Die Anerkennung des selbsternannten und nicht gewählten „Übergangspräsidenten“ in Venezuela, Juan Guaidó, durch die US-Regierung markiert den Beginn eines rechten Staatsstreichs, der von Washington dirigiert wird.
Guaidó legte am Mittwoch vor einer Massenkundgebung gegen die Regierung in Caracas einen Amtseid ab. Praktisch gleichzeitig twitterte Donald Trump: „Die Bürger Venezuelas haben zu lange unter dem Maduro-Regime gelitten, dem jede Legitimität fehlt. Heute habe ich den Vorsitzenden der venezolanischen Nationalversammlung, Juan Guaido, offiziell als Übergangspräsidenten von Venezuela anerkannt."
Dieser Versuch, per Twitter einen Regimewechsel einzuleiten, wurde von einer Reihe rechter Regierungen in Lateinamerika unterstützt, darunter die des faschistischen ehemaligen Armeeoffiziers und amtierenden brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro, der Anfang des Jahres vereidigt wurde. Auch Kanada schloss sich schnell der Verschwörung Washingtons an, während die Macron-Regierung in Frankreich, Berichten zufolge, Gespräche innerhalb der Europäischen Union aufgenommen hat, um die Unterstützung für Washingtons Marionette zu verstärken.
Russland, die Türkei und Mexiko bekräftigten ihre Anerkennung Nicolás Maduros als verfassungsmäßig gewählten Präsidenten Venezuelas, ebenso wie Kuba und Bolivien.
Washingtons Anerkennung von Guaidó als Präsident stellt eine nackte Intervention des US-Imperialismus mit dem Ziel dar, seine eigenen räuberischen Ziele in Venezuela, dem Land mit den größten nachgewiesenen Ölreserven der Welt, zu erreichen. Gleichzeitig soll der Einfluss Russlands und Chinas zurückgedrängt werden, die beide enge wirtschaftliche und politische Beziehungen zu Caracas aufgebaut haben.
Diese Regimewechsel-Operation ist seit zwei Jahrzehnten im Gange, vom gescheiterten Putsch gegen Maduros verstorbenen Vorgänger Hugo Chávez, der von der CIA unter George W. Bush im Jahr 2002 dirigiert wurde, über die Verhängung von Sanktionen durch die Obama-Regierung bis hin zur Bezeichnung Venezuelas als „außerordentliche Bedrohung für die nationale Sicherheit und Außenpolitik der Vereinigten Staaten“.
Indem die Trump-Regierung faktisch die Unterstützung der USA für eine rivalisierende Regierung bereitstellt, versucht sie, die Bedingungen für einen Militärputsch oder sogar einen Bürgerkrieg innerhalb Venezuelas sowie für eine militärische Intervention der USA von außen zu schaffen.
Der venezolanische Präsident Maduro reagierte auf die US-Intervention, indem er die diplomatischen Beziehungen zu Washington abbrach und allen US-Diplomaten befahl, das Land innerhalb von 72 Stunden zu verlassen. Guaidó, der zweifellos in enger Absprache mit dem US-Außenministerium handelte, hob das Dekret von Maduro auf und erklärte, dass er als „Übergangspräsident“ US-Beamte im Land auffordere, an ihrem Platz zu bleiben. Das US-Außenministerium hat als Reaktion erklärt, dass es die Anweisung Maduros ignorieren werde und damit die Voraussetzungen für eine Konfrontation schaffe, die als Vorwand für eine Intervention der USA dienen kann.
Am Mittwoch machte Trump gegenüber Reportern deutlich, dass seine Regierung eine militärische Intervention aktiv diskutiere. Auf die Frage von Reportern, ob er beabsichtige, US-Truppen nach Venezuela zu schicken, antwortete er, dass „alle Optionen auf dem Tisch“ lägen.
Ein US-Regierungsvertreter erklärte, die Tage der Maduro-Regierung seien „gezählt“, sollte sie gegen Guaidó und seine Anhänger vorgehen. Gleichzeitig zeigten Medienberichte, dass Washington eine Marineblockade gegen Venezuela in Betracht zieht, um die Ölexporte des Landes zu stoppen. Zudem werde diskutiert, venezolanische Vermögenswerte in den USA angeblich im Namen des „Übergangspräsidenten“ zu beschlagnahmen.
Indessen führt Maduro – bei allen Phrasen über den „bolivarischen Sozialismus“ – eine kapitalistische Regierung, die das Privateigentum in Venezuela verteidigt und die volle Last der tiefen Wirtschaftskrise des Landes der venezolanischen Arbeiterklasse auferlegt hat, deren Streiks und Proteste die Regierung brutal unterdrückte. Unter Maduro und seinem Vorgänger, dem verstorbenen Hugo Chávez, wuchs die private Kontrolle über die Wirtschaft des Landes und die Gewinne des Finanzsektors stiegen in die Höhe, da die Regierung riesige Summen des gesamtgesellschaftlichen Vermögens umlenkte, um Schulden an der Wall Street und bei internationalen Banken zu begleichen.
Dennoch sind die Behauptungen der Trump-Regierung, dass diese Regierung „illegitim“ sei und dass Washington für „Demokratie“ stehe, nichts als obszön. Dieselbe Regierung, so sollte man anmerken, hat kein Problem mit der Legitimität der mörderischen Polizeistaatsmonarchie von Prinz Mohamed bin Salman in Saudi-Arabien, der Diktatur von General Sisi in Ägypten oder diversen vergleichbaren Regimen, die Washingtons wichtigste Verbündete im Nahen Osten sind.
Jede Regierung der Welt könnte vorbringen, dass die Regierung von Trump selbst – der bei der Wahl weniger Stimmen erhielt als seine Gegnerin und von der Mehrheit des amerikanischen Volkes abgelehnt wird – „illegitim“ ist und gestürzt werden sollte und könnte sich dabei durchaus auf weniger fadenscheinige Begründungen stützen, als die, die Washington bemüht, um Maduro zum „Thronräuber“ zu erklären.
Darüber hinaus wird jedes Regime, das aus der von den USA unterstützten Operation in Venezuela hervorgeht, eine rechte Diktatur der Banken, des Großkapitals und des Auslandskapitals sein. Eine solche Regierung würde ein Blutbad gegen die venezolanische Arbeiterklasse organisieren, das das Massaker von 1989 gegen die Caracazo, den Aufstand der Arbeiter des Landes und der Armen gegen die Sparpolitik des IWF, weit in den Schatten stellen würde.
Die wichtigste Stütze der bürgerlich-nationalistischen Regierungen unter Chávez und Maduro war das Militär, wobei führende Offiziere wichtige Bereiche der Regierung und der Volkswirtschaft kontrollierten. Washington setzt darauf, dass dies zur Achillesferse der Regierung werden wird, wenn hochrangige Kommandeuren davon überzeugt werden können, die Seiten zu wechseln und einen Putsch durchzuführen.
Im vergangenen Jahr wurde bekannt, dass sich Vertreter der US-Regierung zwischen Herbst 2017 und Anfang letzten Jahres wiederholt mit einer Gruppe venezolanischer Militärs trafen, die um Unterstützung durch die USA beim Sturz Maduros ersuchten. Diese Treffen führten nicht zum Erfolg, weil Washington der Ansicht war, dass die Verschwörung unzureichend vorbereitet war.
Diese Ansicht könnte sich nun geändert haben. Auf den isolierten Aufstand einer Gruppe von Nationalgardisten, die am Montag Waffen und Polizeistationen beschlagnahmten, folgte ein Videokommentar von General Jesús Alberto Milano Mendoza vom Mittwoch, der darin zusammen mit anderen Offizieren auftrat. Mendoza erklärte, dass die Armee gegen Maduro revoltieren und dass das Oberkommando nicht als „bewaffneter Arm der Regierung zu deren persönlichem Nutzen“ dienen solle. Milano Mendoza war seinerzeit Chef der Präsidentengarde von Chávez.
Nicht nur Trump und die CIA unterstützen den Staatsstreich in Venezuela und den starken Rechtsruck in Lateinamerika. Dies wurde beim Weltwirtschaftsforum deutlich, das diese Woche im exklusiven Schweizer Alpenresort Davos eröffnet wurde und auf dem sich Milliardäre, Unternehmensvorstände, Bankiers, Hedge-Fonds-Manager, Prominente sowie Regierungschefs und ranghohe Beamte aus der ganzen Welt versammelten.
Davos rollte Jair Bolsonaro, dem faschistischen Ex-Armeeoffizier, der Anfang des Jahres als brasilianischer Präsident vereidigt wurde, den roten Teppich aus. Bolsonaro hielt eine bizarre und kurze Rede zur Eröffnung des Forums. Berichten zufolge reagierten die anwesenden Investoren „begeistert“, angesichts der Aussicht auf höhere Gewinne durch eine neuen Regierung unter der Leitung eines Individuums, das sich für die ehemalige brasilianische Militärdiktatur und ihre Ermordung und Folterung linker Gegnern ausgesprochen und seine Regierung mit Generälen und rechten Ideologen vollgestopft hat.
Bolsonaro setzte sich als Teil eines Kreuzzugs der politischen Reaktion auf dem ganzen lateinamerikanischen Kontinent in Szene und erklärte: „Die Linke wird sich in dieser Region nicht durchsetzen, was, wie ich denke, nicht nur für Südamerika, sondern auch für die Welt gut ist“. Er erhielt eine positive Antwort von den Vertretern der Finanzoligarchien und ihrer jeweiligen Regierungen, die sich alle von der sich verschärfenden Wirtschaftskrise und einem Wiederaufleben des Kampfes der Arbeiterklasse auf internationaler Ebene belagert fühlen. Sie alle werfen ihren Blick auf die Methoden der Diktatur, des Autoritarismus, der Unterdrückung, der Zensur und des offenen Faschismus, um ihren Reichtum und ihre Herrschaft zu verteidigen.
Innerhalb der Vereinigten Staaten selbst gibt es trotz der Kriegsführung zwischen den politischen Lagern in Washington keinerlei Meinungsverschiedenheiten im Hinblick auf einen venezolanischen Staatsstreich. Der stellvertretende Fraktionsführer der Demokraten im US-Senat, Dick Durbin, gab am Mittwoch eine Erklärung heraus, in der er Guaidó und seine Anhänger, als „mutige Patrioten“ feierte, die „eine hoffnungsvollere und demokratischere Zukunft für das venezolanische Volk sehen.“
Und an dem Tag, an dem Guaidó sich selbst zum Präsidenten erklärte, veröffentlichte die New York Times unter der Überschrift „As Venzuela crumbles, a new voice of dissent emerges“ (dt. „Der Zusammenbruch Venezuelas bringt eine neue Stimme des Dissens hervor“) eine glühende Hommage an den rechten politischen Akteur. Sie machte sich nicht die Mühe, ihre Leserschaft darüber zu informieren, dass diese „neue Stimme“ ein bezahltes Sprachrohr des US-Außenministeriums ist.
Die gleiche Zeitung, einst die Stimme der bürgerlichen Liberalen im Establishment der USA, lobte den gescheiterten CIA-Putsch gegen Chávez im Jahr 2002 und erklärte, die „venezolanische Demokratie“ sei „nicht länger bedroht“, nachdem ein gewählter Präsident aus seinem Amtssitz geschleppt und verhaftet und ein von der Armee unterstützter Wirtschaftsführer zum Präsidenten ernannt worden war.
Der sich abzeichnende Staatsstreich in Venezuela hat Auswirkungen auf ganz Lateinamerika und den gesamten Planeten. Er ist Teil des Schiffbruchs der so genannten „Linkswende“, die Anfang des Jahrtausends begann und bei der eine Reihe bürgerlich-nationalistischer Regierungen an die Macht kam. Diese leiteten einen Teil der boomenden Rohstoffeinnahmen in bescheidene Sozialprogramme um und nutzten den Aufstieg Chinas, um den Einfluss der USA in der Region zu mindern. Von den Pablisten und anderen pseudolinken Tendenzen international als neue Form des Sozialismus gefeiert, diente diese sogenannte „Rosa Welle" lediglich dazu, die Arbeiterklasse angesichts der unvermeidlichen Hinwendung zu reaktionärer Politik und Unterdrückung politisch zu entwaffnen.
Darüber hinaus ist sie untrennbar mit einer Kursänderung der internationalen Bourgeoisie hin zu politischer Reaktion und diktatorischen Herrschaftsformen verbunden – von Trumps Drohung, einen Ausnahmezustand zu verhängen, über Macrons Lob für Pétain, die Entstehung der rechtsextremen AfD als wichtigste Oppositionspartei in Deutschland bis hin zur Regierung in Italien, die immer stärker von der extremen Rechten dominiert wird. Überall zeigt sich, dass die Dominanz einer winzigen Finanzoligarchie mit demokratischen Herrschaftsformen nicht zu vereinbaren ist.
Die politische Krise in Venezuela kann nur durch die unabhängige Intervention der Arbeiterklasse auf eine fortschrittliche Weise gelöst werden. Was nötig ist, ist nicht die Intervention des Militärs, sondern vielmehr die Bewaffnung der Massen. Die zugrunde liegende Wirtschaftskrise des Landes ist nur dadurch zu lösen, dass das bürgerliche Eigentum beschlagnahmt und die riesigen Ölvorkommen Venezuelas unter die Kontrolle der Bevölkerung gestellt werden. Zur Durchsetzung eines solchen Programms müssen Volksversammlungen eingerichtet werden, die die Arbeiter und Unterdrückten in ganz Amerika um Unterstützung bitten.
Die Arbeiterklasse in den Vereinigten Staaten muss sich der reaktionären Intervention der Trump-Regierung entgegenstellen und für die Vereinigung ihrer Kämpfe mit denen der Arbeiter in Venezuela und ganz Lateinamerika gegen den gemeinsamen Feind, das kapitalistische System, eintreten.