Nach ihrem Einzug in die Downing Street griff die neue britische Premierministerin Liz Truss als Erstes zum Telefon, um US-Präsident Biden zu versichern, dass Großbritannien weiterhin den Stellvertreterkrieg der Nato gegen Russland in der Ukraine unterstützt.
Daraufhin twitterte Biden: „Ich freue mich darauf, die besonderen Beziehungen zwischen unseren Ländern zu vertiefen und in enger Abstimmung globale Herausforderungen anzugehen, einschließlich der fortgesetzten Unterstützung der Ukraine, die sich gegen die russische Aggression verteidigt.“
In einer Pressemitteilung verwies die Downing Street auf „die Weiterentwicklung unseres engen Verteidigungsbündnisses im Rahmen von Nato und [dem antichinesischen Militärbündnis] AUKUS“ und stellte damit klar, dass Truss und Biden eine Eskalation der Aggression gegen Russland und China anstreben: „Die Regierungen bekräftigten ihre Entschlossenheit, global für die Freiheit einzustehen, den von Autokratien ausgehenden Gefahren entgegenzutreten und dafür zu sorgen, dass Putin in der Ukraine scheitert.“
Und so hat Truss dem Verteidigungsministerium für die kommenden Monate und Jahre zusätzliche 157 Mrd. Pfund (ca. 180 Mrd. Euro) zugesagt.
Den Rest ihres ersten Tages als Regierungschefin verbrachte Truss damit, ein Kabinett zusammenzustellen. Dabei räumte sie jeden aus dem Weg, der mit ihrem Konkurrenten um die Führung der Tory-Partei, Rishi Sunak, in Verbindung steht. Bedenken von Parteifreunden, dass der ehemalige Finanzminister und Milliardär einen starken Rückhalt in der Parlamentsfraktion hat, wischte sie beseite. Auch bei der Abstimmung der Tory-Mitgliedschaft über den Parteivorsitz hatte sich Truss mit 57 zu 43 Prozent der Stimmen nur knapp gegen Sunak behauptet.
Ungeachtet solcher Vorbehalte unterstützten die Tory-nahen Medien einhellig Truss‘ Vorgehen. Die Times erklärte: „Angesichts der Herausforderungen, vor denen sie steht, und angesichts ihres riskanten Programms erscheint es verständlich, dass sie sich im Kabinett mit Personen umgibt, die ihre Agenda während des Wahlkampfs unterstützt haben und auf die sie sich verlassen kann, wenn es darum geht, dies weiterhin zu tun.“
Die Anhänger von Truss bilden den äußersten rechten Rand einer äußerst rechten Partei.
Aus dem Kabinett von Boris Johnson wurden lediglich Verteidigungsminister Ben Wallace und sein Staatssekretär James Heappey übernommen. Beide sind maßgeblich an der Kriegsführung gegen Russland beteiligt. Wallace, ehemaliger Hauptmann der Scots Guards (eines der fünf Leibregimenter der britischen Königin) galt zunächst als Anwärter auf die Nachfolge Johnsons, stellte sich dann aber nicht zur Wahl. Es wird vermutet, dass Washington ihn mit der Mahnung zurückgepfiffen hatte, dass der Krieg gegen Russland und die militärischen Provokationen gegen China eine stabile Führung erfordern. Wallace erklärte dann seine Unterstützung für Truss.
Ein weiterer prominenter Kriegstreiber, Tom Tugenhadt – ein Oberstleutnant, der in Afghanistan und im Irak diente und zuvor Vorsitzender des Parlamentsausschusses für auswärtige Angelegenheiten war – wurde zum Staatsminister für Sicherheit im Innenministerium ernannt.
Truss‘ engste Verbündete, Thérèse Coffey, wurde vom Amt der Ministerin für Arbeit und Renten zur stellvertretenden Premierministerin und Ministerin für Gesundheit und Soziales befördert. Coffey hatte nach dem Tod Margaret Thatchers 2013 getwittert: „RIP Margaret Thatcher. Du hast unser Land zum Besseren verändert, Großbritannien wieder groß gemacht und geholfen, den Eisernen Vorhang zu öffnen.“ Der Hashtag #PutinMustFail ist Teil von Coffeys Twitter-Namen.
Der ehemalige Staatssekretär für Wirtschaft Kwasi Kwarteng wurde zum Finanzminister befördert. Kwarteng ist ein Zögling der Eliteschule Eton, hat in Harvard und Cambridge studiert, für den Daily Telegraph geschrieben und als Finanzanalyst bei verschiedenen Banken gearbeitet, darunter beim Branchenriesen JP Morgan. Als er 2010 nach dem weltweiten Finanzcrash ins Parlament gewählt wurde, kommentierte er die Sparmaßnahmen, die das Leben von Millionen ruinierten, mit der Bemerkung, dass „Vermögensbildung das Wichtigste ist, um uns aus dieser Rezession herauszuholen“.
James Cleverly, der erst seit 2015 im Parlament sitzt, erhält das Amt des Außenministers. Er ist ein Anti-China-Falke, der darauf besteht, dass „wir uns mit dem Einfluss Chinas auseinandersetzen müssen, nicht nur auf der Weltbühne, sondern auch hier in Großbritannien“.
Der vielleicht deutlichste Hinweis auf den Charakter der Truss-Regierung ist die Ernennung der vormaligen Generalstaatsanwältin Suella Braverman zur Innenministerin. Braverman gilt allgemein als noch reaktionärer als ihre Vorgängerin Priti Patel. Der Guardian zitiert die Einschätzung eines ihrer Anhänger: „Sie wird Priti haushoch übertreffen. Sie werden sehen.“
Braverman wird vorgeworfen, Großbritanniens Austritt aus der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) zu betreiben, nachdem Anwälte von Asylbewerbern mithilfe der EMRK einen Abschiebeflug nach Ruanda verhindert hatten, der unter einem von Patel initiierten Gesetz genehmigt worden war. Im Juli schrieb sie in der Parlamentszeitschrift House: „Der Austritt aus der EMRK ist die einzige Lösung“. Sie stehe „völlig im Einklang mit dem Völkerrecht“.
Jacob Rees-Mogg wurde zum Minister für Wirtschaft, Energie und Industriestrategie ernannt. Der millionenschwere Hedgefonds-Manager strebt eine völlig deregulierte Wirtschaft an, die hemmungslos geplündert werden kann.
Angesichts dieser Zusammenrottung politischer Gangster haben die Medien nichts Besseres zu tun, als die Diversität von Truss‘ Führungsteam zu preisen. Sie bezeichnen es als „vielfältigstes Kabinett aller Zeiten“ und versuchen, ihm einen progressiven Anstrich zu verleihen.
Dabei tut sich besonders der nominell liberale Guardian hervor.Die Zeitung erklärte unter der Überschrift „Diversity“: „Jetzt ist es offiziell: In den vier wichtigsten Staatsämtern Großbritanniens gibt es zum ersten Mal in der Geschichte keinen weißen Mann.“
Truss‘ Kabinett, jubelt der Guardian, „zeichnet sich durch die Vertretung ethnischer Minderheiten aus: Nahezu ein Viertel der 30 heute Abend verteilten Posten wurde mit Vertretern der schwarzen, asiatischen und anderer Minderheiten besetzt, deren Anteil ansonsten landesweit auf 13,7 % geschätzt wird.“
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Was Millionen von Arbeitern zu der Bemerkung veranlassen dürfte: „Na und?“
Der Arbeiterklasse ist es vollkommen schnuppe, welchem Geschlecht oder welcher ethnischen Gruppe Vertreter der Torys angehören. Diese Partei, die nun bereits die dritte weibliche Premierministerin stellt, macht sich bereit, die seit zwölf Jahren andauernde Offensive gegen den Lebensstandard der Arbeiter noch einmal rabiat hochzufahren. Und übrigens schert sich auch die Tory-Partei nicht um Geschlecht oder Hautfarbe, wenn es darum geht, die brutalsten Verfechter kapitalistischer Klasseninteressen zu versammeln.
Allein die Socialist Workers Party fühlte sich berufen, unter der Überschrift „Ein vielfältiges Kabinett der Reaktion“ der Identitätspolitik doch noch Geltung zu verschaffen. Der Socialist Worker behauptete, dass „Truss gezielt Frauen und Schwarze in ihr Kabinett manövrieren wird, um Kritik an der Bigotterie der Torys abzuwehren“ – als ob sich die Konservativen jemals im Geringsten um solche Vorwürfe gekümmert hätten.
Die Zeitung behauptete sogar, dass „Kabinettsanwärter wie Kwasi Kwarteng und Suella Braverman im Laufe ihres Lebens und ihrer Karriere mit Sicherheit Unterdrückung erlebt haben – sie dringt in jede Ritze der Gesellschaft“.
Das Wall Street Journal äußerte sich aus der Sicht der Herrschenden in den USA besorgt über die aufgeheizte Lage im Vereinigten Königreich, wo explosive Klassen- und soziale Spannungen die arbeiterfeindliche Agenda von Truss, Kwarteng, Braverman und Co. bestimmen.
Die Zeitung warnt: „Großbritanniens schrumpfende Wirtschaft steht kurz vor einer Rezession, die Inflation ist so hoch wie seit Jahrzehnten nicht mehr und die Privathaushalte sehen sich aufgrund des Krieges in der Ukraine mit horrenden Energierechnungen konfrontiert.“
Darüber hinaus „ist das Land auf dem besten Weg, im nächsten Jahr das niedrigste Wirtschaftswachstum und die höchste Inflation in der Gruppe der sieben reichsten Länder zu verzeichnen, so die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung … Ohne größere staatliche Eingriffe wird die Kombination aus höheren Energiepreisen und niedrigen Löhnen bis 2024 zu einem Rückgang des durchschnittlichen verfügbaren Einkommens der britischen Haushalte um etwa 3.000 Pfund bzw. rund 3.500 Dollar pro Jahr führen – der größte Rückgang des Lebensstandards in einem Jahrhundert, so die Resolution Foundation, ein britischer Thinktank.“
Truss bleibt nichts anderes übrig, als es mit dem wachsenden Widerstand der Arbeiterklasse aufzunehmen: „Ihr droht die Fortsetzung eines langen, heißen Sommers der Unzufriedenheit“ mit „zahlreichen Streiks“, die bereits ausgebrochen sind, „einschließlich der größten Arbeitsniederlegung bei der Bahn seit 1989“.
Die Arbeiterklasse kann diesen Angriff nur abwehren, indem sie sich allen Versuchen der Labour Party und der Gewerkschaftsbürokratie widersetzt, den Klassenkampf angesichts dieser gemeinsamen Offensive der Regierung und des Großkapitals zu knebeln.
Besonders deutlich wird die lähmende Rolle der Gewerkschaften von Mick Lynch verkörpert, dem Vorsitzenden der Rail, Maritime and Transport Workers Union, der mit der Leitung eines der wichtigsten Streiks in Großbritannien beauftragt war. Nachdem er zunächst angekündigt hatte, dass er im Fall der Wahl von Truss (die versprochen hatte, innerhalb von 30 Tagen eine Reihe von Antistreikgesetzen zu verabschieden) zu einem Generalstreik aufrufen werde, winselt Lynch nun: „Liz Truss sollte im nationalen Interesse handeln und eine positive Rolle bei der Beilegung des Arbeitskampfs der Eisenbahner spielen. Das bedeutet Investitionen in die Infrastruktur sowie die Entflechtung von Network Rail und den Eisenbahnunternehmen, damit wir zu einer Verhandlungslösung über Arbeitsplatzsicherheit, Löhne und Arbeitsbedingungen kommen können.“
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