Absturz der First Republic Bank signalisiert Verschärfung der Finanzkrise

Seit Tagen setzt sich der Kurssturz der First Republic Bank fort. Der Gesamtverlust belief sich am Donnerstag auf 95 Prozent. Die Talfahrt der Bank begann, nachdem bekannt wurde, dass sie durch die Insolvenzen der Silicon Valley Bank (SVB) und der Signature Bank im vergangenen Monat Einlagen in Höhe von 100 Milliarden Dollar einbüßte.

Die Bankaktien fielen am Mittwoch um 30 Prozent, nachdem sich ihr Wert bereits am Vortag halbiert hatte. Dies zeigt deutlich den Zerfall der Rettungsaktion vom letzten Monat, bei der 11 Großbanken unter der Führung von JPMorgan Chase 30 Milliarden Dollar hinterlegt hatten.

Am Dienstag gab die First Republic bekannt, sie werde 20 bis 25 Prozent der Belegschaft entlassen und Vermögenswerte veräußern. Dies konnte jedoch einen zweiten Tag mit Panikverkäufen nicht verhindern.

Anfang März lag der Aktienkurs von First Republic bei 115 Dollar. Am Mittwoch lag er bei Börsenschluss nur noch bei 5,69 Dollar. Wegen des heftigen Kursverfalls musste der Handel mit den Aktien der Bank in den vergangenen Tagen mehrfach unterbrochen werden.

Eine Fußgängerin vor der First Republic Bank in San Francisco, 25. April 2023 [AP Photo/Jeff Chiu]

Im Verlauf der Bankenkrise haben die Aufsichtsbehörden und die Beamten der Biden-Administration immer wieder offiziell behauptet, dass sich die Probleme auf „Ausreißer“ beschränkten. Demnach war der SVB Kollaps eine Folge von „Missmanagement“. Das US-Bankensystem sei „solide“ und „unzerstörbar“.

Dieses Märchen flog auf, als die Rettung der ungesicherten SVB- und Signature-Einleger, die bis heute geschätzte 22,5 Milliarden Dollar verschlang, unter Berufung auf eine „systemrelevante Ausnahme“ organisiert wurde. Diese Bestimmung erlaubte es der Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC; Bundeseinlagenversicherung), Kunden mit Einlagen von mehr als 250.000 Dollar zu retten.

Nach dem Kurssturz der First-Republic-Aktie in dieser Woche stand die offizielle Darstellung auf der Kippe. Wie die Financial Times (FT) unter der Schlagzeile „Ausverkauf der First Republic-Aktien löst Alarm in Washington aus“ berichtete, stand die Bank nach dem Konkurs von SVB und Signature „in Kontakt mit der US-Regierung, die in höchster Alarmbereitschaft war“.

Die FT berichtete, dass Beamte des Weißen Hauses, der Federal Reserve und des US-Finanzministeriums mit der First Republic in Kontakt stünden. Außerdem sei die Biden-Administration „zunehmend besorgt“, dass der Bank die Zeit davonlaufe, ihre Einleger und Investoren zu beschwichtigen.

Ein namentlich nicht genannter Beamter sagte dem Bericht zufolge: „Die Regierung ist über eine Ansteckungsgefahr über die First Republic hinaus nicht besorgt.“ Sollte dies der Fall sein, könnte der Markt zu folgendem Schluss kommen (wie das Wall Street Journal es ausdrückte): „Die First Republic ist in ihrem derzeitigen Zustand praktisch wertlos.“

Offenbar ist jedoch jede Bank, unabhängig von ihrer Größe, „zu groß, um zu scheitern“. Das liegt daran, dass die Ursachen für ihren Untergang sich quer durch das gesamte Finanzsystem ziehen. Obwohl jede Bank ihre eigenen spezifischen Schwierigkeiten hat, ist die Hauptursache der Zinsanstieg, der so rapide ist wie seit 40 Jahren nicht mehr.

Im Fall der SVB waren es die Marktwertverluste ihrer Staatsanleihen, in die sie während der Jahre der lockeren Geldpolitik im Rahmen des quantitativen Lockerungsprogramms der US-Notenbank investiert hatte.

Die First Republic war stark im Markt für hochwertige Hypothekenkredite engagiert, der Ende März ein Volumen von 173 Milliarden Dollar aufwies. Davon entfielen rund 100 Milliarden Dollar auf Einzelpersonen, darunter viele wohlhabende Käufer, die aufgrund der niedrigen Zinssätze von der Bank angelockt wurden.

Der Economist berichtete, dass Mark Zuckerberg für sein 59 Millionen Dollar teures Haus in Palo Alto, Kalifornien, eine Hypothek mit 30 Jahren Laufzeit und einem Zinssatz von 1,05 Prozent aufgenommen habe. Der Wert solcher Kredite ist nun stark gesunken, da die Zinsen angestiegen sind.

Im Zuge des Niedrigzinsabkommens hatten wohlhabende Kunden der Bank ihre Einlagen anvertraut, die sie nun wieder abziehen. Um ihre Finanzlage zu verbessern, musste sich die First Republic Geld bei der Fed zu einem Zinssatz von 4,5 Prozent leihen.

Die Nettozinsmarge – die Differenz zwischen dem, was First Republic für Kredite bekommt, und dem, was sie dafür bezahlt – ist stark geschrumpft. So, dass die Bank, wie es in dem Artikel heißt, im März so gut wie nichts an Nettozinsen verdient habe und im Grunde genauso viel, wie sie erhält, auch zahlen müsse.

In gewisser Hinsicht ist der drohende Zusammenbruch der First Republic vielleicht noch beunruhigender als der der SVB. Schließlich war die kalifornische Bank in einem speziellen Marktsegment tätig: High-Tech-Unternehmen und Start-ups, die von Risikokapitalfirmen finanziert wurden.

Nach einer Analyse der FT betrieb die SVB in vielerlei Hinsicht ein Schneeballsystem, also ein Geschäftsmodell, bei dem Geld und Gewinn durch den Zufluss von noch mehr Geld generiert werden.

Die SVB finanzierte so genannte „fragile Start-ups“, was bedeutete, dass ihre Einlagenbasis für eine Flaute bei der Risikokapitalfinanzierung anfällig war.

„Die SVB vergab zudem großzügig Kredite an diese Unternehmen und erwartete die Rückzahlung nicht aus dem Cashflow des Unternehmens, sondern aus einem möglichen Geldsegen, wenn neue Investoren eine weitere Runde Kapital zur Verfügung stellten.“

Als dieser Geldsegen durch die Straffung der Geldpolitik der US-Notenbank versiegte und Bargeld abgezogen wurde, musste die SVB die gekauften Anleihen verkaufen. Damit verwandelte sich ein anfänglicher Buchverlust in einen realisierten Verlust, da der Marktwert der Anleihen durch die Zinserhöhungen unter den Kaufpreis gerutscht war.

Die Krise der First Republic könnte von weitaus größerer wirtschaftlicher Tragweite sein als die der SVB. Denn viele andere mittelgroße Banken auf dem Hypotheken- und Gewerbeimmobilienmarkt haben ihr Geschäft nachgeahmt. Beide Bereiche sind von den Zinserhöhungen negativ tangiert.

Die Financial Times zitiert Sam Stovall, Chef-Investmentstratege beim Finanzanalyse-Unternehmen CRA Research, der auf die Möglichkeit weiterer Belastungen für Regionalbanken hinweist.

„Ich schätze, dass die Investoren im Allgemeinen glauben, dass [First Republic] ein Einzelfall sei, aber gleichzeitig schauen sie in dem Moment, in dem sie das sagen, über die Schulter, um sicherzugehen, dass keine andere Bank in ihre Nähe kommt. Es ist wie bei der Kakerlaken-Theorie: Wenn man erst eine sieht, wird man viele finden“, erläuterte Stovall.

Im Bereich der Gewerbeimmobilien werden die durch die höheren Zinsen verursachten Marktprobleme zusätzlich durch die Covid-Pandemie verschärft, da die Nachfrage nach Büroflächen aufgrund der zunehmenden Telearbeit sinkt.

Es wird berichtet, dass Bundesbeamte nun versuchen, die großen Banken an einen Tisch zu bringen, um eine Einigung zu erzielen. Nach dem Scheitern des 30-Milliarden-Dollar-Rettungspakets für Großbanken von Finanzministerin Janet Yellen und JPMorgan-Chef Jamie Dimon scheint es jedoch aufgrund der prekären Finanzlage des Unternehmens wenig Appetit auf eine First-Republic-Übernahme zu geben

Dies hat die Frage aufgeworfen, ob die „Systemrisiko-Ausnahme“, die es der FDIC erlaubt, alle unversicherten Einlagen zu garantieren, in Anspruch genommen werden sollte. Dies könnte jedoch zu einer weiteren Abwanderung von Einlagen kleiner und mittlerer Banken führen.

Eine Möglichkeit, dieser Gefahr zu begegnen, wäre eine unbegrenzte Garantie der FDIC für alle Einlagen bei allen Banken, eine Möglichkeit, die gegenwärtig geprüft wird.

Dies wirft jedoch erhebliche politische Schwierigkeiten auf. Zum einen würde dies die Wut in der Bevölkerung weiter schüren und angesichts der sich ständig verschlechternden Bedingungen für Arbeiter den Eindruck erwecken, dass die Finanzbehörden wieder einmal zur Rettung der Wall Street eingesprungen sind.

Darüber hinaus stellt sich folgende Frage: Wenn der so genannte freie Markt eine Katastrophe nach der anderen im Finanzsystem produziert, mit schwerwiegenden sozialen und wirtschaftlichen Folgen für die arbeitende Bevölkerung, und wenn es so ist (wie der Crash von 2008 gezeigt hat) dass die Gesellschaft diese Finanzkrisen nur durch den endlosen Zufluss von Ressourcen aus der arbeitenden Gesellschaft überlebt – ist es dann nicht an der Zeit, das Privateigentum am Finanzsystem zu beenden und es durch ein System des öffentlichen Eigentums unter demokratischer Kontrolle zu ersetzen?

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