Inmitten der Corona-Pandemie hat die Bremer Landesregierung aus SPD, Grünen und Linkspartei die Kürzung von 440 Vollzeitstellen und eine entsprechende Reduzierung der Bettenzahl im Klinikverbund Gesundheit Nord (Geno) angekündigt. Mit rund 3000 Betten ist Geno einer der größten kommunalen Klinikverbände Deutschlands.
Wie in allen anderen Großstädten im Bundesgebiet sind die Kliniken auch in Bremen durch die hohe Zahl schwerkranker Corona-Patienten schwer belastet. Ärzte, Pflegekräfte und anderes Klinikpersonal gehen seit Monaten an ihre Grenzen. Über 17.000 nachgewiesene Infektionen und 318 Todesfälle verzeichnete die Hansestadt bisher. Nun treten auch vermehrt hochansteckende Mutationen auf. Die Gesundheitsbehörden haben bis Ende vergangener Woche 36 Mutationsfälle in Bremen gemeldet. Seit Montag sind 57 weitere Fälle hinzugekommen.
Der Personalabbau soll bis Ende des Jahres 2024 vollzogen sein. Am 19. Februar traf sich der Aufsichtsrat der Geno mit der Geschäftsführung, um die Pläne zu diskutieren. Ausgearbeitet wird der Kahlschlag, der auch die Reduzierung von mindestens 250 Betten umfasst, durch die Bremer Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Die Linke), die zugleich Aufsichtsratsvorsitzende von Geno ist.
Da viele der rund 8000 Beschäftigten des Klinikverbundes in Teilzeit arbeiten oder befristete Arbeitsverträge haben, könnten sogar 600 bis 700 Arbeitsplätze wegrationalisiert werden. Jeder zwölfte Beschäftigte könnte damit seinen Arbeitsplatz verlieren. Laut Plänen des Aufsichtsrats soll der Stellenabbau durch sogenannte „natürliche Fluktuation“, z.B. durch Eintritt in die Rente, umgesetzt werden, und indem befristete Arbeitsverträge nicht verlängert werden. Es gibt allerdings bereits jetzt Zweifel, ob dies ausreicht.
Nach den Plänen des Klinikmanagements und der Gesundheitssenatorin soll über die Kürzungen hinaus geprüft werden, ob sogenannte Strukturkorrekturen im medizinischen Bereich der einzelnen Standorte des Geno erforderlich seien – sprich die Schließung ganzer Abteilungen oder sogar Häuser.
Seit dem 1. September 2020 ist Dorothea Dreizehnter neue Chefin des Geno. Sie war zuvor Geschäftsführerin des Klinikums Frankfurt-Höchst. Die bisherige Geschäftsführung wurde bereits Ende 2019 wegen hoher finanzieller Defizite abgelöst. Der Verlust der Geno betrug Ende 2019 etwa 20 Millionen Euro. 2020 kamen weitere 46 Millionen Euro hinzu.
Dreizehnter machte von Beginn an keinen Hehl aus ihrer Agenda. Sie wolle den Verbund „aus den negativen Schlagzeilen führen“ und ihn auf „wirtschaftlich stabile Füße stellen“. Ihr Ziel sei es, „die schwarze Null“ schnell zu erreichen. Dies geschieht nun auf dem Rücken der Beschäftigten. Durch den geplanten Stellenabbau werden sich ihre Arbeitsbedingungen verschlechtern.
Am Klinikum Frankfurt-Höchst war Dreizehnter mit einer ähnlichen Zielsetzung angetreten. Stefan Meyer, Gesundheitsdezernent der Stadt, bescheinigte ihr bei ihrem Weggang, sie habe „das Klinikum in den letzten vier Jahren auf einen sicheren Weg in Richtung schwarze Null geführt“.
Anfang 2019, als Dreizehnter noch in Frankfurt tätig war, hatte der Fernsehsender RTL einen Beitrag des „Team Wallraff undercover“ über Psychiatrien in Deutschland ausgestrahlt. Dafür hatte eine als Praktikantin getarnte Reporterin in der geschlossenen Station der Psychiatrie des Klinikums Frankfurt-Höchst heimlich gefilmt. Der Bericht zeigt mangelhafte medizinische Betreuung, häufige und lange Fixierungen von Patienten und völlig überfordertes Personal. Eine Folge der jahrelangen Einsparungen und der Ausrichtung auf Profit.
Aus diesem Grund wurde die Saniererin Dreizehnter nach Bremen geholt. Ihr wird zugetraut, Entlassungen, Sparmaßnahmen sowie eine intensivere Arbeitshetze durchzusetzen. Wegen der schwierigen finanziellen Situation müsse schnell gehandelt werden, erklärte Linken-Senatorin Bernhard dazu.
Die neue Geno-Chefin geht in ihrem Strategiepapier von einem Einsparpotential von 44 Millionen Euro durch Personalabbau aus. Betroffen vom Stellenabbau sollen besonders Ärzte, Verwaltungspersonal sowie Leiharbeiter sein. Auch die Großküche der einzelnen Geno-Standorte für die Patientenversorgung soll nach dem Strategiepapier zentralisiert werden, um Kosten einzusparen.
Vom Betriebsrat des Geno, der von Verdi und dem Marburger Bund dominiert wird, droht Bernhard kein Gegenwind. Manfred Kölsch, der Betriebsratsvorsitzende des Klinikum Mitte erklärte zwar, der Personalabbau von Ärzten sei kontraproduktiv, da „die meisten Ärztinnen und Ärzte im Durchschnitt mehr als 45 Stunden pro Woche arbeiten und zusätzlich viele Überstunden ableisten“.
Der Betriebsratsvorsitzende des Klinikum Ost, Markus Rohdenburg, der für die Arbeitnehmerseite im Geno-Aufsichtsrat sitzt, erklärte aber, die strukturellen Veränderungen im Klinikverbund seien notwendig, und bot unverhohlen seine Unterstützung bei der Umsetzung an. „Wir sind da jetzt alle mit Ideen gefragt“, so der angebliche Arbeitnehmervertreter.
Die Entlassungen bei Geno sind kein Einzelfall. Um die Profite einer schmalen Schicht an der Spitze der Gesellschaft weiter zu erhöhen, wird die Ökonomisierung im Klinikbereich immer weiter vorangetrieben. Bereits im Sommer 2019 hat die Bertelsmann-Stiftung die Schließung jeder zweiten Klinik in Deutschland gefordert und in einer Studie vorgeschlagen, dass von den heute weniger als 1400 Krankenhäusern weniger als 600 überleben sollen.
Die Linke spielt bei der Umsetzung dieser Politik eine zentrale Rolle. „In den Krankenhäusern wollen wir Personalabbau und Outsourcing stoppen und rückgängig machen“, steht im Entwurf für ein Bundestagswahlprogramm, das die Parteivorsitzenden Bernd Riexinger und Katja Kipping in diesem Monat im Berliner Karl-Liebknecht-Haus präsentierten. Die Dreistigkeit dieser glatten Lüge wurde nicht erst in Bremen deutlich. In Berlin hat die rot-rote Landesregierung über Jahre hinweg bei den Kliniken und in allen sozialen Bereichen dramatisch gekürzt. Gemeinsam mit den Grünen setzen SPD und Linke dies gegenwärtig fort.
Tatsächlich sollen die bei den Krankenhäusern eingesparten Gelder direkt in die innere Aufrüstung fliesen. Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) plant die Polizei personell aufzustocken. Dabei geht es um mindestens 40 neue Vollzeitstellen. Das steht in einer Senatsvorlage, die der Zeitung buten un binnen vorliegt. Hintergrund der Pläne ist das neue Polizeigesetz, das Bremen im November beschlossen hat. Neben den Kosten für weitere Stellen sollen dazu auch einmalige Investitionen von rund 900.000 Euro sowie 400.000 Euro laufende Kosten pro Jahr kommen. Im Zuge der Verschärfung des Polizeigesetzes wird die Video- und Telekommunikationsüberwachung massiv ausgeweitet.
Der rechte, reaktionäre Charakter der Linkspartei, die in Bremen seit 2019 mit SPD und Grünen regiert, wird auch in der Frage der Pandemie mehr als deutlich. So plant die Regierung die Rückkehr zur vollständigen Präsenzpflicht an Bremens Schulen ab Anfang März. Wohl wissend, dass durch die Zunahme der Mutationen im Präsenzunterricht ein unkalkulierbares Risiko für Gesundheit und Leben von Kindern, Eltern und Lehrkräften besteht, präsentiert dies Bildungssenatorin Claudia Bogedan als einzigen möglichen Weg. Es sei „absolut gerechtfertigt“, jüngeren Schülern wieder Präsenz zu ermöglichen, so die SPD-Politikerin.