Am Donnerstagabend fand im ARD-Hauptstadtstudio die erste gemeinsame TV-Diskussion der drei Kanzlerkandidaten von CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen statt. Das „Triell“ zur Außen- und Europapolitik zwischen Armin Laschet, Olaf Scholz und Annalena Baerbock unterstrich, warum Arbeiter und Jugendliche im Wahlkampf die Sozialistische Gleichheitspartei unterstützen und aufbauen müssen. Die Kandidaten der herrschenden Klasse stehen für Militarismus und Krieg.
Zu Beginn der Diskussion erklärten Laschet, Scholz und Baerbock auf die Nachfrage der Moderatorin und WDR-Chefredakteurin Ellen Ehni übereinstimmend, dass für sie die USA der wichtigste außenpolitische Partner seien. Gleichzeitig bleibe aber auch unter dem neuen Präsidenten Joe Biden der „America First“-Kurs bestehen. Dies stelle Deutschland und Europa vor große sicherheitspolitische Herausforderungen.
In der weiteren Diskussion überboten sich die drei Kandidaten mit Forderungen nach einer unabhängigen und aggressiveren deutsch-europäischen Außen- und Verteidigungspolitik.
Laschet forderte, die Verteidigungsausgaben so schnell wie möglich auf das sogenannte Zwei-Prozent-Ziel zu erhöhen, auf das sich die Große Koalition erstmals auf dem Nato-Gipfel 2014 in Wales verpflichtet hatte.
„Im Bündnis hat man zugesagt, je nach Land, je nach Größe, zwei Prozent seines Bruttoinlandsprodukts in den gemeinsamen Verteidigungsschutz, in die gemeinsame Sicherheit hinein zu investieren. Und diese Aussage steht und es gibt keinen Grund, dass Deutschland da jetzt im Gegensatz zu allen anderen Ländern abweicht.“ Die Große Koalition habe „immer wieder Entscheidungen gefällt, die sich diesem Ziel angenähert haben. Und das muss auch in den nächsten Jahren so weitergehen.“
Das kommt einer Kriegserklärung gleich. Inmitten der Pandemie und unter Bedingungen, unter denen die Schere zwischen Arm und Reich ständig wächst, sollen weitere Unsummen ins Militär fließen. Seit 2014 hat Deutschland den Verteidigungsetat bereits von 32 Milliarden auf über 50 Milliarden (etwa 1,5 Prozent des BIP) erhöht. Beim prognostizierten Wirtschaftswachstum bedeutet das anvisierte Zwei-Prozent-Ziel die Erhöhung des Militäretats auf jährlich über 80 Milliarden Euro.
Scholz brüstete sich damit, als amtierender Finanzminister die massiven Erhöhungen der letzten Jahre, die mit brutalen sozialen Angriffen einhergingen, forciert zu haben. „Ich habe jedes Jahr dafür gesorgt, dass der Verteidigungshaushalt besser ausgestattet worden ist als vorher. Deshalb sind wir so weit vorangekommen.“ Als Kanzler wolle er diesen Kurs fortsetzen. „Ich glaube, dass wir da auch in Zukunft Stück für Stück vorangehen müssen… Dass wir mehr Geld für die Bundeswehr ausgeben, ist richtig, und es war richtig, das die letzten Jahre zu tun.“
Am aggressivsten trat Baerbock auf. Ihre rhetorische Distanzierung vom Zwei-Prozent-Ziel kommt von rechts. Sie deutete an, dass eine abstrakte Fixierung auf die zwei Prozent nicht ausreiche, um die notwendige Aufrüstung sicherzustellen. „Man hat hehre Ziele, man erfüllt sie aber nicht“, kritisierte sie. „Wenn wir uns um die eigene Sicherheit kümmern“, müsse man „erstmal analysieren, was brauchen wir... Wenn wir Cyberattacken haben, bräuchten wir vielleicht mehr Ausgaben in unsere Sicherheit.“
Das Problem des Zwei-Prozent-Ziels sei, „man definiert es nicht am Sicherheitsinteresse“. Die zehn Milliarden Euro, die der Finanzminister in den letzten Jahren zusätzlich zur Verfügung gestellt habe, hätten „nicht zur Sicherheit der Bundeswehr beigetragen, denn nach wie vor beklagen Soldaten zu Recht, dass ihre Schutzmaterialien nicht sicher sind. Und nach wie vor schaffen wir neue Hubschrauber an, die nicht fliegen.“
Auch in Bezug auf die Entwicklung einer deutsch-europäischen Großmachtpolitik kritisierte Baerbock die Große Koalition von rechts. Bereits „in den letzten vier Jahren, wo die Amerikaner komplett ausgefallen sind, wäre eigentlich der Moment gewesen, wo die Europäer sagen: Wir gehen jetzt auf die Weltpolitikebene. Wir werden weltpolitikfähig.“ Nun müsse dies zügig geschehen – mit allen Konsequenzen. Europa müsse „weltpolitikfähig sein“, und zwar „auf Augenhöhe mit den Amerikanern“.
Schon die Wortwahl unterstreicht, an welche reaktionären und größenwahnsinnigen Traditionen die herrschende Klasse wieder anknüpft. „Weltpolitik“ war der Schlachtruf, mit dem das Deutsche Kaiserreich Ende des 19. Jahrhunderts Kurs auf eine imperialistische Außen- und Kolonialpolitik nahm, die in das Massenschlachten des Ersten Weltkriegs mündete. Nun wird der berüchtigte Begriff, der nach den deutschen Verbrechen in zwei Weltkriegen lange als tabu galt, wiederbelebt, um erneut für eine aggressive Außen- und Großmachtpolitik zu trommeln.
Wie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zielt die Offensive darauf ab, Europa unter deutsche Führung zu bringen, und sie richtet sich vor allem gegen Russland. All drei Kandidaten ergingen sich in Solidaritätserklärungen mit den rechten, anti-russischen Regimes in Osteuropa – allen voran Polen, den baltischen Staaten und der Ukraine – und attackierten Moskau.
Laschet sprach sich zwar aus „wirtschaftlichen Interessen" für die Fertigstellung der Nordstream 2 Pipeline aus, drohte der Atommacht Russland aber indirekt mit dem Nukleararsenal der Nato. Er wisse nicht, ob die osteuropäischen Staaten es „beruhigend finden würden, wenn wir beispielsweise die nukleare Absicherung der Nato in Deutschland nicht mehr mittragen würden und die Waffen sich zurückziehen würden“, erklärte er. „In einer Welt, in der nukleare Bedrohung noch da ist“, müsse „auch Deutschland einen Beitrag leisten“.
Deutschland hat vor genau 80 Jahren die Sowjetunion überfallen und in einem fürchterlichen Vernichtungskrieg sechs Millionen Juden ermordet und 27 Millionen Sowjetbürger umgebracht. Aber das hielt auch Baerbock nicht davon ab, Russland militärisch zu drohen. Man müsse über die Frage der „Rückversicherung“ sprechen und „konventionell schauen“, wie „garantieren wir die Sicherheit der europäischen und osteuropäischen Nachbarn“. Die fühlten sich „besonders bedroht, gerade durch die Stationierung von russischen Raketen in Kaliningrad“. Anders als Laschet und Scholz lehnte Baerbock Nordstream 2 ab.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Alle drei Kandidaten stimmten darin überein, auf EU-Ebene Mehrheitsentscheidungen einzuführen, um vor allem in der Außen- und Verteidigungspolitik schneller und schlagkräftiger zu agieren. Man müsse vom „Einstimmigkeitsprinzip wegkommen, … sonst sind wir kein guter Akteur in der Welt“, erklärte Scholz. „Wer souverän und stark sein will, wer sicherstellen will, dass wir in der Welt nicht herumgeschubst werden“, müsse „mit einer Stimme sprechen können“. Und das setze „Mehrheitsentscheidungen bei den Außenministern voraus“.
Mit der Aussage „Israel hat das Recht sich selbst zu verteidigen“ stellten sich Laschet, Baerbock und Scholz hinter Israels Krieg gegen Gaza, der bis zum gestrigen Waffenstillstand mindestens 232 Palästinensern, darunter 65 Kindern, das Leben gekostet hat. Damit machten sie unmissverständlich klar, dass sie bereit sind, die wirtschaftliche und geostrategischen Interessen des deutschen Imperialismus mit brutalster Gewalt zu verteidigen.
Die Kriegsoffensive nach außen geht Hand in Hand mit einer massiven Aufrüstung im Inneren. Als es am Ende der Diskussion kurz um Fragen der Migrationspolitik ging, plädierten die Kandidaten in AfD-Manier für eine Stärkung der Festung Europa. „Ein freies Europa braucht eine gesicherte Außengrenze“, betonte Baerbock. Und Laschet ergänzte: „Der Schutz der Außengrenze ist heute schone eine europäische Aufgabe. Ich finde, er muss auch europäisch gestärkt werden.“
Der Auftritt muss als Warnung verstanden werden. Die nächste Bundesregierung wird die rechte Politik der Großen Koalition auf allen Ebenen fortsetzen und verschärfen – unabhängig davon, welche Partei am Ende mit welcher koaliert und wer Kanzler wird. Welche Verachtung alle kapitalistischen Parteien für das Leben der Arbeiter haben, zeigt sich vor allem auch in der Pandemie. Die mörderische „Profite vor Leben“-Politik hat allein in Deutschland mehr als 87.000 Menschen das Leben gekostet. Bezeichnenderweise verlor keiner der Kandidaten darüber auch nur ein Wort.
Die SGP ist im Wahlkampf die einzige Partei, die der Hinwendung der herrschenden Klasse zu Militarismus, Krieg und Diktatur entschieden entgegentritt. Während die Die Linkspartei um ein Bündnis mit den Hartz-IV und Kriegsparteien SPD und Grünen buhlt, bewaffnet die SGP die wachsende Opposition mit einem sozialistischen Programm.
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