Syriza-Führer Tsipras bietet Nea Dimokratia Zusammenarbeit im Vorgehen gegen Flüchtlinge und die Türkei an

Anfang März trat Alexis Tsipras, Parteiführer von Syriza (Koalition der radikalen Linken) und ehemaliger griechischer Premierminister, beim Fernsehsender Mega TV auf. In dem Interview prahlte er mit seiner Antiflüchtlingspolitik und bot der Regierung unter Nea Dimokratia (ND) seine Zusammenarbeit bei der Offensive gegen Flüchtlinge und die Türkei an.

Tsipras stellte sich explizit hinter die Grenzschließung von Premierminister Kyriakos Mitsotakis am Fluss Evros. „Angesichts dieses Massenzustroms ins Land hätte ehrlich gesagt jede Regierung dasselbe getan“, sagte er.

In der Tat war es Tsipras’ Regierung, die Griechenland mit dem schmutzigen Abkommen zwischen der Europäischen Union (EU) und der Türkei 2016 zum Grenzschützer und Gefängniswärter der Festung Europa gemacht hatte. In der Folge wurden Tausende Flüchtlinge in Lagern wie dem Moria-Camp auf Lesbos interniert, das als „ schlimmstes Flüchtlingslager der Welt“ gilt.

Tsipras rühmte sich in dem Interview damit, dass Syriza nicht nur Pionierarbeit für die jetzt von der rechtskonservativen ND durchgeführten Maßnahmen geleistet, sondern diese auch effizienter umgesetzt hat: „2015 hatten wir 860.000 registrierte Ankünfte. Wie sind sie ins Land gekommen? Über unsere Inseln. Und warum kamen sie über unsere Inseln? Weil sie ihr Leben auf See riskieren wollten oder weil sie Spaß am Wassersport hatten? Nein, weil [die Landgrenze zur Türkei] am Evros geschlossen wurde!“

Während er seine eigene repressive Politik hervorhob, prangerte er die ND an, weil sie keine Wasserpatrouillen auf dem Evros und andere Maßnahmen zur Verstärkung des Grenzschutzes umgesetzt habe.

Tsipras unterstützt die brutale Unterdrückung der Flüchtlinge, die gemeinsam von der Regierung, faschistischen Schlägern – die Hauptprofiteure der chauvinistischen und fremdenfeindlichen Hetze – und der Europäischen Union betrieben wird.

Mitsotakis traf sich am 3. März in der Stadt Kastanies in der Grenzregion Evros mit hohen EU-Vertretern. Er erklärte, es bestehe „eine asymmetrische Bedrohung an den Ostgrenzen Griechenlands, die auch europäische Grenzen sind. Die unrechtmäßige Einreise von Tausenden Menschen verletzt unser Hoheitsgebiet. Menschen unbekannter Herkunft und mit unbekannten Ziele stehen an vorderster Front und zögern nicht, unverhohlene Gewalt anzuwenden, um auf griechisches Territorium zu gelangen.“

Dieser Dreck wurde von den Medien aufgegriffen. Giannis Pretenteris, Journalist bei Ta Nea, schrieb: „Wenn wir eine Invasion haben, drängen wir diese Invasion zurück. Wir bewachen die Grenzen, damit nicht einmal eine Mücke eindringen kann. Wir bewachen sie mit Tränengas, mit Zäunen, mit Schutzschilden, Prügel, Schlägen, Tritten, mit Waffen, wenn nötig. Das haben wir 1940 getan. Das machen wir auch jetzt.“

In Volos, einer Hafenstadt in der ostgriechischen Region Thessalien, haben rechtsextreme Aktivisten eine Facebook-Gruppe unter dem Namen „Vereinigung der Jäger illegaler Einwanderer“ gegründet. Laut einem Bericht der Onlinezeitung e-thessalia wurde die Gruppe am 3. März, nach dem Angriff auf Flüchtlinge an der Evros-Grenze, eingerichtet, um Faschisten dorthin zu locken, damit sie sich anderen Bürgerwehren anschließen. Außerdem sollen sie geplant haben, eine Gegendemonstration während einer lokalen Anti-Rassismus-Kundgebung in derselben Woche zu organisieren.

Dem Artikel zufolge hatte die Facebook-Gruppe rund 300 Mitglieder und war voller „hasserfüllter Posts, Bildern von Messern und Waffen nebst ihren Waffenscheinen“. Auf dem Hauptbild der Gruppe war eine griechische Flagge zu sehen, flankiert von einer Handgranate und zwei Messern, mit dem griechischen Kommandozeichen in der Mitte.

Nach einem Aufschrei in den sozialen Medien wurde der Facebook-Administrator der Gruppe von der Polizei verhört, aber ohne Anklage freigelassen. Stattdessen wurde der Fall an den lokalen Staatsanwalt verwiesen, um zu prüfen, ob gegen Antirassismusgesetze verstoßen wurde – eine übliche Methode, einen Fall zu begraben. Die Gruppe wurde dann in „Vereinigung der Patrioten von Volos“ umbenannt.

Am Evros ereignete sich ein weiterer Fall rechtsradikaler Gewalt. Ein Video zeigt, wie ein Bauer mit einem Traktor an dem riesigen, mit Stacheldraht versehenen Grenzzaun entlangfährt und Pestizide auf Flüchtlinge sprüht, die auf der anderen Seite wegrennen. Ein Polizist sieht dabei zu. Vor dem Traktor ist außerdem ein Militärfahrzeug zu sehen. Inmitten des Lachens der Zuschauer, die auch das Video drehen, hört man eine Stimme sagen: „Besprüh’ sie. Besprüh’ die Schwuchteln.“

Die faschistische Chrysi Avgi (Goldene Morgenröte) hat neuen Auftrieb erhalten, weil sie aktiv in die Angriffe auf Flüchtlinge involviert ist. Anfang des Monats wurde Michael Trammer, Fotojournalist der Deutschen Welle, in Lesbos von rechtsextremen Schlägern überfallen. In einem Interview mit dem Tagesspiegel warnte Trammer: „Die Situation erinnert ein wenig an Rostock-Lichtenhagen 1992. Hier braut sich gerade ein Pogrom zusammen.“ Einige Tage nach dem Überfall brannte eine Flüchtlingsunterkunft der NGO „One Happy Family“ ab.

Die rechtsradikalen Umtriebe nehmen europäische Dimension an. Lesbos ist zum Ziel für rechtsextreme Aktivisten aus ganz Europa geworden. In der gleichen Woche, in der der Brand der Flüchtlingsorganisation stattfand, kam eine Gruppe Neonazis aus Deutschland und Österreich in der Inselhauptstadt Mytilini an. Augenzeugen berichten, dass sie von Anwohnern angegriffen wurden, nachdem ein Faschist rief: „Wir werden mit euch dasselbe tun wie in Kalavryta“ – ein Verweis auf das Massaker von Kalavryta 1943, wo die Nazis im Zweiten Weltkrieg fast die gesamte männliche Bevölkerung ermordet hatten. 693 Menschen wurden durch Erschießungskommandos hingerichtet und eintausend Häuser geplündert und niedergebrannt.

Die rechtsextreme britische Journalistin Katie Hopkins twitterte am 7. März ein Video, auf dem zu sehen ist, wie Sicherheitskräfte Migranten an der Grenze angreifen. Sie kommentierte: „Erdogan sagt, er werde Europa mit Muslimen überschwemmen, bis der Halbmond über das Kreuz triumphiert. Dies ist die Grenze zu Griechenland. Die Moschee in der Ferne. Soldaten des Kreuzes halten die Linie. Das ist biblisch.“

Tsipras verbündet sich mit solchen Kräften und stellt genau wie sie den Flüchtlingszustrom als eine von der Türkei orchestrierte Invasion dar, der sich Griechenland mit EU-Hilfe entgegenstemmen müsse.

Auf die Frage, welche Rolle der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan bei dem Zustrom von Migranten spiele, betonte Tsipras: „Entscheidend ist, ... dass wir erkennen, dass wir es mit einer geopolitischen Bedrohung zu tun haben. Nicht nur wegen des Leidens der Flüchtlinge, die wir nicht als Feinde und Eindringlinge behandeln dürfen, sondern wegen einer geopolitischen Bedrohung durch die Türkei.“ Er schlug der ND Zusammenarbeit vor und fügte hinzu: „Und wenn wir eine solche geopolitische Bedrohung haben, dann sollten alle politischen Kräfte, wenn schon nicht Solidarität, so doch zumindest einen Kommunikationsraum haben.“

Die Türkei provoziere nicht nur mit der Flüchtlingskrise, sondern auch mit der Entsendung eines Öl- und Gasexplorationsschiffes in die Gewässer der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) Griechenlands sowie mit der Unterzeichnung eines Lieferabkommens mit Libyen, das die Souveränitätsrechte Griechenlands überschreitet.

Tsipras lobte die anfängliche Wirksamkeit des EU-Türkei-Abkommens. Aber jetzt, so beklagte er sich, da die Türkei einseitig gegen dieses Abkommen verstößt, tue Griechenland nichts, um die EU zu zwingen, die Türkei zur Verantwortung zu ziehen. Die ND-Regierung sollte damit drohen, gegen alle Entscheidungen des Europäischen Rates ein Veto einzulegen, wenn die EU „die Türkei nicht auf Linie bringt – wenn nötig unter Androhung von Sanktionen“.

„Es geht nicht nur um die Flüchtlingskrise. Die Türkei hat geopolitische Ziele. Die Türkei nutzt die Flüchtlinge als Mittel, um diese Ziele zu erreichen. Morgen schon könnten wir erleben, wie die Türkei diese Ziele in anderen Bereichen durchsetzt, wie sie z.B. auf der Grundlage des Abkommens zwischen der Türkei und Libyen Erkundungen in der griechischen AWZ durchführt.“

Er prahlte erneut mit seiner eigenen Bilanz bei der multilateralen Bündnispolitik, wie den freundschaftlichen Beziehungen zu den USA, Russland und China: „Wir haben die geopolitische Stellung des Landes gestärkt.“

Als die beiden Journalisten von Mega TV darauf hinwiesen, dass die Syriza-Jugend offene Grenzen fordert, ergriff Tsipras die Gelegenheit, um seine Verlässlichkeit gegenüber der herrschenden Klasse zu betonen: „Junge Menschen haben das Recht, eine Utopie zu fordern und sogar davon träumen ... Aber wir, die sich mit der manchmal brutalen Realität auseinandersetzen, und besonders dann, wenn wir die Verantwortung für das Land haben, sind verpflichtet, die Realität zu sehen und – auf der Grundlage unserer Werte – zu handeln“, was vor allem bedeute, die „nationale Sicherheit zu schützen“.

Pogrome gegen Flüchtlinge, das Anwachsen der extremen Rechten und der Kriegsgefahr zwischen Griechenland und der Türkei – das ist das Erbe der Syriza-Regierung, die von pseudolinken Gruppen überall als Vorreiter im Kampf gegen Sparpolitik in Europa und international gefeiert wurde.

In der Erklärung „Die politischen Lehren aus dem Verrat Syrizas in Griechenland“, die am 21. November 2015 auf der World Socialist Web Site erschien, betonte das Internationale Komitee der Vierten Internationale: „Die Erfahrung mit Syriza zeigt die Notwendigkeit einer grundlegenden politischen Neuorientierung der Arbeiterklasse, der Jugend und der sozialistisch gesinnten Intellektuellen. Konfrontiert mit einer globalen, seit den 1930er-Jahren nicht mehr gesehenen Wirtschaftskrise und brutalen Angriffen vonseiten der gesamten kapitalistischen Klasse, kann die Arbeiterklasse sich nicht verteidigen, indem sie neue ‚linke‘ Regierungen wählt.

Nur eine wirklich revolutionäre Politik, welche die Arbeiterklasse in Griechenland und international im Kampf mobilisiert, bietet eine Perspektive. Das erfordert einen direkten Angriff auf die kapitalistische Klasse, die Beschlagnahme ihres Vermögens, der großen Banken und der Produktionsstätten, um sie unter die demokratische Kontrolle der Arbeiter zu stellen, sowie die Errichtung von Arbeiterstaaten überall in Europa und der Welt.“

Diese Warnung, die inzwischen durch die Politik von Syriza, aber auch von Podemos in Spanien, Jeremy Corbyns Labour Party in Großbritannien und Bernie Sanders in den USA bestätigt wurde, muss zum Ausgangspunkt für einen neuen Kampf der griechischen, europäischen und internationalen Arbeiterklasse werden.

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