Airport Frankfurt: WISAG-Bodenarbeiter rufen zum gemeinsamen Kampf auf

Acht Tage lang haben die WISAG-Bodenarbeiter ihren Hungerstreik am Terminal 1 des Rhein-Main Airport durchgehalten, ehe sie ihn am Abend des 3. März abbrechen mussten. Davor waren seit Sonntag schon mehrere Hungerstreikende zusammengebrochen. „Ausschließlich aus gesundheitlichen Gründen“, wie sie sagen, haben die Arbeiter ihre Aktion vorübergehend ausgesetzt.

Die Bodenarbeiter kämpfen gegen 230 Entlassungen, gegen zunehmende Ausbeutung und Billiglohnarbeit. Sie haben nicht kapituliert, sondern wollen im Gegenteil den Kampf ausweiten. In einem mutigen Appell, den die World Socialist Web Site heute veröffentlicht, heißt es: „Überall stehen Arbeiter vor sehr ähnlichen Problemen. Wir müssen gemeinsam kämpfen! (…) Wir, die Arbeiter, sind ‚systemrelevant‘, ohne uns funktioniert die ganze Gesellschaft nicht. Wir sagen: Leben vor Profite! Die Gesundheit und das Wohlergehen der Arbeiter sind wichtiger als die Profite der Finanzoligarchie.“

Wie durch ein Brennglas zeigt der Arbeitskampf bei WISAG diese Probleme, vor denen die Arbeiter stehen. Wer vor dreißig Jahren einen Arbeitsplatz am Flughafen hatte, der hatte für sein Leben ausgesorgt. Diese Stellen waren Teil des öffentlichen Dienstes, vernünftig bezahlt, fast unkündbar und hatten Anspruch auf Betriebsrente, Weihnachts- und Urlaubsgeld. Sicherheit wurde in jeder Hinsicht großgeschrieben. Heute ist aus dem Traumjob ein Alptraum geworden.

WISAG ist nur einer der Konzerne, die die Pandemie als Vorwand nutzen, um am Flughafen systematisch Stellen zu streichen und Arbeiterrechte zu zerstören. Bei Fraport sollen von 22.000 Arbeitsplätzen in Frankfurt am Main 4000 Stellen angeblich „Corona-bedingt“ gestrichen werden. Bei der Lufthansa sind schon 30.000 Stellen weltweit zerstört worden, weitere 10.000 sollen noch folgen. Dabei hat die Lufthansa 9 Milliarden Euro „Corona-Hilfe“ vom Staat erhalten. Auch WISAG selbst hat im letzten Sommer in Berlin schon 350 Bodenarbeitern gekündigt.

Die Pandemie ist nur der Auslöser. Konzerne und Banken nutzen die günstige Gelegenheit, um Arbeitsplätze zu vernichten, wichtige Errungenschaften zu zerstören und langjährige Beschäftigte loszuwerden. Dies zeigt sich an WISAG exemplarisch.

Im Jahr 2018 hatte die Holding WISAG über einen Gerichtsprozess den vorherigen Bodendienstleister, die Firma Acciona, am Frankfurter Flughafen ausgebootet und deren Konzessionen übernommen. Firmeninhaber Claus Wisser persönlich garantierte damals allen Mitarbeitern, dass ihre Rechte im Rahmen des Betriebsübergangs vollumfänglich gewahrt bleiben würden. „Zum damaligen Zeitpunkt wussten wir nicht, dass das alles nur Täuschung war“, sagt Rene, einer der Hungerstreikenden, „und dass WISAG damit bloß mögliche Streiks verhindern wollte.“

Praktisch sofort nach der Übernahme begann der Konzern, ältere Mitarbeiter unter Druck zu setzen, um sie loszuwerden. Oft wurden sie genötigt, Tätigkeiten zu übernehmen, die gar nicht in ihrem Vertrag standen. Die Teams an den Maschinen wurden unterbesetzt, und Lademeister wurden beispielsweise gezwungen, als Lader und Bagagge-Fahrer zu arbeiten. Wer sich wehrte, wurde mit Kündigung bedroht.

Den Ton gab nun Michael Dietrich vor, der neu eingestellte Geschäftsführer, „ein Mann, der über Leichen geht“, wie die Kollegen sagen. Was Dietrich sagt, ist Gesetz, ob es nun den Bestimmungen und Sicherheitsregelungen entspricht oder nicht. Zeitarbeiter werden ohne professionelle Schulung an die Flugzeuge gestellt. Ein Kollege berichtet: „Dadurch gab es viele Unfälle und Schäden. Ein Arbeiter flog sogar 4 bis 5 Meter weit, weil er hinter ein laufendes Triebwerk geraten war. Aber von Fraport und WISAG wurde alles vertuscht.“

Erst die Pandemie eröffnete dem Management bisher ungeahnte Möglichkeiten. Sofort meldete WISAG offiziell Kurzarbeit an, was für die Arbeiter bedeutet, dass ihre Löhne vom Arbeitsamt übernommen werden. Dieses zahlt nur 60 Prozent, so dass sie erhebliche Lohneinbußen erleiden.

Gleichzeitig geht der Betrieb in der Cargo-Sparte aber weiter. Während die Passagierzahlen eingebrochen sind, herrscht rund um die Uhr Hochbetrieb zwischen Maschinen und Frachthallen. Der Transport von Lebensmitteln, Hilfsgütern, Medikamenten etc. ist nicht abgebrochen. Die Lieferketten müssen ja aufrechterhalten werden, um die Industrie, die in der ganzen Pandemie nicht geschlossen wurde, mit Teilen zu versorgen.

Also mussten einige Arbeiter sogar Überstunden leisten. „Die Leute haben 160 bis 200 Stunden gearbeitet“; sagt Benli, ein Arbeiter, den WISAG nach 37 Dienstjahren entlassen hat. „Tatsächlich wurden täglich 40 bis 50 Maschinen abgefertigt. Und jetzt, im März, sind es noch deutlich mehr.“

Auch als Kollegen an Corona erkrankten, wurden nicht einmal ihre engsten Team-Mitarbeiter in Quarantäne geschickt. Auch hier: Vertuschung statt Kontaktverfolgung – eine Situation, die bei einem Ausbruch mit einer hochansteckenden Virus-Mutante zur Katastrophe führen kann.

Am 17. Dezember, kurz vor Weihnachten, erhielten dann insgesamt 230 Mitarbeiter ihre Kündigung „auf dreisteste Art und Weise“: Angeboten wurden etwa 4000 Euro Abfindung für 20 Jahre Arbeit. Arbeiter wurden genötigt, Aufhebungsverträge zu unterzeichnen und bei einer anderen Tochter von WISAG zum Mindestlohn wieder anzuheuern, unter Aufgabe aller erworbenen Rechte, mit befristetem Vertrag und der Auflage, deutschlandweit eingesetzt zu werden. Wieder anderen Kollegen werden Änderungskündigungen angebotenen.

31 Busfahrer wurden genötigt, zu der brandneuen [Schein-]Firma City Bus zu wechseln. Diese Firma ist eins von über 300 Firmen-Konstrukten, die WISAG versteckt oder offen gegründet hat, um Löhne zu drücken und Verträge zu brechen. Wer das Angebot ablehnte, wurde gekündigt, und seine Gehaltsanweisungen wurden ab Oktober 2020 bis heute gestoppt. So sehen die „unausweichlichen Kündigungen“ aus, die dem Konzernchef Michael C. Wisser, wie er in seinem jüngsten Brief an die „lieben Kolleginnen und Kollegen“ schreibt, „keineswegs leicht gefallen“ seien, und von denen auch Verdi bis Ende Januar „überhaupt nichts gewusst“ haben will.

Auch die Rolle der sogenannten „Arbeitnehmervertreter“, der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und des Betriebsrats, hat der Hungerstreik grell beleuchtet. Wie es im Statement heißt: „Unsern Kampf haben weder die Verdi-Funktionäre noch der Betriebsrat unterstützt.“

Deshalb sind über hundert WISAG-Arbeiter bei Verdi ausgetreten und Mitglied der neueren Spartengewerkschaft IGL (IG Luftfahrt) geworden. Diese hat jedoch auch keine andere Perspektive als Verdi, mit der sie erklärtermaßen zusammenarbeiten möchte. Die IGL versucht, mittels der Arbeiterproteste Druck auf die Familie Wisser auszuüben, eine der 300 reichsten Familien Deutschlands, um sie von der Notwendigkeit eines „Krisentarifvertrags“ zu überzeugen – dessen Kosten letzten Endes doch die Arbeiter bezahlen müssen!

Zu Recht wenden sich die Arbeiter an ihre Kollegen an den anderen WISAG-Standorten, an den Flughäfen und in der ganzen Industrie, denn diese sind ihre einzig verlässlichen Verbündeten. Die immer brutaleren Angriffe können nur durch unabhängig organisierte, gemeinsame Kampfmaßnahmen abgewehrt und rückgängig gemacht werden.

Notwendig ist ein Kampf auf politischer Ebene. Wie ein WISAG-Arbeiter auf Facebook schrieb: „Da wohl im WISAG-Vorstand Verdi-Leute sitzen, und Claus Wisser darüber hinaus sehr viel Geld an Parteien, vor allem an die SPD, gespendet hat, sind die Politiker, was WISAG angeht, stumm und blind.“

Acht Tage waren die WISAG-Arbeiter im Hungerstreik, aber keine Fraktion im hessischen Landtag, im Frankfurter Römer oder im Bundestag hat auch nur hingeschaut. Zu gut ist die Familie Wisser mit hochrangigen Politikern vernetzt und verbunden, wie beispielsweise dem Wirtschaft- und Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Die Grünen), der sich aktiv für den Einstieg von WISAG am Flughafen stark gemacht hatte.

Die lokale und regionale Presse hat den Hungerstreik regelrecht totgeschwiegen. Außer sehr kurzen Berichten einmal in der Bild und zweimal auf RTL gab es buchstäblich nichts, weder in der Frankfurter Rundschau, der FNP, der Offenbach Post, der FAZ noch in der Hessenschau. Darin zeigt sich deutlich, dass die Pressefreiheit der Medien tatsächlich zur Hofberichterstattung in den Diensten der Kapitalisten verkommt.

Die Arbeiter brauchen ihre eigene Partei, ihre eigenen Medien und ihre eigenen, unabhängigen Aktionskomitees in den Betrieben. Die Sozialistische Gleichheitspartei und ihre Online-Plattform, die World Socialist Web Site, haben den Kampf der WISAG-Bodenarbeiter von Anfang an unterstützt. Über die Netzwerke unabhängiger Aktionskomitees haben sie ihn bekannt gemacht und Solidaritätsadressen dafür mobilisiert.

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