Yellen erklärt Wirtschaftskrieg mit China

Wie es mittlerweile zum Standardrepertoire der Biden-Administration in Bezug auf die Beziehungen zwischen den USA und China gehört, war auch die Rede von Finanzministerin Janet Yellen an der John Hopkins University letzte Woche gespickt mit Heuchelei und offenkundigen Falschaussagen.

Finanzministerin Janet Yellen an der Johns Hopkins University School of Advanced International Studies, Donnerstag, 20. April 2023, in Washington [AP Photo/Manuel Balce Ceneta]

Die Rede war den Wirtschaftsbeziehungen zwischen den USA und China gewidmet. Yellen erklärte, die USA strebten „konstruktive und faire Wirtschaftsbeziehungen“ mit der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt an. Dabei machte sie jedoch deutlich, dass „nationale Sicherheitserwägungen“ über allen anderen Erwägungen stehen, was bedeutet, dass China sich den „internationalen Regeln“ unterordnen muss, welche die USA festlegen.

Das Hauptaugenmerk in der Berichterstattung über die Rede lag auf Yellens Beteuerung, dass die USA keine Trennung von China anstrebten. Sie betonte, dass der Gesamthandel mit China im Jahr 2021 700 Milliarden Dollar ausmachte, was mehr sei als der Handel mit jedem anderen Land außer Kanada und Mexiko.

Zwar würden sich die USA weiterhin „durchsetzen“, wenn lebenswichtige nationale Interessen auf dem Spiel stünden, aber: „Wir wollen unsere Wirtschaft nicht von der Chinas ‚abkoppeln‘. Eine vollständige Trennung unserer Volkswirtschaften wäre für beide Länder katastrophal. Auch für den Rest der Welt wäre sie destabilisierend. Stattdessen wissen wir, dass die Gesundheit der chinesischen und der amerikanischen Wirtschaft eng miteinander verknüpft sind.“

Der Kolumnist der Financial Times, Edward Luce, konzentrierte sich auf dieses Element der Rede. Er merkte an, dass sie zwar betont habe, dass „immer dann, wenn die nationale Sicherheit der USA mit der Wirtschaft kollidiert“, die erstere Vorrang habe. Ihre Rede könne jedoch „als ein Olivenzweig gegenüber Beijing“ interpretiert werden.

Bei genauerer Betrachtung von Yellens Äußerungen vor dem Hintergrund des amerikanischen Handelns in der Vergangenheit erscheint dies bestenfalls als reines Wunschdenken.

Yellen betonte, dass „unsere nationale Sicherheit“ ein Bereich sei, in dem wir „keine Kompromisse eingehen“. Wie gewohnt wurde dies mit der Behauptung verbunden, die USA seien entschlossen, die Menschenrechte zu schützen – eine Phrase, die der US-Imperialismus je nach seinen geopolitischen Zielen ein- und ausschaltet. Beispielsweise müssen die Menschenrechte in China geschützt werden, nicht jedoch in Saudi-Arabien oder in einer Reihe anderer Länder mit diktatorischen Regimen, mit denen die USA wichtige wirtschaftliche und strategische Beziehungen pflegen.

Zur Verwirklichung ihrer Ziele haben die USA immer wieder Sanktionen verhängt, die darauf abzielen, die Hightech-Entwicklung in China mit der Begründung zu behindern, diese beeinträchtige die nationale Sicherheit.

Yellen sagte: „Auch wenn unsere gezielten Maßnahmen möglicherweise wirtschaftliche Auswirkungen haben, werden sie ausschließlich von unserer Sorge um unsere Sicherheit und unsere Werte motiviert. Es ist nicht unser Ziel, diese Instrumente einzusetzen, um einen ökonomischen Wettbewerbsvorteil zu erzielen.“

Ferner erklärte sie, dass die gegen China verhängten Maßnahmen nicht darauf abzielten, „Chinas wirtschaftliche und technologische Modernisierung zu unterdrücken“. Selbst wenn solche Maßnahmen wirtschaftliche Auswirkungen hätten, seien sie „von klaren Überlegungen zur nationalen Sicherheit“ motiviert. „Was dies angeht, werden wir keine Kompromisse eingehen, selbst wenn es zu Abstrichen bei unseren wirtschaftlichen Interessen führen sollte.“

In diesem Zusammenhang sind zwei Punkte zu beachten. Der erste ist, dass die nationale Sicherheit, also die Kriegsvorbereitung, alles übertrumpft und die Technologieverbote auch sehr stark auf die Erzielung wirtschaftlicher Vorteile ausgerichtet sind, was untrennbar mit militärischen Zielen einhergeht.

Mit den Sanktionen gegen den Technologieriesen Huawei hat der Krieg gegen Chinas Hochtechnologie-Entwicklung seinen Anfang genommen. Dies nicht zuletzt deshalb, weil seine Innovationen in vielen Bereichen den USA weit voraus waren, und das Unternehmen in der Lage war, Netzwerke und Smartphones preiswerter und hochwertiger herzustellen als viele seiner internationalen Konkurrenten.

Das Vorgehen gegen Huawei bedeutet, dass die Zukunft des Unternehmens auf dem Spiel steht, so der Firmengründer. Zudem bedroht eine neue Reihe von Technologie-Restriktionen, die im Oktober letzten Jahres von den USA verhängt wurden, die gesamte chinesische Chipindustrie. Denn die gegen Huawei eingeleiteten Maßnahmen werden auf breiterer Basis angewendet.

Im Rahmen der neuen Beschränkungen dürfen Halbleiter, die mithilfe von US-Technologie für die Entwicklung von künstlicher Intelligenz, Hochleistungsrechnern und Supercomputern hergestellt werden, nicht ohne Ausfuhrgenehmigung nach China verkauft werden. Zugleich müssen sich ausländische Unternehmen, die US-Technologie verwenden, unter Androhung von Sanktionen an das Verbot halten.

Die US-Maßnahmen verbieten ferner, dass US-Bürger oder -Unternehmen ohne besondere Genehmigung mit chinesischen Chipherstellern zusammenarbeiten.

Das zweite Problem besteht darin, dass jede Hightech-Entwicklung als „national sicherheitsrelevant“ angesehen wird. Denn Fortschritte im zivilen Bereich können immer auch militärisch genutzt werden, weshalb jede Entwicklung als Bedrohung angesehen wird.

Hinzu kommt, dass die wirtschaftliche Entwicklung Chinas als existenzielle Bedrohung für die Vorherrschaft der USA angesehen wird, wie zahlreiche Studien von US-Behörden und Think Tanks verdeutlichen.

Dieser Umstand erinnert an das berüchtigte Eyre-Crowe-Memorandum, das der Diplomat Eyre Crowe 1907 für das britische Außenministerium verfasst hatte. Darin kam er zu dem Schluss, dass es letztlich keine Rolle spiele, ob Deutschland friedliche Absichten verfolge oder nicht, da allein sein wirtschaftlicher Fortschritt eine Bedrohung für das britische Empire darstelle.

Der langjährige imperialistische Stratege Henry Kissinger erinnerte in seinem vor mehr als zehn Jahren geschriebenen Buch „On China“ an dieses Memorandum und warnte, die USA und China befänden sich auf dem gleichen Kriegspfad.

Was man vielleicht als Pfeifen im Walde bezeichnen könnte, und was im direkten Widerspruch zu zahlreichen US-Sicherheitsberichten steht, ist die Aussage von Yellen, dass Chinas Wirtschaftswachstum nicht notwendigerweise im Widerspruch zur US-Führung stehen müsse.

„Die Vereinigten Staaten sind nach wie vor die dynamischste und wohlhabendste Wirtschaft der Welt. Wir haben keinen Grund, einen gesunden wirtschaftlichen Wettbewerb mit irgendeinem Land zu fürchten.“

Derartige Behauptungen stehen in krassem Widerspruch zur Wirtschaftsgeschichte. Es sei daran erinnert, dass Präsident Nixon 1971 die Golddeckung des US-Dollars aufhob, und zwar nicht zuletzt deshalb, weil die europäische Konkurrenz die Vormachtstellung der USA auf den Weltmärkten untergrub.

Auch die jüngsten Ereignisse widersprechen Yellens Behauptungen. Man denke nur an die schweren Finanzkrisen der Jahre 2008 und 2020, die das globale Finanzsystem beinahe zum Einsturz brachten oder an die große Finanzkrise im letzten Monat. Diese Krisen zeigen, dass die Grundlagen des US-Kapitalismus, allen Beteuerungen der Stärke durch Yellen und andere zum Trotz, durch jahrzehntelanges und mittlerweile endemisches Finanzparasitentum ausgehöhlt sind.

Yellen versuchte, die Umstellung der US-Außenpolitik auf den „strategischen Wettbewerb“ als eine Art Konjunkturprogramm darzustellen und griff dabei sogar auf Sport-Analogien zurück.

„Die Vereinigten Staaten“, sagte sie, „streben keinen Wettbewerb an, bei dem der Sieger alles bekommt. Stattdessen glauben wir, dass ein gesunder wirtschaftlicher Wettbewerb mit fairen Regeln beiden Ländern zugutekommt und zu gegenseitigen Verbesserungen führen kann. Auch Sportmannschaften erbringen höhere Leistungen, wenn sie sich regelmäßig mit den Besten messen.“

Möglicherweise sollte Yellen einen Auffrischungskurs in amerikanischer Wirtschaftsgeschichte absolvieren, denn die Geschichte belegt, wie die aller anderen kapitalistischen Länder, dass das Ziel des Wettbewerbs das Monopol ist. Dies wird, wie Marx es ausdrückte, durch folgenden Prozess erreicht: „Je ein Kapitalist schlägt viele tot.“

Dies gilt auch für den Wettbewerb zwischen rivalisierenden kapitalistischen Großmächten und Nationalstaaten – ein Wettbewerb, der im 20. Jahrhundert zu zwei Weltkriegen führte und derzeit die Voraussetzungen für einen dritten im 21. schafft. Die USA versuchen darin verzweifelt, ihre Vormachtstellung zu behaupten.

Der Konkurrenzkampf mit China und anderen Ländern kann so lange toleriert werden, solange die USA die Oberhand behalten.

Die Vereinigten Staaten streben eine gesunde Beziehung zu China an, solange sich Beijing an die „internationalen Regeln“ hält, die die USA aufgestellt haben und die sie durchsetzen. Andernfalls droht die geballte Faust, auf die sich Yellen in Bezug auf die Ukraine bezog:

Chinas ‚grenzenlose‘ Partnerschaft und Unterstützung für Russland ist ein besorgniserregendes Zeichen dafür, dass es dem Land mit der Beendigung des Krieges nicht wirklich ernst ist. Es ist unerlässlich, dass China und andere Länder Russland keine materielle Unterstützung gewähren oder bei der Umgehung von Sanktionen helfen. Wir werden Beijing und allen Firmen, die seiner Gerichtsbarkeit unterstehen, die Haltung der Vereinigten Staaten weiterhin sehr klar machen. Die Konsequenzen eines etwaigen Verstoßes wären gravierend.

Es ist altbekannt, dass eine Großmacht, die Krieg vorbereitet, die von ihr selbst durchgeführten Maßnahmen auf ihren Rivalen projiziert. Genauso ist es im vorliegenden Fall. Yellen sagte:

In bestimmten Fällen hat China ... seine wirtschaftliche Macht ausgenutzt, um Vergeltung zu üben und schwächere Handelspartner unter Druck zu setzen. Beispielsweise setzte es Boykotte bestimmter Waren als Strafe gegen diplomatische Maßnahmen anderer Länder ein. Als Vorwand für diese Maßnahmen gibt China häufig kommerzielle Gründe an. Doch in Wirklichkeit zielt China darauf ab, unliebsame Entscheidungen zu bestrafen - und souveräne Regierungen zu zwingen, vor seinen politischen Forderungen zu kapitulieren.

Diese Aussage ist eine ziemlich genaue Beschreibung der US-Politik zur Erreichung dessen, was als „Washingtoner Konsens“ bezeichnet wird.

Ohne Zweifel führt auch China, ein kapitalistischer Staat, der die Interessen der von ihm vertretenen Oligarchie verfolgt, entsprechende Maßnahmen durch.

Sie verblassen jedoch vor denen der USA. Dazu gehören: die Drohung von Maßnahmen gegen Unternehmen, die mit dem Iran Handel treiben und sich den einseitigen US-Sanktionen widersetzen; das Einfrieren der Devisenreserven der russischen Zentralbank zu Beginn des Ukraine-Krieges, und die implizite Drohung, dass die Dollar-Macht gegen jedes andere Land eingesetzt werde, das den Kurs der USA kreuzt; schließlich die Drohungen gegen Länder, die erwägen, für ihre Kommunikationssysteme auf die überlegene und billigere chinesische Technologie zurückzugreifen. Dies sind nur einige von vielen Beispielen.

Yellens Rede war also kein „Olivenzweig“, sondern Ausdruck der vollständigen Integration von Wirtschafts- und Militärpolitik. Denn die USA sehen sich vor eine Bedrohung gestellt, die sie als größte Gefahr für ihre anhaltende globale Vorherrschaft betrachten.

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