Die erste Runde der französischen Präsidentschaftswahlen am Sonntag hat zu einer Stichwahl zwischen dem amtierenden Präsidenten Emmanuel Macron und der neofaschistischen Kandidatin Marine Le Pen geführt.
Wie bei den Wahlen 2002 und 2017 hat das bankrotte politische Establishment Frankreichs die Wähler vor die „Wahl“ zwischen einem reaktionären „Präsidenten der Reichen“ und der Vorsitzenden der größten neofaschistischen Partei Frankreichs gestellt. Unabhängig vom Wahlausgang wird die Wahl eine weit rechts stehende Regierung hervorbringen, die ihre Angriffe auf die Arbeiterklasse ausweiten wird.
Die Parti de l'égalité socialiste (PES), die französische Sektion des Internationalen Komitees der Vierten Internationale (IKVI), ruft zu einem aktiven Boykott der Stichwahl auf. Sie ruft Arbeiter und Jugendliche auf, nicht zu den Wahlen zu gehen und die vergiftete Wahl zwischen Macron und Le Pen bewusst abzulehnen. Die Kampagne unter Arbeitern und Jugendlichen für einen solchen Boykott verfolgt das Ziel, die Arbeiterklasse auf die Konfrontation vorzubereiten, die unweigerlich kommen wird, egal welcher Kandidat gewinnt.
Bei den Wahlen 2022 sind eine Reihe von Parteien, die ein halbes Jahrhundert lang die offizielle französische Politik dominiert haben, zusammengebrochen. Die gaullistische Partei der Republikaner (LR), die Sozialistische Partei des Großkapitals (PS) und die stalinistische Kommunistische Partei Frankreichs (PCF) erhielten alle weniger als 5 Prozent. Le Pen gewann ihre Stimmen, indem sie die tiefe soziale Wut und Frustration, vor allem über die PS und die PCF, ausnutzte. Ihre Wählerschaft besteht vor allem aus älteren Menschen und kommt aus ländlich geprägten Gebieten, die früher eine Hochburg der PS oder der PCF waren, aber durch die Sparmaßnahmen dieser Parteien verwüstet wurden.
Millionen von Menschen, die eine linke Alternative zu Macron und Le Pen suchten, stimmten für Jean-Luc Mélenchon von der Partei La France insoumise (LFI, Unbeugsames Frankreich). Seine Wahl spiegelte die Radikalisierung der Jugend und der städtischen Arbeiter wider, die nach zwei Jahren der Covid-19-Pandemie und inmitten des Nato-Kriegseinsatzes gegen Russland zu beobachten ist. Mélenchon gewann die Wahl bei den unter 35-Jährigen. Er gewann im Großraum Paris, in Marseille, Toulouse, Lille, Montpellier und in insgesamt zehn der 16 größten Städte Frankreichs, vor allem in den Arbeitervierteln.
Mélenchon erhielt 22 Prozent der Stimmen, nur ein Prozentpunkt weniger als Le Pen. Mélenchon nahm dies jedoch nicht als Kampfauftrag. Statt dessen forderte er seine Wähler auf, Macron zu unterstützen, und kündigte an, dass er sich vor den nächsten Wahlen aus der Politik zurückziehen werde. Am Sonntagabend räumte er zwar ein, dass sich Frankreich in einem „politischen Ausnahmezustand“ befinde, er selbst jedoch legte in lähmender Manier nahe, man müsse jetzt für Macron stimmen. Dabei forderte er immer wieder: „Keine Stimme für Madame Le Pen!“
Die Parti de l'égalité socialiste (PES) weist mit Verachtung die Lüge zurück, dass eine Stimme für Macron eine Waffe gegen die Gefahr des Faschismus sei oder dass Mélenchon-Wähler für Macron stimmen müssten, um Le Pen zu verhindern. Solche Argumente lassen die Lehren aus den Wahlen 2017 völlig außer Acht.
Im Jahr 2017 rief Mélenchon in der gleichen Situation einer Stichwahl zwischen Macron und Le Pen nicht zur Stimmabgabe auf, sondern sagte zweideutig, seine Wähler würden schon wissen, was sie zu tun hätten – und schloss sich damit der Medienpropaganda an, wonach die Arbeiter Macron als kleineres Übel gegenüber Le Pen wählen sollten. Die PES hingegen rief auch damals schon zu einem aktiven Boykott auf und warnte, dass Macron nicht das kleinere Übel gegenüber Le Pen sei. Unsere Position hat sich bestätigt.
Macron hat eine aggressive reaktionäre Politik betrieben. Er erließ Dekrete, um Massenentlassungen zu beschleunigen und die Löhne der Eisenbahner zu kürzen, was 2018/19 Proteste auslöste, die über soziale Medien organisiert wurden: die „Gelbwesten“. Macron reagierte, indem er Frankreichs obersten Nazi-Kollaborateur Philippe Pétain als „großen Soldaten“ bezeichnete und die Bereitschaftspolizei auf die „Gelbwesten“ hetzte. Über 10.000 Menschen wurden verhaftet und 4.400 verwundet.
Als Macrons Umfragewerte sanken, stützte er sich immer direkter auf die rechtsextremen Kräfte. Er unternahm nichts, als faschistische Offiziere rund um den pensionierten General Pierre de Villiers ein härteres Vorgehen gegen die „Gelbwesten“ forderten und mit einem Staatsstreich zur Wiederherstellung der Autorität drohten. Sein Innenminister Gérald Darmanin, ein Sympathisant der rechtsextremen Action Française, unterstützte ein Gesetz, das muslimischen Vereinigungen diskriminierende Verpflichtungen auferlegte. Darmanin attackierte Le Pen sogar öffentlich als „weich“ gegenüber dem Islam.
In Bezug auf die weltweite Covid-19-Pandemie setzte sich Macron für die Politik der Europäischen Union ein, „mit dem Virus zu leben“. Nach einer Welle von Streiks war er zunächst gezwungen, einen von Wissenschaftlern empfohlenen strengen Lockdown zu verhängen, weigerte sich aber, die notwendigen Kontakt- und Rückverfolgungsprogramme einzurichten, um ein Wiederaufflammen des Virus nach dem Ende des Lockdowns zu verhindern. Infolgedessen kehrte das Virus zurück und forderte 1,8 Millionen Todesopfer in Europa, davon 142.000 in Frankreich – im Gegensatz zu China, wo das Virus nach den Lockdowns weitgehend unter Kontrolle gehalten wurde und sich das Leben wieder normalisierte. Aktuell hebt Macron alle Maßnahmen zur Eindämmung der Infektionen auf.
Nach dem reaktionären Einmarsch der russischen Armee unter Befehl von Präsident Wladimir Putin in der Ukraine hat Macron sich und Frankreich auf die Seite der rücksichtslosen US-Nato-Eskalation eines Konflikts mit Russland gestellt. US-Präsident Biden hat erkennen lassen, dass das Pentagon eine Zahl von 45 bis 60 Millionen Kriegstoten riskieren will, um zu entscheiden, wer die „neue Weltordnung“ gestalten wird. Macron hat sich jedoch mit dem Pyromanen in Washington verbündet, bewaffnet rechtsextreme Milizen in der Ukraine und verhängt Sanktionen gegen den Handel mit lebenswichtigen Rohstoffen aus Russland.
Mélenchons LFI und die verschiedenen Parteien der Mittelschicht sind ständig bemüht, die linke Opposition gegen Macron zu blockieren. Sie haben ihre Wähler nicht dazu aufgerufen, die Proteste der „Gelbwesten“ zu verteidigen, und sie haben sogar die verhassten, von extremen Rechten angeführten Impfgegner-Proteste unterstützt. Zuletzt haben sie sich auf die Seite der US-Nato-Kriegstreiber gegen Russland gestellt. Indem sie die linke Opposition gegen Macron im Keim erstickten, ermöglichten sie es der extremen Rechten, sich als Macrons führender Gegner in Stellung zu bringen.
Dies ebnete Le Pen den Weg, um sich in betrügerischer Absicht als Verfechterin einer Politik des sozialen Wohlstands auszugeben. Ihre früheren Beziehungen zu russischen Staatsvertretern bringen es mit sich, dass sie scheinbar militärisch nicht ganz so skrupellos gegen Russland vorgeht wie Macron. Daneben lassen die ständige Polizeigewalt und die Angriffe auf demokratische Rechte der Muslime durch die Regierung Macron Le Pens Rufe nach Polizei und ihre Hetze gegen Einwanderer als völlig normal erscheinen.
Le Pen ist jedoch eine skrupellose Neofaschistin, deren Politik im Falle ihrer Wahl natürlich nicht weniger blutig ausfallen wird als die von Macron. Ihre Wahl führt nicht zu einer Wiedergeburt Frankreichs, sondern zieht das Land in den Dreck.
Die Politik des nächsten französischen Präsidenten oder der Präsidentin wird in erster Linie dadurch bestimmt, dass das kapitalistische Weltsystem sich im Zerfall befindet. Inmitten des Massensterbens und der wirtschaftlichen Verwüstung durch die globale Pandemie setzt die imperialistische Kriegstreiberei einen internationalen Angriff auf die Arbeiterklasse in Gang.
Umfragen zeigen, dass 76 Prozent der Franzosen Angst vor einem Atomkrieg haben. Die Besorgnis über steigende Preise und Engpässe an den Zapfsäulen und in den Supermärkten bei wichtigen Produkten wie Speiseöl, Toilettenpapier und Eiern wächst.
Die große Aufgabe der Arbeiter und Jugendlichen besteht darin, sich politisch auf die Konfrontation vorzubereiten, die sich zwischen dem nächsten Präsidenten bzw. der nächsten Präsidentin und der Arbeiterklasse zusammenbraut. Im Rahmen ihrer Kampagne für einen aktiven Boykott ruft die PES die Arbeiter und Jugendlichen auf, Aktionskomitees zu bilden, um einen ersten Schritt zur Organisation und Koordinierung der Kämpfe zu tun und die Arbeiter mit anderen Organisationen zu vereinen, die von Arbeitern in anderen Teilen Frankreichs und auf internationaler Ebene gegründet wurden.
In einem solchen Kampf ist eine revolutionäre Führung unerlässlich. Die PES stützt sich auf die ungebrochene Kontinuität des Kampfes des Internationalen Komitees der Vierten Internationale (IKVI) für den Trotzkismus und gegen Sozialdemokratie, Stalinismus und alle Formen des kleinbürgerlichen Opportunismus.
In der verzerrten Form der Wahl zeigen die Stimmen für Mélenchon, dass die breite Masse der Arbeiterklasse nach links rückt. Wie die Arbeiter in der ganzen Welt suchen auch die französischen Arbeiter nach einem Weg, um gegen Ungleichheit, Krieg, den Aufstieg der extremen Rechten und die kriminelle Reaktion der herrschenden Klasse auf die Pandemie zu kämpfen. Mélenchons Entscheidung, sich davonzuschleichen, anstatt zu kämpfen, zeigt jedoch, dass diese Stimmung politisch nur im bewussten Kampf für den internationalen Sozialismus umgesetzt werden kann.
Die PES fordert Arbeiter und Jugendliche, die mit diesem Programm einverstanden sind, dazu auf, mit uns Kontakt aufzunehmen, für einen aktiven Boykott gegen Macron und Le Pen zu kämpfen und die PES als Massenpartei der Arbeiterklasse in Frankreich aufzubauen.
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