Halberg Guss – Die Kritik der Beschäftigten an der IG Metall wird lauter

Im Profitschacher um die Neue Halberg Guss GmbH sind jetzt alle 2200 Arbeitsplätze in Leipzig und Saarbrücken gefährdet. Am 12. September hat der Eigentümer, die Autozulieferer Prevent, die Schlichtung einseitig aufgekündigt. Ein „Stellenabbau in deutlich größerem Umfang als noch im Juni angenommen“ sei nicht mehr ausgeschlossen, heißt es in der Presseerklärung der NHG-Geschäftsführung vom Mittwoch.

Damit bestätigt sich genau das, was die WSWS schon vor mehreren Monaten erklärte. „Die IG Metall vertritt in diesem Streik nicht die Interessen der Beschäftigen von Halberg-Guss sondern die Interessen des VW-Vorstands.“ Auf dem Rücken der Beschäftigen wird die Auseinandersetzung zwischen dem größten europäischen Autobauer und dem Zulieferunternehmen Prevent ausgetragen.

Nach wochenlangem Streik und Geheimverhandlungen ist klar, dass die IG Metall im Konflikt um die Zukunft von Halberg Guss klar Partei auf Seiten von Volkswagen und gegen Prevent eingenommen. Weit davon entfernt, die Arbeiter zu einem prinzipiellen Kampf um alle Arbeitsplätze aufzurufen, setzt sie sich aktiv für den Verkauf der beiden Gießereien ein. Das „wäre aus Sicht der IG Metall ein richtiger Schritt“, heißt es in einer IGM-Pressemitteilung vom 13. September.

Jörg Köhlinger, Bezirksleiter IG Metall Mitte, begründet die Verkaufsoption mit dem „gestörten Vertrauensverhältnis zwischen Eigentümern und Kunden sowie Belegschaft“. Mit dem „Kunden“ ist hauptsächlich Volkswagen, der Hauptabnehmer von NHG, gemeint. Zwischen Prevent und Volkswagen herrscht ein erbitterter Streit um Preise und Lieferkonditionen. Sowohl Köhlinger wie sein Kollege Olivier Höbel, IGM-Bezirksleiter Berlin-Brandenburg-Sachsen, erwähnten am selben Tag in praktisch wortgleichen Sätzen, es gebe „erfolgversprechende Verhandlungen mit einem Erwerber“.

Den Namen dieses Kaufinteressenten und die Verkaufsbedingungen halten die Gewerkschaftsfunktionäre jedoch geheim, weil ein erneuter Eigentümerwechsel – der fünfte in sieben Jahren – mit weiteren Entlassungen und Verschlechterungen für die Beschäftigen verbunden ist.

Mit ihren Absprachen hinter verschlossenen Türen ist die IG Metall an einer regelrechten Verschwörung beteiligt, welche sich nur oberflächlich gegen Prevent, im Grunde aber gegen die Arbeiter richtet und ihre Zukunft bedroht.

Der drohende Verkauf fällt in eine akute Krisensituation am weltweiten Automarkt, die durch EU-Krise und Brexit, Handelskrieg mit den USA, Umstellung auf Elektroautos und Auswirkungen von „Dieselgate“ massiv verschärft wird. In der Autoindustrie und bei den Zulieferern sind Hunderttausende Arbeitsplätze bedroht. Parallel zu den „Halbergern“ stehen auch Autoarbeiter bei Ford in Saarlouis und Köln, bei Volkswagen, Opel und vielen weiteren Betrieben vor Stellenstreichungen, Lohnkürzungen und anderen Angriffen.

Darüber sind sich auch viele Stahlarbeiter bei Neue Halberg Guss durchaus im Klaren. Als am Mittwoch ein Rporter-Team der WSWS vor dem NHG-Tor in Saarbrücken-Brebach mit Halberg-Arbeitern diskutierte, sagten mehrere Kollegen sie fühlten sich wie ein Spielball zwischen den Interessen sowohl des Unternehmers und dessen Abnehmer-Konzernen, als auch der IG Metall.

„Im ganzen Saarland ist die Lage extrem problematisch“, sagte Rosario, ein Arbeiter, der gemeinsam mit seinem Vater seit 18 Jahren bei NHG arbeitet. „Gerade werden auch bei Ford in Saarlouis über 200 Arbeiter entlassen.“ Er setzte hinzu: „Den Kapitalisten geht es doch nur darum, immer mehr Geld zu scheffeln.“ Ein anderer Arbeiter berichtete, auch sein Cousin, ein Stahlarbeiter in Italien, stehe vor der Entlassung.

Im NHG-Stammwerk in Saarbrücken-Brebach sind über 300 der Arbeiter nur als Zeitarbeiter beschäftigt, im Leipziger Werk sind es fast hundert. Beide Arbeiter berichteten, dass sie acht Jahre lang als Leiharbeiter im Werk schuften mussten, ehe sie einen festen Vertrag erhielten.

„Diese Unsicherheit hat es noch nie gegeben. Beide Gießereien müssen bestehen bleiben, beide Standorte sind wichtig!“ sagte ein Arbeiter einer Gruppe auf dem Nachhauseweg. „Wir haben sieben Wochen lang gestreikt. Wir haben ihnen gezeigt, dass sie nicht machen können, was sie wollen.“ Aber die Ungewissheit sei noch schlimmer geworden. Im saarländischen NHG-Werk sind außer deutschen, französischen und italienischen Arbeitern auch nordafrikanische und syrische Kollegen beschäftigt. Viele von ihnen würden mit der Arbeit gleichzeitig ihre Aufenthaltsrechte verlieren.

Ein junger Kollege, seit gut einem Jahr in der Gießerei beschäftigt, erklärte: „Was wir hier herstellen, ist ein wichtiges Produkt.“ Die Motorblöcke, Zylinderköpfe und Antriebswellen der NHG seien Herzstücke der Antriebe von PKWs und Nutzfahrzeugen. Zum Konflikt um die NHG ergänzte er: „Das sind alles Streitigkeiten konkurrierender Firmen, die sich nicht einigen können. Und wir müssen es ausbaden.“

Tatsächlich war im Sommer ein langfristiger erbitterter Wirtschaftskampf zwischen Prevent und seinem Hauptabnehmer Volkswagen eskaliert. Der offene Konflikt wurde von NHG zum Anlass genommen, um die Schließung des Leipziger Werks und 300 Entlassungen in Saarbrücken anzukündigen. Die Leipziger Belegschaft trat am 13. Juni geschlossen in den Streik und besetzte zeitweise die Tore ihres Werks.

Schon am nächsten Tag stimmten auch die Saarbrücker Arbeiter mit über 94% für einen gemeinsamen Streik mit den Leipziger Kollegen. Darauf wiesen am Mittwoch viele Kollegen in Saarbrücken hin. Mehrere Arbeiter machten deutlich, dass sie im Juni für den Streik gestimmt hätten, weil sie der Meinung gewesen seien, jetzt werde endlich ein Kampf um die Arbeitsplätze aufgenommen. Ein Arbeiter sagte, für einen „Kampf für alle Arbeitsplätze und gegen Kapitalismus und Krieg“ würde er sogar noch länger streiken und mehr riskieren.

„Wir haben hier über vierzig Tage lang gemeinsam mit den Leipziger Kollegen gestreikt“, sagte Salvatore, der Vater von Rosario. Und der Sohn fügte hinzu: „Ich verstehe nicht, warum man den Streik nicht fortgesetzt hat!“ Beide bestätigten, dass die IG Metall von Anfang an nur bessere Abfindungen gefordert habe. „Die Leute hier verlieren aber ihren Arbeitsplatz!“

Die IG Metall spielte bei NHG von Anfang an ein zynisches Doppelspiel. Sie rief zum Streik auf und trat auf Streikversammlungen und Kundgebungen mit radikalen Reden auf. Ihr Ziel war aber nicht die prinzipielle Verteidigung aller Arbeitsplätze, sondern im Namen von VW den Zulieferer Prevent unter Druck zu setzen und auszuschalten, damit VW die Preise und Abnahmebedingungen der Zulieferer auch künftig diktierten kann und nicht umgekehrt.

Lange vor Streikbeginn war VW über die Streikvorbereitung informiert und deckte sich mit Teilen ein. Als andere Auto- und Motorenwerke, die auf NHG-Produkte angewiesen waren, nach vier Streik-Wochen stark unter Druck gerieten und der Produktionsstopp Wirkung zeigte, brach die IG Metall den Streik ab und IG-Metall-Bezirksleiter Köhlinger forderte die Geschäftsführung von NHG zur Schlichtung auf.

Ohne irgendetwas erreicht zu haben, mussten die Arbeiter beider Werke am 30. Juli die Arbeit wieder aufnehmen. Seither verhandelte die IG Metall hinter verschlossenen Türen, ohne die Belegschaften zu informieren. Denn in diesen Verhandlungen ging es nicht um die Interessen der Beschäftigten, sondern die IG Metall will durchsetzen, dass ein neuer Eigentümer die Bedingungen aus Wolfsburg akzeptiert.

Ein älterer Arbeiter namens Hermann, der schon seit 45 Jahren bei der Neuen Halberg Guss arbeitet und ebenso lange IGM-Mitglied und SPD-Wähler ist, räumte dem WSWS-Team gegenüber ein, von der IG Metall schwer enttäuscht zu sein: „Es gefällt mir nicht, dass die Herren von der IG Metall und von der SPD bei Volkswagen mit im Vorstand hocken.“

Der Volkswagen-Konzern ist nicht nur gegenüber seinen Zulieferfirmen ein knallhartes kapitalistisches Unternehmen. Auch die Arbeiter in seinen eigenen Betrieben setzt er hart unter Druck. Vor kurzem auch seinen Arbeitern den Kampf angesagt. Im April 2018 haben VW-Vorstand und Betriebsrat den größten Umbau der Konzerngeschichte mit 30.000 Stellenstreichungen eingeleitet.

Viele Diskussionen am Werkstor drehten sich um die Rolle der IG Metall. Die Forderung sich nicht länger von der Gewerkschaft bevormunden zu lassen und unabhängige Arbeiterkomitees aufzubauen, die die Verteidigung aller Arbeitsplätze höher stellen als die Profitinteressen der Konzerne und eine internationale Zusammenarbeit aller Autoarbeit anstreben, stieß auf großes Interesse.

Joseph, ein Kollege aus Frankreich, der schon seit 39 Jahren im Werk arbeitet, berichtet, er hat in den letzten zehn Jahren fünf verschiedene Besitzer erlebt. Jeder habe versucht auf Kosten der Arbeiter den Profit zu erhöhen. Bereitwillig stimmte er zu, dass es ohne Zweifel besser wäre, wenn sich die Arbeiter unabhängig von der IG Metall organisieren würden. „Ja, das ist richtig“, sagt er.„Wir müssen uns als Arbeiter organisieren und uns gegenseitig solidarisch unterstützen.“

VW versucht zum Beispiel, bis 2020 bei seinem Tochterunternehmen Scania eine eigene Gießerei aufzubauen. Bisher gibt es aber keinen wechselseitigen Kontakt unter den Arbeitern von VW und NHG. Ein solcher gegenseitiger Austausch wird durch die Politik der IG Metall bewusst unterbunden, und die Belegschaften werden gegeneinander ausgespielt.

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