Entlassener Flughafenarbeiter berichtet über seine Klage gegen WISAG

Am Mittwochvormittag, dem 27. Oktober, findet vor dem Frankfurter Arbeitsgericht der Prozess des Flughafenarbeiters Cemaleddin Benli gegen WISAG statt. Benli ist einer von 232 Bodenarbeitern, die vor zehn Monaten angeblich „pandemiebedingt“ von dem Flughafendienstleister gekündigt wurden. Er klagt gegen WISAG auf Wiedereinstellung. Die World Socialist Web Site hatte diese Woche Gelegenheit, mit Benli über seinen Fall zu sprechen.

„Es ist das erste Mal, dass ich vor Gericht stehe“, sagt Benli. Er berichtet, dass er schon seit 37 Jahren, seit 1985, am Flughafen gearbeitet habe. „Ich hatte zuletzt viel Verantwortung, habe bei WISAG alles gemacht, habe Baggage, Cargo und den Außendienst koordiniert und überall angepackt.“

Und dann, ausgerechnet kurz vor Weihnachten 2020: „Als Weihnachtsgeschenk kam unsere Kündigung. Das war der Dank.“ Es schmerze ihn jedes Mal, wenn er daran denke. „Wir haben die Firma hochgebracht.“ Mit rund 20 Kollegen habe er den Betrieb am Flughafen von Null an aufgebaut. „Und dann kommt WISAG und schmeißt uns einfach raus.“

Als Abfindung habe ihm das Management anfangs 4000 Euro brutto als einmalige Summe angeboten. „Später haben sie auf 30.000 Euro erhöht. Ich habe das abgelehnt. 30.000 Euro für 22 Jahre, die ich in dieser Firma gearbeitet habe. Ich habe mein Leben für den Flughafen gegeben!“

Das WISAG-Imperium mit rund 50.000 Beschäftigten, das dem Frankfurter Oligarchen und Milliardär Claus Wisser (SPD) gehört, übernahm vor vier Jahren die Bodendienste am Rhein-Main-Flughafen, nachdem es schon in Berlin ein Programm von Lohndumping mittels Schein-, Leih- und Tochterfirmen umgesetzt hatte. Auch in Frankfurt wurde der Rotstift angesetzt, und schließlich verschaffte die Pandemie dem Konzern den passenden Vorwand, um langgediente Fachkräfte rücksichtslos durch billigere Leiharbeiter zu ersetzen.

„Ende 2017 hat die Firma WISAG uns von Acciona übernommen, anfangs eins-zu-eins“, sagt Benli. „Aber dann fingen sie schon an, in allen Abteilungen zu reduzieren. Durch die Pandemie, so sagten sie uns, hätten wir weniger Flugzeuge – aber das stimmte nicht. Vor allem die großen Cargo-Maschinen liefen weiter.“

232 Arbeiter wurden fristlos entlassen. „Sie wollten sowieso reduzieren, aber als Grund haben sie die Pandemie bezeichnet.“

Mittlerweile, fast ein Jahr nach den Entlassungen, stellt WISAG am Frankfurter Flughafen fast täglich wieder neue Leute ein – allerdings zu Mindestlöhnen und neuen Konditionen. „Sie stellen wieder ein, ja, aber durch die Leihfirmen“, erklärt Benli. „Einerseits entlassen sie, und andererseits stellen sie neue Leute ein.“

Dem Arbeiter, der 37 Lebensjahre am Flughafen verbracht hat, geht es, wie er sagt, „jetzt überhaupt nicht gut – weder psychisch noch finanziell. Meine Familie ist kaputt.“

Er erklärt: „Ich habe sehr gut verdient und aufgrund meines Lohnes Pläne gemacht. Früher hatte ich mal eine Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung, inzwischen wohnen wir in dreieinhalb Zimmern. Dazu habe ich eine Wohnung gekauft für die Zeit, wenn ich einmal in Rente bin, damit ich, wenn die Kinder ausziehen, mit meiner Frau dort einziehen kann. Dadurch habe ich natürlich Schulden. Alles das hatte ich aufgrund meines Lohns genau geplant – und auf einmal war die Kündigung da. Dadurch habe ich viele Schwierigkeiten bekommen.“

Vor allem die Eigentumswohnung sorge auf den Ämtern für bürokratische Hindernisse. „Diese Wohnung, die mir selbst gehört – und die mir bisher noch gar nicht gehört! Ich habe von dieser Wohnung noch keinen Cent Einnahmen“, sagt Benli. „Wenn ich Kindergeld oder Wohngeld beantrage, verlangen sie, dass ich die Wohnung verkaufen müsse. Es ist aber doch meine Altersversicherung.“

An jedem Monatsende habe er große Probleme, seine Miete aufzubringen. „Ich lebe im Minus, kann oft nicht mehr klar denken. Der Flughafen galt als sicherste Arbeitsstelle, die man sich denken kann. Woher konnte ich denn wissen, dass nach 37 Jahren diese Pandemie kommen würde, und dass ich dann arbeitslos sein würde? Normalerweise ist man nach 17 Jahren unkündbar.“

Cemaleddin Benli und die meisten seiner entlassenen Kollegen haben ihre Kündigung nicht kampflos hingenommen. Sie haben den Kampf dagegen aufgenommen, haben buchstäblich Dutzende Demonstrationen und Kundgebungen – am Flughafen, vor dem Firmensitz, vor der Privatvilla des Inhabers, in Wiesbaden vor dem Landtag – gemeinsam organisiert. Ende Februar traten sie sogar acht Tage lang in einen Hungerstreik.

„Ich habe den Hungerstreik mitgemacht“, sagt Benli. „Wir werden weiterkämpfen bis zum Letzten. Wir geben nicht auf, und die Kapitalisten werden sehen, dass sie uns umsonst gekündigt haben. Sie werden nicht immer gewinnen. Wir kämpfen um unsere Rechte, und wir wollen unsere Arbeit zurück.“

Fast alle Kollegen, die mit Benli im Dezember 2020 gekündigt wurden, sind gegen WISAG vor Gericht gezogen. Aber wie sich zeigte, verhandelt am Frankfurter Arbeitsgericht eine Richterin den Fall, die zuvor als Unternehmeranwältin in einer der bekanntesten Anwaltskanzleien, bei Clifford Chance, gearbeitet hatte. Bisher verloren fast alle Arbeiter ihren Fall in erster Instanz, mit der Ausnahme ganz weniger Kollegen, von denen einer als Mitglied im Ausländerrat als unkündbar galt.

Die Arbeiter haben in diesem Kampf eine Menge Erfahrungen gemacht, auch mit den Politikern der etablierten Parteien. „Sie haben uns alle im Stich gelassen“, sagt Benli. „Anfangs wandten wir uns an die Politiker, die uns Hilfe versprachen. Aber die sind dann auf einmal alle verschwunden. Als die Wahlen vorbei waren, haben sie uns vergessen.“

Am 16. März, zwei Tage nach den hessischen Kommunalwahlen, fand im Landtag in Wiesbaden eine Aussprache zu den WISAG-Kündigungen statt. Die entlassenen Arbeiter demonstrierten vor dem Landtag und übergaben den Abgeordneten mehr als tausend Unterschriften für ihre Wiedereinstellung. Die Abgeordneten Turgut Yüksel (SPD), Yanki Pürsün (FDP) und Janine Wissler (Linke) versprachen, sich für sie einzusetzen.

Es wurde jedoch deutlich, dass das gesamte politische Establishment aufseiten von WISAG steht. Die hessische Landesregierung ist Anteilseigner des Rhein-Main-Flughafens und als solche in alle Entscheidungen, auch die der Entlassungen bei WISAG, involviert.

Beispielsweise ist der hessische Finanzminister Michael Bodenberg (CDU) Vorsitzender des Aufsichtsrats der Fraport AG. Sein Ministerkollege Kai Klose (SPD) für Soziales und Integration wurde am 16. März direkt auf das Schicksal der entlassenen WISAG-Arbeiter angesprochen und bestätigte im Namen der Regierung: „Wir tauschen uns selbstverständlich intensiv darüber aus.“

Tarek Al-Wazir (Grüne), als Wirtschafts- und Verkehrsminister persönlich für den sicheren Betrieb am Flughafen verantwortlich, erklärte zu den WISAG-Entlassungen, es wäre „verfehlt, wenn sich die Landesregierung in diese geschäftspolitischen Entscheidungen einmischen würde“.

„Die Politiker stehen nicht hinter uns“, konstatierte Benli. Und dasselbe treffe auch auf die Medien und die Gewerkschaften zu.

„Dem ZDF habe ich zweimal ein Interview gegeben“, berichtet Benli. „Fast alles, was ich erzählt habe, haben sie rausgeschnitten. Sie haben nicht einmal den Namen WISAG erwähnt. Von über zwei Stunden Aufnahmen zeigten sie am Ende gerade mal zweieinhalb Minuten.“

Die übelsten Erfahrungen machten die Arbeiter mit Verdi, der Dienstleistungsgewerkschaft, die am Flughafen als Hausgewerkschaft der Luftkonzerne den Arbeitern in den Rücken gefallen ist.

„Die Leute von Verdi stehen nicht hinter den Arbeitern“, sagt Benli, „wenn diese gekündigt werden oder sonst irgendwas ist. Sie kümmern sich nicht darum. Für sie zählen nur ihre Einnahmen, sonst nichts. Bis zum heutigen Tag haben sie sich bei uns nicht gemeldet.“ Benli berichtet, wie die Arbeiter vor der Verdi-Zentrale einen schwarzen Totenkranz abgelegt hatten, zum Zeichen dafür, dass Verdi für sie gestorben sei. „Verdi kann man nirgendwo gebrauchen.“

Totenkranz, den die WISAG-Arbeiter vor der Verdi-Zentrale ablegten

Dasselbe treffe auch auf den WISAG-Betriebsrat zu. Beispielsweise seien Benli und seine entlassenen Kollegen – allesamt mit mehr als zwanzig Jahren im Betrieb und einige von ihnen schwerbehindert – mit einer illegitimen Kündigungsfrist von nur drei oder vier Monaten gekündigt worden. WISAG habe sich dabei auf ein Abkommen des Konzerns mit dem Betriebsrat gestützt. „Der Betriebsrat hat uns in die Pfanne gehauen“, berichtet Benli. „An allem, was passiert ist, ist der Betriebsrat mit Schuld. Und Verdi hat uns keine Deckung gegeben.“

Deshalb haben sich die Arbeiter unabhängig von Verdi zusammengeschlossen, um den Kampf gegen die Kündigungen aufzunehmen. Dabei erhielten sie bisher nur Unterstützung durch die WSWS und die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP), die internationale Solidaritätsadressen für den Kampf der Bodenarbeiter organisierte und damit sichtbar machte, was für ein gewaltiges Kampfpotential in der internationalen Arbeiterklasse steckt.

Berliner und Londoner Busfahrer, amerikanische, britische und türkische Lehrer und mehrere Aktionskomitees für Bildung und sichere Arbeitsplätze aus verschiedenen Ländern haben sich für die kämpfenden WISAG-Arbeiter ausgesprochen. Die World Socialist Web Site hat in mehreren Sprachen auf der ganzen Welt über den Arbeitskampf am Frankfurter Flughafen berichtet.

Benli sagt: „Wir Arbeiter müssen international alle zusammenhalten. Das muss weltweit passieren, nicht nur in Deutschland. Den Gewerkschaften glaube ich nicht mehr. Die schauen nur auf ihre Kasse, damit sie dicke Autos fahren können. Sie wissen nicht, wie die Familien über die Runde kommen. Für sie zählen nur ihre Einnahmen, sonst nichts.“

Zu dem Motto der WISAG-Arbeiter: „Heute wir – morgen ihr“, sagt Benli: „Das habe ich damals gesagt, und es trifft immer mehr zu: Von heute auf morgen kann es jeden treffen! Was wir, die Flughafenarbeiter vom Airport Frankfurt, erlebt haben, davor ist heute auch in der Autoindustrie – bei Opel, Mercedes, VW – kein Arbeiter mehr sicher. Die Kapitalisten werden solange immer weiter Leute entlassen, bis wir alle zusammen auf die Straße gehen und kämpfen.“

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