Bahngewerkschaften kriechen unterwürfig vor dem Kongress, während Washington vor der Streikfrist am Freitag Notfallpläne schmiedet

Kurz vor Ablauf der Frist für einen landesweiten Bahnstreik bemühen sich die Eisenbahngewerkschaften verzweifelt um eine Einigung mit den sieben Güterzuggesellschaften der Klasse I (Bahnunternehmen mit einem Jahreseinkommen von mindestens 504 Mil. US Dollar). Die Gewerkschaften stehen jedoch einem überwältigenden Widerstand der Arbeiter gegenüber, der ihre Versuche, einen Ausverkauf bürokratisch durchzusetzen, ernstlich stört.

Ein Güterzug von Norfolk Southern bahnt sich am seinen Weg durch Homestead (Pennsylvania), 27. April 2022 (AP Photo/Gene J. Puskar, File)

Die Eisenbahner kämpfen gegen einen vorgeschlagenen Tarifvertrag, der im letzten Monat von einer von Biden ernannten Zwangsschlichtungsstelle (PEB) vorgelegt wurde. Dieser Vertrag sieht Kürzungen bei den Reallöhnen und Erhöhungen der Gesundheitskosten vor. Auch die verhasste Präsenzpflicht, die Zehntausende aus der Branche vertrieben hat, wird beibehalten.

Trotz der bürgerkriegsähnlichen Atmosphäre, die in Washington zwischen Republikanern und Demokraten herrscht, haben beide Parteien signalisiert, dass sie bereit sind, gemeinsam ein Gesetz für ein Streikverbot zu verabschieden. Steny Hoyer, die Nummer zwei der Demokraten im Repräsentantenhaus, erklärte gegenüber Bloomberg News, dass der Kongress intervenieren werde. Am Montagabend schlugen die republikanischen Senatoren Richard Burr und Roger Wicker ein Gesetz vor, mit dem das Verbot direkt zum Stichtag am Freitag in Kraft treten könnte.

Die Transportabteilung der Gewerkschaft International Association of Sheet Metal, Air, Rail and Transportation Workers (SMART-TD) erklärte am Dienstag in einem kriecherischen Brief an die führenden Vertreter beider Parteien im Kongress: „Wir bitten Sie in aller Bescheidenheit, diese Angelegenheit von beiden Tarifpartnern regeln zu lassen“.

Mit anderen Worten: Die Gewerkschaften fordern den Kongress nicht auf, sich aus dem Streik, der am Freitag stattfinden wird, herauszuhalten. Vielmehr bitten sie den Kongress, den Gewerkschaften Raum und Zeit zu geben, die sie benötigen, um eine Einigung durchzusetzen und einen Streik zu vermeiden. In dem Schreiben heißt es weiter: „Jetzt ist nicht die Zeit für überstürzte Entscheidungen, denn die Wirtschaftskrise ist sehr real.“

Die Unternehmen weigern sich jedoch, auch nur die geringsten Zugeständnisse in Bezug auf das brutale Arbeitszeitregime bei den Eisenbahnen zu machen, bei dem die Arbeiter ständig auf Abruf stehen und keine Zeit für Arzttermine oder gar für ihre Familien haben. Die Gewerkschaft der Lokführer und Eisenbahner (BLET), die zusammen mit SMART-TD die Mehrheit der Eisenbahner zu ihren Mitgliedern zählt, erklärte, dass sie ihre Verhandlungsposition sogar durch Aufgeben der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall aufweichen würde – ohne Erfolg.

Die von SMART-TD vorgeschlagene Lösung ist jedoch kein landesweiter Streik, sondern eine „freiwillige Vereinbarung“, d. h. eine Vereinbarung, die ohne Eingreifen des Kongresses zustande kommt, und die SMART-TD als die beste Option für „unsere Mitglieder und die Nation“ bezeichnet. Sie erklärt: „Die einzige Lösung, die uns noch zur Verfügung steht, ist eine Vereinbarung, die der Bestätigung durch unsere Mitglieder würdig ist“. Dies steht in direktem Widerspruch zu den Aussagen von SMART-TD und BLET, die den Bericht des Zwangsschlichters noch vor einigen Wochen als „historisch“ bezeichnet hatten, was die Wut der Arbeiter nur noch weiter steigerte.

SMART-TD fügte seinem Schreiben interne Umfragen bei, aus denen hervorging, dass ein Tarifvertrag gemäß des Entwurfs des PEB von 78 Prozent abgelehnt würde. Dies ist wahrscheinlich eine erhebliche Untertreibung des tatsächlichen Ausmaßes der Opposition. Vor dem Einsatz des Zwangsschlichters stimmten 99,5 Prozent der BLET-Arbeiter für einen Streik. Aber in der SMART-TD-Umfrage, in der die Mitglieder nach der „besten Option“ gefragt werden, wird der Streik nicht einmal genannt. Stattdessen werden die Arbeiter aufgefordert, zwischen der Annahme des Zwangsschlichtungsvorschlags und einer „Entscheidung durch den Kongress“ über den Vertrag zu wählen.

SMART-TD fügt hinzu, „selbst wenn ein Eingreifen unvermeidlich werden sollte, bitten wir Sie, uns anzuhören und unseren Vorschlag im Interesse der Familien unserer Mitglieder zu berücksichtigen“. Mit anderen Worten, die Gewerkschaften akzeptieren passiv als legitim und „unvermeidlich“, dass der Kongress, der zum größten Teil aus Millionären besteht, deren eigene Aktienportfolios im Falle eines Streiks abstürzen würden, eingreifen kann, um das demokratische Streikrecht der Arbeiter zu beschneiden.

Jahrzehntelang haben die Eisenbahngewerkschaften die Regierung und sogar das arbeiterfeindliche Eisenbahnarbeitsgesetz, das Streiks in der Branche unterbinden soll, als neutrale Schiedsrichter dargestellt. Doch die gesamte Geschichte der staatlichen Interventionen bei den Eisenbahnen, die ausnahmslos im Interesse der Unternehmen erfolgten, beweist das Gegenteil.

Dazu gehören der große Eisenbahnerstreik von 1877, der von Bundestruppen niedergeschlagen wurde, die Verhaftung der Streikführer des Pullman-Streiks im Jahr 1894 unter dem fabrizierten Vorwurf der Manipulation der Postanhänger in den Pullmanzügen, sowie die Intervention der Truman-Regierung gegen Streiks in den Jahren 1946 und 1950. Im Jahr 1991 wurde der letzte landesweite Bahnstreik durch eine einstweilige Verfügung des Kongresses nach nur wenigen Stunden beendet. Das Repräsentantenhaus verabschiedete das Gesetz mit 400 zu 5 Stimmen, darunter auch ein Neuling aus Vermont namens Bernie Sanders.

Unter den Eisenbahnerinnen und Eisenbahnern herrscht seit langem eine Stimmung des Trotzes. „Wir haben gerade eine Pandemie mit null bezahlten Krankheitstagen überstanden, jawoll, null“, sagte ein Arbeiter der WSWS. „Wenn der Kongress uns einen Vertrag ohne Krankheitstage aufzwingt“, fügte er hinzu, „wird es hässlich werden“.

Ein anderer bemerkte: „Ich glaube, es wurden zu viele Verträge verabschiedet, ohne die Stimme der Belegschaft zu hören. Einige Ortsverbände haben in ihren Satzungen verankert, dass der Vorsitzende alleinige Entscheidungsfreiheit hat. Dieser Brauch sollte beendet werden, alles sollte mit der Belegschaft besprochen werden, bevor irgendwelche Vereinbarungen getroffen werden.“

Der Zorn und der Widerstand der Arbeiter gegen den Verrat der Gewerkschaften äußert sich im großen Interesse an dem Aktionskomitee der Eisenbahner, dessen Erklärungen tausende Male gelesen wurden. Für eine öffentliche Versammlung, die das Komitee gestern veranstaltete, waren weit über 100 Anmeldungen eingegangen.

Der Widerstand der Arbeiter macht die Versuche der Gewerkschaften zunichte, bürokratische Hindernisse durchzusetzen, wie etwa durch Ausgliederung der kleineren Handwerksgewerkschaften mit separaten Tarifverträgen. Die Gewerkschaft der Bahnwärter (Brotherhood of Railway Signalmen, BRS) hat ihre Pläne aufgegeben, einen Tarifvertrag nach Vorlage des Zwangsschlichters zur Abstimmung zu bringen. Der hätte mit Sicherheit keine Chance gehabt, angenommen zu werden. Die Abstimmung über einen Tarifvertrag für die Gewerkschaft der Mechaniker und Maschinenschlosser (International Association of Machinists and Aerospace Workers, IAM) wurde gestern Abend beendet. Obwohl das endgültige Ergebnis bei Redaktionsschluss noch nicht vorlag, scheint die Gewerkschaft selbst wenig Illusionen zu hegen, dass der Vertrag ratifiziert wird. Am Montag verteilte die Gewerkschaft Rundschreiben an die Maschinisten, um sie über die Streikordnung zu informieren.

Die Gewerkschaft der Wartungsarbeiter des Schienennetzes (Brotherhood of Maintenance of Way Employes, BMWE) gab eine Erklärung ab, in der es hieß, dass ihre Mitglieder zwar aufgrund ihrer Entscheidung, die Bedenkzeit zu verlängern, nicht offiziell an einem Streik teilnehmen könnten – sie aber im Falle eines Streiks auch nicht die Streikpostenkette anderer Eisenbahner übertreten dürften. Auch würden die BMWE-Mitglieder Streikgeld erhalten. Damit wird einfach abgesegnet, was die Wartungsarbeiter ohne die Zustimmung der Gewerkschaft ohnehin getan hätten.

Ein Eingreifen des Kongresses wäre für die herrschende Klasse mit politischen Gefahren verbunden. Es würde sich explosiv mit der politischen Krise in den USA in den Wochen vor den wichtigen Zwischenwahlen überschneiden. Außerdem gibt es keine Garantie dafür, dass ein Streikverbot des Kongresses von den Arbeitern nicht einfach ignoriert würde. In der Vergangenheit gab es mehrfach solche Arbeiterrebellionen, etwa bei den Lehrerstreiks 2018 (die sich über staatliche Anti-Streik-Gesetze hinwegsetzten) und beim Bergarbeiterstreik 1977, der sich über eine Taft-Hartley-Verfügung von Präsident Jimmy Carter hinwegsetzte.

Sowohl der Kongress als auch das Weiße Haus würden es sehr begrüßen, wenn eine Einigung vor Ablauf der Frist zustande käme. Dick Durbin, die Nummer zwei der Demokraten im Senat, erklärte gegenüber CNN, dass der Kongress wohl nicht eingreifen werde. Er fügte hinzu, dass die Vermeidung eines Streiks „davon abhängt, dass die Verhandlungsparteien sich der Lage gewachsen zeigen“.

Die Pressesprecherin des Weißen Hauses, Karin Jean-Pierre, erklärte am Dienstag: „Ein Stillstand des Bahnverkehrs ist inakzeptabel und wird amerikanischen Arbeitern, Familien und Unternehmen schaden. [Die Eisenbahnen und die Gewerkschaften] müssen Maßnahmen ergreifen, um ihn abzuwenden.“ Am späten Dienstagabend gab die Regierung Biden bekannt, dass Arbeitsminister Marty Walsh am Mittwochmorgen Gespräche mit beiden Seiten im Weißen Haus führen wird.

In der Zwischenzeit arbeitet Biden an Notfallplänen für den Fall eines Streiks, um die Fracht ohne die Eisenbahn zu transportieren. Jean-Pierre sagte, dass das Weiße Haus Berichten zufolge täglich behördenübergreifende Sitzungen abhält, um die Auswirkungen eines Streiks auf die Lieferketten zu erörtern.

Die Eisenbahngesellschaften sind damit beschäftigt, den Betrieb vor dem Stichtag herunterzufahren. Der Notfallplan von Norfolk Southern, keine neue Fracht mehr anzunehmen, tritt heute in Kraft, und Amtrak, das fast ausschließlich auf Strecken verkehrt, die den Güterbahnen gehören, hat begonnen, Passagierfahrten zu streichen. Die Gewerkschaften haben dies als „Selbsthilfe“ denunziert, die nach dem Eisenbahnarbeitsgesetz vor Ablauf der Streikfrist verboten ist. Sie haben damit ihre eigene loyale Gesetzeshörigkeit kontrastiert, mit der sie alle Arbeiter unter normalen Bedingungen weiterarbeiten ließen.

Das Aktionskomitee der Eisenbahner beruft am Mittwoch, den 14. September, um 19:00 Uhr Eastern Time (Donnerstag 01:00 Uhr in Mitteleuropa) ein öffentliches Treffen ein mit dem Titel „Organisiert euch, um einen nationalen Streik vorzubereiten!“ Alle Eisenbahner und ihre Unterstützer sind eingeladen, daran teilzunehmen und sich hier für das Treffen anzumelden. Die World Socialist Web Site wird über das Treffen und den Kampf der Eisenbahner weiter berichten. Um dem Aktionskomitee beizutreten oder zu kontaktieren, schickt eine E-Mail an mailto:railwrfc@gmail.com oder füllt das Formular unter dem Artikel aus.

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