die die ukrainische Armee in eine Stellvertretertruppe der Nato umgestaltet und ukrainische Neonazis bis an die Zähne bewaffnet hat, um einen Krieg gegen Russland vorzubereiten. 

Die russische Oligarchie, die aus der Wiedereinführung des Kapitalismus in der Sowjetunion durch die stalinistische Bürokratie hervorgegangen ist, wurde zum Überfall auf die Ukraine provoziert. Sie glaubte, sie könne mit militärischen Mitteln eine Art Kompromiss mit den imperialistischen Mächten erzielen. Alle militärischen und politischen Kalkulationen des Putin-Regimes waren motiviert von diesem wahnhaften Glauben an die Möglichkeit einer „friedlichen Koexistenz“ mit dem Imperialismus, den es von der stalinistischen Bürokratie geerbt hat. Das Regime ist ebenso getrieben von der großen Angst vor einer internationalen Bewegung der Arbeiterklasse gegen den Kapitalismus.

Unabhängig von den unmittelbaren Ursachen des Dammbruchs müssen Arbeiter die humanitäre und ökologische Katastrophe als eindringliche Warnung vor den immensen Gefahren verstehen, die der Nato-Krieg gegen Russland in der Ukraine für Arbeiter in ganz Europa und der Welt darstellt. Sie müssen sich fragen: Wenn sich kaum 48 Stunden nach Beginn der von der Nato unterstützten Gegenoffensive eine solche Katastrophe ereignet, was kommt als nächstes? 

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