Die ersten der mehr als 20.000 US-Soldaten und 20.000 Militärfahrzeuge des riesigen Militärmanövers „Defender 2020“, bei dem ein Krieg gegen Russland geübt werden soll, sind in Europa eingetroffen. Gleichzeitig beteiligte sich US-Verteidigungsminister Mark Esper im Hauptquartier des US Strategic Command in Omaha (Nebraska) an einem militärischen Planspiel, bei dem u.a. der Einsatz von Atomwaffen gegen russische Truppen simuliert wurde.
Das Verteidigungsministerium erklärte am Freitag: „In dem Szenario ging es u.a. um einen unvorhergesehenen europäischen Vorfall, bei dem ein Krieg gegen Russland geführt wird und Russland beschließt, eine Atomwaffe mit begrenzter Sprengkraft gegen einen Standort auf Nato-Gebiet einzusetzen.“
Auf Nachfragen der Reporter machte das Pentagon deutlich, dass die USA im Laufe der Übung eine Atomwaffe gegen russische Truppen eingesetzt haben. Das Pentagon sprach dabei von einer „begrenzten“ Reaktion.
Der Sprecher des Pentagon erklärte: „Ich meine, im Rahmen der Übung haben wir einen Gegenangriff mit einer Atomwaffe simuliert.“
Keiner der Reporter bei diesem Hintergrundgespräch stellte die naheliegende Frage, ob der Einsatz von Atomwaffen durch die USA und Russland zu einem uneingeschränkten atomaren Schlagabtausch führen würde. Doch wie der Journalist Fred Kaplan vor kurzem in einem Kommentar erklärte: „Niemand in offiziellen Kreisen hat je an einem militärischen Planspiel teilgenommen, bei dem ein ,begrenzter‘ Angriff tatsächlich begrenzt blieb. Die Dinge geraten sehr schnell außer Kontrolle.“
Russische Behörden betrachteten die Übung als Drohung. Der Chef des außenpolitischen Ausschusses des russischen Oberhauses, Konstantin Kosatschow, stellte das militärische Planspiel in Zusammenhang mit dem kürzlich erfolgten Rücktritt der USA vom INF-Vertrag.
Kosatschow erklärte am 22. Februar gegenüber RIA Nowosti: „Wenn man eine atomare Reaktion auf einen feindlichen Angriff übt, dann überzeugt man die Leute davon, dass ein solcher Angriff als wahrscheinlich gilt und dass man nicht verhandeln oder Rüstungskontrollabkommen unterzeichnen, sondern sich bewaffnen muss.“
Letztes Jahr haben sich die USA aus dem INF-Vertrag zurückgezogen, der die Stationierung von bodengestützten Raketen und Atomraketen mit Reichweiten zwischen 500 und 5.500 Kilometern verbietet.
Die USA sind dabei, ihr Atomwaffenarsenal massiv auszuweiten und zu modernisieren. Im Dezember hat Washington eine Rakete getestet, die gegen den INF-Vertrag verstoßen hätte.
Diese Maßnahmen sind Teil der Vorbereitungen der USA auf das, was Verteidigungsminister Mark Esper auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar als „Konflikte hoher Intensität mit Konkurrenten wie Russland und China“ bezeichnet hat.
Bei der Informationsveranstaltung am Freitag schilderten Vertreter der US-Regierung detailliert die Pläne der US-Regierung, eine Billion Dollar in die Vergrößerung ihres Atomwaffenarsenals zu investieren. Sie machten deutlich, dass „ein Großteil der atomaren Modernisierung, die Sie heute erleben, unter der früheren Regierung begann, der Obama-Regierung. Wir setzen sie nur fort.“
In den letzten zwei Monaten hat die US Navy mehrere neue Sprengköpfe mit „geringer Sprengkraft“ auf Trident-Raketen installiert, die von U-Booten aus abgefeuert werden. Dieser Schritt wurde von zahlreichen Rüstungskontrollexperten verurteilt. Obwohl diese Waffen nur einen Bruchteil der Sprengkraft normaler Atomsprengköpfe haben, lassen sie sich dem Vernehmen nach nicht von „strategischen“ Atomwaffen unterscheiden, deren Einsatz in den meisten realistischen Szenarios einen uneingeschränkten thermonuklearen Schlagabtausch und das Ende der menschlichen Zivilisation bedeuten würde.
Kaplan warnte vor kurzem: „Befürworter der Rüstungskontrolle haben seit vielen Jahren erklärt, dass Atomwaffen mit geringer Sprengkraft eine destabilisierende Wirkung haben, weil sie die Schwelle zwischen einem konventionellen und einem Atomkrieg senken. Sie scheinen – und sind darauf ausgelegt – leichter als Kriegswaffen einsetzbar zu sein. Deshalb könnte ein Präsident in einer Krise eher versucht sein, sie zu benutzen.“
Am Freitag, dem gleichen Tag, an dem das Pentagon die Atomkriegsübung bekannt gab, traf das erste Kontingent von US-Panzern, Soldaten und Kriegsgerät für „Defender 2020“ in Bremerhaven ein. Insgesamt werden an der Übung 37.000 Soldaten teilnehmen, darunter 20.000 US-Soldaten, die über den Atlantik transportiert werden. Es wird der größte militärische Aufmarsch der USA in Europa seit 25 Jahren sein.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Claudia Major, eine Sicherheits- und Verteidigungsexpertin bei der Stiftung Wissenschaft und Politik, erklärte gegenüber der Deutschen Welle: „Die Sicherheitsordnung, die Europa glaubte mit Russland zu haben, funktionierte nicht mehr. Russland war kein strategischer Partner mehr. Das heißt auch, die Europäer müssen sich wieder um die Frage kümmern: Wie verteidigen wir uns in Europa eigentlich?“
Während die Trump-Regierung Russland droht, verschärfen die Demokraten und ein Teil der Republikaner, die gegen Trump opponieren, ihre Kampagne gegen Russland. Im Mittelpunkt dieser Kampagne stehen ihre Vorwürfe, die Trump-Regierung trete gegenüber Moskau nicht aggressiv genug auf.
Max Boot veröffentlichte eine Kolumne in der Washington Post mit dem Titel „Warum die Russen Trump noch immer bevorzugen“, in der er seine Behauptung bekräftigte, Trump sei „zu nachsichtig“ gegenüber Russland: „Es stimmt, was die Republikaner sagen: Trump hat Panzerabwehrraketen an die Ukraine geschickt – aber nur unter Bedingungen, die sie unbrauchbar gegen Russland machen.“
Er fuhr fort: „Im Juli 2017 hat Trump ein geheimes Programm zur Ausbildung und Unterstützung gemäßigter syrischer Rebellen eingestellt – was Russland seit langem fordert, wie die Post berichtete. [...] Trump hat nicht nur die russischen Pläne in Syrien begünstigt, sondern auch die in Libyen.“
Das Amtsenthebungsverfahren der Demokraten war vollständig auf dieser kriegsbefürwortenden Grundlage aufgebaut. Der Abgeordnete Adam Schiff erklärte am zweiten Tag des Amtsenthebungsprozesses im Senat: „Die Vereinigten Staaten unterstützen die Ukraine und ihre Bevölkerung, damit wir Russland dort bekämpfen können, statt es hier bekämpfen zu müssen.“
Das Bulletin of Atomic Scientists, das seit mehr als sieben Jahrzehnten eine „Atomkriegsuhr“ unterhält, hat letzten Monat davor gewarnt, dass die menschliche Zivilisation Mitternacht (d.h. ihrer vollständigen Zerstörung) viel näher gekommen ist als zu irgendeinem früheren Zeitpunkt der Geschichte, einschließlich der Kubakrise auf dem Höhepunkt des Kalten Kriegs.
Im Jahresbericht der Gruppe hieß es: „Es besteht eine reale Gefahr, dass ein Atomkrieg ausbricht, der zum Ende der Zivilisation führt – egal ob er absichtlich, durch einen Fehler oder ein Missverständnis ausgelöst wird. Der Glaube, die Gefahr eines Atomkriegs sei gebannt, ist ein Trugbild.“