Die World Socialist Web Site hat mit Lisa Diaz gesprochen, der Mutter und Aktivistin der Elterngruppe SafeEdForAll (Safe Education For All). Zuvor hatte die britische Rundfunkanstalt BBC ihre Aussagen aus einem Interview grob zusammengestrichen und damit ihre wissenschaftlich begründeten Bedenken hinsichtlich der unsicheren Schulöffnungen entstellt.
Die BBC brachte einen Artikel über Covid unter dem Titel „Mixed emotions as pupils return to school across England“ (Gemischte Gefühle in ganz England bei der Rückkehr in die Schulen). Darin wurde Lisa als „angstvoll angesichts der möglichen gesundheitlichen Folgen für Kinder“ beschrieben, obwohl (wie es dort hieß) „Studien zeigen, dass es viel unwahrscheinlicher ist, dass sie ernstlich erkranken“. Der Artikel erwähnte die genetische Bluterkrankung, unter der Lisa leidet, als Grund dafür, dass sie „besonders besorgt“ sei, und zitierte sie mit den Worten, sie sei wegen der Entscheidung, ihre Kinder aus der Schule zu nehmen, „am Boden zerstört“.
Als Reaktion darauf veröffentlichte Lisa auf Twitter ein Video, das bisher schon über 235.000mal angesehen und mehr als 2.700mal weitergeleitet worden ist. Sie erklärt darin, sie sei „wütend darüber, im heutigen Artikel auf @BBCNews als verängstigte Mutter dargestellt zu werden. Als wäre es irgendwie MEIN Problem, dass ich NICHT will, dass sich meine Kinder ein tödliches Virus einfangen, das multiple Organschäden und unbekannte langfristige Folgen hat. Typische Realitätsverzerrung. Nicht mich sollten sie kritisieren, sondern die Regierung.“
Unterstützung erhielt sie von dem führenden US-Epidemiologen Dr. Eric Feigl-Ding, der schrieb: „Es ist beschämend, dass @BBCNews eine Mutter als verängstigt darstellt, die sich wegen #Covid19 und #LongCovid bei Kindern Sorgen macht. Auf diese Weise wird jemand als ,alarmistisch‘ und ,hysterisch‘ abgetan.“
Im Interview mit der WSWS erklärte Lisa, sie habe „beiläufig erwähnt, dass ich mir natürlich Gedanken um meinen Sohn mache. Natürlich bin ich beunruhigt. Er sollte in die Schule gehen, aber ich schicke ihn nicht in eine Petrischale für Covid. Das war der Kontext. Und das haben sie aus dem Zusammenhang gerissen und nur die kurzen Absätze über meine gesundheitliche Einschränkung zitiert. Die habe ich zwar, und das macht es noch schlimmer, dass ich so behandelt wurde, aber letzten Endes ist es irrelevant. Selbst wenn ich völlig gesund wäre, wären meine Argumente berechtigt. Auch gesunde Menschen sterben an Covid und bekommen Long Covid.“
In einem Großteil des Interviews mit der BBC hatte sich Lisa auf „das völlige Fehlen von Eindämmungsmaßnahmen in Schulen“ konzentriert und dargelegt, wie die dürftigen und unzureichenden Maßnahmen vom letzten Schuljahr Stück für Stück zurückgenommen wurden. „Keine Masken mehr, keine angemessene Lüftung, keine HEPA-Luftfilter und keine CO2-Überwachung – obwohl das alles sowieso nur ein Tropfen auf den heißen Stein wäre.“
Sie hatte auch erklärt, dass die Regierung „aktiv Maßnahmen ergreift, die die Ausbreitung des Virus an den Schulen begünstigen. Nahe Kontaktpersonen werden nicht mehr isoliert (...) Ich habe gesagt, sie begünstigen Versammlungen und weisen die Schuldirektionen an, erst dann Hilfe zu beantragen, wenn sich zehn Prozent der Schüler und Beschäftigten infiziert haben.“
Sei fuhr fort: „Ich sagte zu ihnen, [der britische Premierminister] Boris Johnson sei ein Lügner. Er benutzt unsere Kinder in einem mörderischen Experiment. Und ich habe auch gesagt, dass das nicht bloß meine Worte seien, sondern dass der Epidemiologe Professor Michael Baker, Berater der neuseeländischen Regierung, dies gesagt habe. Ich nannte es barbarisch. Ich erwähnte nochmal, dass Boris Johnson lügt, denn er hat zugegeben, dass Kinder Übertragungsvektoren sind und dass die Schulferien eine Atempause waren.“
Lisa wies auf die katastrophale Lage in den USA hin, u.a. die große Zahl an Long-Covid-Erkrankungen und die Hospitalisierung von Kindern. „Ich sagte, das ist keine harmlose Kinderkrankheit, dieser Mythos muss zerstört werden. Dass sie potenziell lebenslange Komplikationen auslöst, Schäden an den Atemwegen, dem Gehirn, dem Herz, kognitive Beeinträchtigungen. Wir kennen das volle Ausmaß der Krankheit noch nicht, mit der wir es zu tun haben, und werden es erst nach Jahren kennen. Ich habe gesagt, die Zahl der Hospitalisierungen steigt, und allein in England mussten [im Juli] 1.153 Kinder ins Krankenhaus.
Das ist keine offene Frage, wenn man sagt, man will nicht, dass sein Kind in der Schule dem Risiko einer Covid-Infektion ausgesetzt wird. Ich will nur, dass die Schulen sicher gemacht werden, wenn das geht.
Ich habe gesagt, was wir wirklich anstreben müssen, ist eine Zero-Covid-Strategie, denn es ist völlig inakzeptabel, dass jede Woche tausend Menschen sterben. Wir leben nicht mit Covid, wir sterben mit Covid. Die Regierung könnte so viel tun, um die Fallzahlen zu senken. Stattdessen zeigen sie offene Verachtung gegenüber dem Leben der Menschen und verkaufen uns das als ,Freedom Day‘. Und die Medien helfen dabei, das zu vertuschen.“
Nachdem Lisa in diesem BBC-Interview so behandelt wurde, traf sie die prinzipielle Entscheidung, der BBC die Verwendung eines Filmbeitrags zu verbieten, der für die Sendung Breakfast gemacht worden war. Sie twitterte: „Habe @BBCNews gesagt, ich will nicht, dass sie das Interview mit mir in ihrem @BBCBreakfast-Beitrag am Montag bringen. Ich bin nicht ,angstvoll‘, ich bin informiert. Die Regierung führt ein gefährliches Experiment an unseren Kindern durch. Und Sie sind mitschuldig.“
Der WSWS erklärte sie, diese Entscheidung habe sie getroffen, „nachdem ich den [BBC-]Artikel gelesen und gesehen habe, wie sie ihn manipuliert und alle meine Aussagen weggelassen und mich fast als Neurotikerin hingestellt haben, als jemanden, die einfach ,angstvoll‘ ist. Ich sage nichts anderes als Leute, die Doktortitel in Epidemiologie haben. Also behandelt mich nicht so von oben herab, weil ich nur eine Mutter aus Wigan bin.“
Lisa beschrieb die Rolle der Medien während der Pandemie als „absolut erbärmlich. Es herrschte Nachrichtensperre, Funkstille. Die Medien sind uneingeschränkt mitschuldig. Aber das tun sie, weil sie mit der Regierung unter einer Decke stecken. Sie wollen, dass die Schüler in die Schulen zurückkommen, damit die Eltern arbeiten gehen. Ob mein Kind Long Covid bekommt und schwere Schäden davonträgt, ist ihnen egal.“ Sie fügte hinzu: „Es ist eigentlich kriminell, was die Mainstreammedien Sky und BBC alles ausblenden. Letzte Woche sind ungefähr 777 Menschen an Covid gestorben. Warum berichten die Medien nichts darüber?“
Über die Arbeit der WSWS erklärte sie: „Ihr macht einen großartigen Job, echt. Ihr solltet bei der BBC das Sagen haben!“
Viele Eltern und Lehrkräfte haben in den letzten Tagen ihre Empörung über einen weiteren BBC-Artikel geäußert. Er ist unter dem Titel erschienen: „Long Covid bei Kindern ‚nicht annähernd so verbreitet wie befürchtet‘“, oder auch: „Long Covid bei Kindern – Zeit, sich wieder zu beruhigen“. Der Artikel beruft sich auf eine Studie des University College in London, laut dem bis zu 14 Prozent der 11- bis 17-Jährigen 15 Wochen nach der Infektion noch Symptome aufwiesen, die mit dem Covid-19-Virus in Verbindung gebracht wurden.
Deepti Gurdasani, außerordentliche Professorin für Epidemiologie an der Queen Mary University, twitterte daraufhin: „Ich frage mich, wie man das als ,beruhigend‘ bezeichnen kann. Ein Siebtel aller Kinder hat nach 15 Wochen noch anhaltende Symptome. Schätzungsweise 34.000 Kinder sind betroffen (sehr ähnlich den Schätzungen des ONS). Ziemlich erschüttert, wie manche Medien das darstellen.“
Lisa schrieb: „Ich bin mir nicht sicher, was noch schlimmer sein kann, als [mit der Gesundheit eines Kindes] Russisch Roulette zu spielen – mit einer Wahrscheinlichkeit von sieben zu eins. Wir sprechen davon, dass Kinder nach 15 Wochen noch krank sind, dass dein Kind Schmerzen hat, und es gab diese lange Liste von Symptomen wie schwere Erschöpfung, Kopfschmerzen – man muss sich vorstellen, damit zu leben. Das ist nicht in Ordnung. Wie kann das ,nicht so schlimm‘ sein? Wie viel schlimmer soll es sein? Wie kann man das als gutes Ergebnis darstellen?
Und das ist eine noch laufende Studie. Das ist die Spitze des Eisbergs. Wir wissen nicht, wie die einschränkenden Symptome in fünf oder zehn Jahren aussehen werden. Wir kennen [die langfristigen Folgen] nicht, aber wir wissen, dass die Lage schon jetzt schlimm ist. Also sollten wir das Vorsorgeprinzip anwenden und alles in unserer Macht Stehende tun, um unsere Kinder zu schützen.
Jeder normale Mensch würde sagen, es ist nicht in Ordnung, dass eins von sieben Kindern wochenlang krank ist und wir nicht wissen, ob sie je wieder gesund werden... Die Regierung sagt immer, wir müssen damit leben wie mit der Grippe. Aber Covid ist nicht wie eine Grippe.“
Über einen anderen BBC-Artikel, der einen Tag später veröffentlicht wurde, sagte sie: „Der oberste öffentliche Gesundheitsbeamte sagt, die Schulen wären keine Infektionsherde. Sie lügen einfach... Das ist, als würde man sagen, schwarz ist weiß.“
Auch Dr. Feigl-Ding kritisierte den Artikel auf Twitter: „Ernsthaft, @BBCNews ist jetzt durch und durch eine @BorisJohnson-Propagandamaschinerie geworden. Diese Geschichte ist totaler Schwachsinn. Experten wie @trishgreenhalgh teilen diese Meinung.“ Greenhalgh, Professor für medizinische Grundversorgung an der Universität Oxford, erklärte als Reaktion auf die Behauptung, Schulen seien keine Infektionsherde: „Doch, das sind sie. Warum sollten sie es nicht sein? In Schulen sind ungeimpfte, größtenteils unmaskierte Menschen längere Zeit in geschlossenen Räumen zusammen, die unzureichend gelüftet sind.“
Über die politische Situation erklärte Lisa: „Wenn die Regierung sich nicht um uns kümmert, wenn die Medien nicht die Wahrheit sagen – dass Covid für Kinder nicht harmlos ist und dass Schulen nicht sicher sind –- dann müssen basisdemokratische Gruppen wie meine (SafeEdForAll) und besorgte Eltern die Regierung zur Verantwortung ziehen. ... Die Labour Party ist absolut erbärmlich, sie sind genauso mitschuldig. ... Ich bin, ehrlich gesagt, auch über die Gewerkschaften erschüttert. Sie hätten die Pflicht, sich um ihre Mitglieder zu kümmern. Wie viele Lehrer müssen noch sterben?“
Lisa wies auf Berichte des Office for National Statistics hin, laut denen es unter Arbeitern im Schul- und Erziehungsbereich die meisten Fälle von Long Covid gibt – abgesehen vom Gesundheits- und Pflegebereich – und erklärte: „Ich glaube, im August sind weitere vier Kinder an Covid gestorben, am 31. August eines unter vier Jahren. Warum berichten die Medien nicht darüber? Und wie viele Flugzeugabstürze gibt es pro Woche [d.h. wie viele Tote insgesamt]? Es ist nicht in Ordnung, und es wird nie in Ordnung sein, dass so viele Leute sterben.“