Neue, massenhafte Corona-Ausbrüche bei Amazon

Beim Versandriesen Amazon haben sich in den letzten Tagen mehrere hundert Mitarbeiter mit dem lebensgefährlichen Sars-CoV2-Virus infiziert. Während sich Jeff Bezos, der reichste Mann der Welt, an der Pandemie maßlos bereichert, schuften die Arbeiter in den Verteilzentren unter Lebensgefahr.

Amazon Verteilzentrum in San Fernando de Henares, Spanien (Bild: Wikipedia / Álvaro Ibáñez)

Im Sortier- und Verteilzentrum Garbsen bei Hannover haben am Donnerstag Reihentests begonnen. Bis dahin waren schon mindestens 100 Arbeiter der aktuell 900-köpfigen Belegschaft Corona-positiv getestet worden. Das automatisierte Zentrum Garbsen, eines der jüngsten und modernsten, ist dennoch bisher nicht geschlossen worden.

Weitere Ausbrüche wurden von den Amazon-Standorten Bayreuth, Koblenz und Graben bei Augsburg gemeldet. Dennoch läuft die Arbeit in allen Sortier- und Verteilzentren weiter auf Hochtouren.

Amazon kann von dem sogenannten „Shutdown“ der Bundesregierung profitieren. Dieser hat zwar den Einzelhandel (bis auf die Lebensmittelläden) stillgelegt, nicht jedoch die Produktion, die Schulen und Kitas, den öffentlichen Nah- und Fernverkehr sowie den nicht-systemrelevanten Versandhandel. Dies obwohl die Corona-Zahlen ständig steigen und die Kliniken überfüllt sind. Am Freitag meldete das RKI mit 33.777 Neuinfektionen und 813 Corona-Todesfällen schon wieder alarmierende Rekordzahlen.

Doch im gesamten Versandhandel herrscht absoluter Hochbetrieb – zur Freude von Multimilliardär Jeff Bezos, dem reichsten Menschen der Welt und Amazon-Besitzer. Ihm hat die Pandemie schon bisher einen Vermögenszuwachs von 35 Milliarden US-Dollars beschert. Nun hofft er auf eine Verdoppelung des Weihnachtsumsatzes.

Nicht verdoppelt werden dagegen die Löhne und Gesundheitsvorkehrungen für die Amazon-Arbeitskräfte. Für sie bedeutet das Weihnachtsgeschäft unter Corona-Bedingungen unablässigen Stress, Überstunden – und Lebensgefahr. Der versprochene Weihnachtsbonus von zwei Euro pro Stunde vom 9. bis 22. Dezember wird nur für die Stunden ausbezahlt, an denen die Beschäftigten tatsächlich anwesend sind. Die Folge davon: Kollegen, denen es schlecht geht, schleppen sich auch noch krank zur Arbeit, was die Ansteckungsgefahr vergrößert.

Um den Ansturm an Bestellungen zu bewältigen, sind die ständigen Amazon-Belegschaften durch Leih- und Zeitarbeiter aufgestockt worden. Dadurch sind für die Weihnachtszeit in den deutschen Verteilzentren etwa 10.000 Aushilfen hinzugekommen. In den Zentren herrschen „Chaos und Mangel an Social Distancing“, wie sich ein Betriebsleiter kürzlich ausdrückte.

So ist es kein Wunder, dass sich Corona fast ungehindert ausbreiten kann. Tatsächlich sind die Ausbrüche sprunghaft angestiegen, und nicht nur bei Amazon, sondern auch bei andern Logistikunternehmen: Beim Paketzusteller Hermes in Bad Rappenau sind gerade 40 Mitarbeiter erkrankt. Andere Zusteller, Versandhändler und Kurierdienste wie beispielsweise Zalando, DPD oder DHL-Delivery haben schon früher große Ausbrüche verzeichnet.

In den USA haben sich bis zum 19. September schon knapp 20.000 Beschäftigte in den Amazon-Verteilzentren und beim Lebensmittelhändler Whole Foods, der zu Amazon gehört, mit Corona infiziert. Weltweit haben sich Amazon-Arbeiter in mindestens fünfstelliger Höhe infiziert. Der Versandriese verfügt zurzeit über mehr als eine Million Arbeitskräfte.

Über den Ausbruch in Bayreuth sprach ein Arbeiter anonym mit dem Fernsehen für Oberfranken tvo. „Krank sind schon mehr als 60, steigend jeden Tag“, sagte er, und schilderte die Hetze, die aktuell in den riesigen Zentren vorherrscht: „Es gibt jetzt definitiv viel mehr Pakete (…) Wir versuchen, in der Halle alles abzuarbeiten, was sich aber nur schwierig bewältigen lässt (…) Es geht schon echt an das Körperliche und an die Psyche. Die Nerven sind am Ende.“

Die Situation bei Amazon ist für den Umgang der Herrschenden mit der Pandemie bezeichnend. Die World Socialist Web Site schrieb schon am 7. März 2020: „Die Gleichgültigkeit der herrschende Klasse gegenüber der Gesundheit der Bevölkerung ist nicht besser oder geradezu schlimmer als das Verhalten der Pharaonen gegenüber den Sklaven im alten Ägypten.“ Dies trifft auf den weltgrößten Konzernriesen Amazon in besonderem Maße zu.

Die Corona-Pandemie hat alle Widersprüche und Konflikte des Kapitalismus aufs Äußerste verschärft. „Die Regierungen schützen Profite, nicht Leben“, wie ein Statement der WSWS heißt. Die WSWS kämpft deshalb für den Aufbau von Aktionskomitees in den Unternehmen, Betrieben, Schulen und Kitas, um den Schutz vor der Pandemie selbst in die Hand zu nehmen.

Auch bei Amazon können die Arbeiter sich nur schützen, wenn sie selbst aktiv werden, Aktionskomitees aufbauen und sich unabhängig von den Gewerkschaften organisieren. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi vertritt, wie der ganze DGB, völlig kapitalistische, nationalistische Konzepte. Der Kampf gegen Amazon erfordert jedoch ein internationales, sozialistisches Programm. Um den Kampf für dieses Programm aufzunehmen, verfügt die WSWS über eine besondere Amazon-Seite und gibt den Newsletter International Amazon Workers Voice heraus.

Dem Verdi-Vorstand bedeutet das Wohlergehen der deutschen Wirtschaft mehr als Gesundheit und Leben der Arbeiter. Verdi ist Teil des DGB, der sich vom Staat und den deutschen Konzernen finanzieren lässt, und der in ihrem Sinne arbeitet. Seit nunmehr acht Jahren organisiert Verdi regelmäßig isolierte Streikaktionen bei Amazon für die Anerkennung des Flächentarifvertrags des Einzel- und Versandhandels. Damit verfolgt die Dienstleistungsgewerkschaft das Ziel, vom Konzern selbst als Tarifpartner der Geschäftsleitung anerkannt zu werden.

Zur Pandemie schreibt Verdi, die Arbeiter könnten sich erst dann besser vor Corona schützen, wenn Verdi das „Ziel der Anerkennung der Flächentarifverträge des Einzel- und Versandhandels durch Amazon sowie des Abschlusses eines Tarifvertrags für gute und gesunde Arbeit“ erreicht habe. Das ist Betrug und eine tödliche Falle! Es bedeutet, darauf zu warten, dass sich Verdi-Funktionäre über die Köpfe der Arbeiter hinweg mit den profitorientierten Geschäftsleitungen auf ein Vorgehen einigen, das Amazons Profit nicht schmälert und die Zustimmung von Jeff Bezos Zustimmung erhält.

Während die Unruhe in den Betrieben steigt, ist bekannt geworden, dass die Überwachung und Bespitzelung der Amazon-Belegschaften alles bisher Bekannte sprengt. „Motherboard“, ein Projekt des US-Magazins Vice News, hat den Inhalt von durchgesickerten Dokumenten aus dem konzerneigenen Global Security Operations Center bekannt gemacht. Diese zeigen, in welchem Ausmaß die Amazon-Arbeiter auf Schritt und Tritt überwacht werden.

Nicht nur durch Kamera-Observation am Arbeitsplatz, auch mit Hilfe von Spitzeln in der Belegschaft versucht das Unternehmen, jeden Ansatz von Widerstand im Frühstadium zu erkennen. Selbst jedes Gespräch über Proteste, von den „Gelbwesten“ in Frankreich über die Klimaproteste um Greta Thunberg bis zu den Streikaktionen – alles wird registriert und mit Datum, Uhrzeit, Ort und Namen aller Beteiligten genauestens festgehalten. Besonders bezeichnend: Der Konzern bedient sich der berüchtigten Pinkertons. Diese Detektei ist in der amerikanischen Arbeiterbewegung schon seit fast 150 Jahren für Überwachung, Bespitzelung, Provokationen und gewalttätige Angriffe auf die organisierte Arbeiterbewegung bekannt.

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