„Defender Europe 2020“: Größter Truppenaufmarsch gegen Russland seit 25 Jahren

Am vergangenen Wochenende ist im Rahmen der Nato-Militärübung „Defender Europe 2020“ die größte Verlegung von Truppen über den Atlantik seit 25 Jahren in die Hauptphase eingetreten. Alleine das Ausmaß der provokanten Nato-Übung macht deutlich, wie weit fortgeschritten die Kriegsvorbereitungen 75 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wieder sind.

In dem Manöver verlegen die USA mit 17 weiteren Staaten in kurzer Zeit große Truppenbestände aus Amerika und Westeuropa bis an die russische Grenze in Osteuropa. Insgesamt nehmen rund 37.000 Soldaten an dem Manöver teil, das bis Juni andauern soll. Ihr Ziel sind Polen und die baltischen Staaten.

Am Donnerstag vergangener Woche hat in Bremerhaven das Frachtschiff „Endurance“ angelegt, das mit vier weiteren Schiffen US-Panzer und anderes schweres Gerät nach Europa transportiert. Die USA alleine verlegen insgesamt 20.000 Soldaten mit Ausrüstung nach Europa.

Für die massive Truppenbewegung wird eine eigene Infrastruktur eingerichtet. So führt die Bundeswehr eine eigene Verkehrsleitzentrale, baut Zeltstädte auf Truppenübungsplätzen und richtet mobile Tankstellen ein. Die kilometerlangen Fahrzeugkonvois sind zwar in der Regel nachts unterwegs, sorgen aber dennoch für erhebliche Verkehrsbehinderungen.

Über die Kosten des gigantischen Manövers schweigt sich die Bundeswehr bislang aus. Mit Verweis auf Bundeswehrkreise geht der Tagesspiegel von ungefähr 2,5 Millionen Euro allein in Deutschland aus. „Diese Bedarfsanalyse der beteiligten Teilstreitkräfte bezieht sich auf die Verlegung von Material und Personal, die Unterbringung sowie die Bereitstellung von Infrastrukturen. Weitere Kostenposten könnten indes noch dazu kommen“ schreibt der Tagesspiegel.

Ein Sprecher des US-Militärs erklärte, beteiligte Staaten würden durch die Übung in die militärische Infrastruktur investieren. Als Beispiel nannte er Litauen, das wie Deutschland in den Zug- und Schienenausbau für schwere Transporte investiere.

Von den 37.000 Soldaten aus 19 Nationen, die an dem Manöver teilnehmen, sind über die Hälfte, nämlich 20.000, US-Soldaten. Deutschland beteiligt sich mit 4000 Soldaten. Hinzu kommen Polizeieinheiten, die den Transport absichern. Neben rund 33.000 Fahrzeugen und Containern werden 450 Panzer an die russische Grenze bewegt. Über 100 Bahntransporte finden derzeit statt. Insgesamt ziehen die Truppen durch sieben Länder und nutzen zehn See- und 14 Flughäfen.

Deutschland ist dabei die zentrale Drehscheibe der Übung. In der ersten Phase, die noch bis April dauert, werden US-Waffen und anderes Kriegsmaterial in Deutschland, Belgien und Polen deponiert. In der zweiten Phase, die parallel bis Mai andauern soll, werden US-Truppen über Deutschland nach Polen verlegt. In der letzten Phase vor der Abschlussübung werden dann sämtliche Streitkräfte aus Deutschland nach Polen und ins Baltikum gebracht. In Bergen in der Lüneburger Heide soll Ende Mai dann die Abschlussübung stattfinden, bevor der Rücktransport bis Ende Juli abgeschlossen sein soll.

Die Übung knüpft an Manöver an, die bis in die 90er Jahre regelmäßig in Westeuropa durchgeführt wurden, damals teilweise mit bis zu 130.000 Soldaten. Nun erstreckt sich zum ersten Mal ein derart massiver Truppenaufmarsch bis unmittelbar an die russische Grenze und auf ehemaliges sowjetisches Territorium.

Vom Manöver soll nach Angaben der Bundeswehr und der US-Armee ein Signal der Abschreckung ausgehen. Generalleutnant Martin Schelleis erklärte dazu: „Es ist in der Tat so, dass Russland durch die völkerrechtswidrige Annexion der Krim 2014 der Auslöser dieser Entwicklung ist. Russland ist aber nicht Anlass für die Übung, militärische Fähigkeiten können nur langfristig wieder aufgebaut und gepflegt werden.“

Der Nato-Oberbefehlshaber für Europa, General Tod D. Wolters, nennt das Manöver eine „Plattform, um die Bereitschaft und Interoperabilität der verbündeten Streitkräfte zu stärken“.

Wie bei den Manövern „Saber Strike“ 2017 in Litauen und „Trident Juncture“ 2018 soll auch hier die Fähigkeit, Truppen und Gerät in kampffähiger Stärke schnell an die russische Grenze zu verlegen, getestet und dann in Kampfsimulationen der „Bündnisfall“ erprobt werden.

Wie konkret die Pläne für einen militärischen Angriff auf Russland bereits sind, wurde vergangene Woche deutlich, als sich US-Verteidigungsminister Mark Esper im Hauptquartier des US Strategic Command in Omaha (Nebraska) an einem militärischen Planspiel beteiligte, bei dem u.a. der Einsatz von Atomwaffen gegen russische Truppen simuliert wurde.

Das US-Verteidigungsministerium erklärte dazu: „In dem Szenario ging es u.a. um einen unvorhergesehenen europäischen Vorfall, bei dem ein Krieg gegen Russland geführt wird und Russland beschließt, eine Atomwaffe mit begrenzter Sprengkraft gegen einen Standort auf Nato-Gebiet einzusetzen.“

In Lettland finden im Frühjahr zwei Manöver direkt an der Grenze zu Russland statt. Von April bis Mai soll unter anderem ein „Swift Response“-Training mit lettischen und internationalen Truppen stattfinden. Einheiten aus den USA, England, Italien und Spanien proben Luftwaffeneinsätze für den Fall einer „plötzlichen Bedrohung“.

Doch nicht nur die Trump-Administration in den USA, sondern auch die deutsche und die europäischen Regierungen reden einer Kriegspolitik das Wort und versuchen, auch militärisch aus dem Schatten der USA zu treten.

Das gilt insbesondere für Deutschland. In seiner Rede auf der jüngsten Münchner Sicherheitskonferenz bemängelte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, dass Russland im Jahr 2014 ohne Rücksicht auf das Völkerrecht die Krim annektiert habe. Moskau habe „militärische Gewalt und die gewaltsame Verschiebung von Grenzen auf dem europäischen Kontinent wieder zum Mittel der Politik gemacht“. Konfrontation und Verlust von Vertrauen seien die Folgen gewesen, so Steinmeier.

„Beobachten reicht nicht“, erklärte auch Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer, die in München zum Thema „Defending the West“ (Den Westen verteidigen) sprach. In dieser Frage sei sie mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron, der in München ebenfalls eine eigenständige europäische Militärpolitik einforderte, „völlig einverstanden“. Die Europäer müssten nicht nur ihre „Schwächen beschreiben, nicht nur das Handeln anderer kommentieren oder beklagen – sondern mehr strategischen Dialog in Europa führen“ und „gemeinsam ganz konkret etwas für unsere Sicherheit tun“. Gerade Deutschland sei dabei „in der Pflicht, mehr Handlungsfähigkeit und mehr Willen zum Handeln zu entwickeln“.

Sämtliche Parteien in Deutschland unterstützen diesen Kriegskurs. Die ehemals pazifistischen Grünen sind da keine Ausnahme. Mit der für sie typischen Demagogie stellen sie die Tatsachen auf den Kopf und versuchen, das bisher größte Nato-Manöver gegen Russland als Beitrag zur Abrüstung darzustellen. Der Grünen-Verteidigungspolitiker Tobias Lindner erklärte, zum Erfolg der Übung gehöre auch, dass auf eine dauerhafte Stationierung von mehr US-Soldaten in Deutschland und Europa verzichtet werden könne.

Russland, dem vor 30 Jahren während der deutschen Wiedervereinigung versichert worden war, dass die Nato nicht nach Osteuropa und schon gar nicht auf ehemaliges sowjetisches Territorium vordringen werde, reagiert auf die Provokation der westlichen Mächte alarmiert. Außenminister Sergei Lawrow bemerkte dazu: „Natürlich werden wir reagieren. Wir können Entwicklungen, die zur Sorge Anlass geben, nicht ignorieren. Aber wir werden in einer Weise reagieren, die keine unnötigen Risiken schafft.“

Siehe auch:

Pentagon-Planspiel: US-Verteidigungsminister greift Russland mit Atomraketen an

[25. Februar 2020]

Defender 2020“: Nato-Mächte bereiten Krieg gegen Russland vor

[7. Oktober 2019]

Sozialismus und der Kampf gegen Krieg: Für eine internationale Bewegung der Arbeiterklasse und der Jugend gegen den Imperialismus!

[27. Februar 2016]

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