In einem langen Interview, das am 20. Mai im Feuilleton der Neuen Zürcher Zeitung erschien, erläutert Humboldt-Professor Jörg Baberowski seine rechtsradikale Agenda.
Das Interview macht deutlich, weshalb Baberowski auf seiner Aussage „Hitler war nicht grausam“ beharrt, die er vor drei Jahren im Spiegel geäußert hatte und vor kurzem in der Zeitschrift Forschung & Lehre bekräftigte. Es geht ihm darum, die – wie er es nennt – „kulturelle Hegemonie der Linken“ zu brechen und die der Rechten zu errichten. Die Verharmlosung nationalsozialistischer Verbrechen und das Eintreten für Krieg, Rassismus und Nationalismus sollen nicht länger „moralisch diskreditiert“, sondern „enttabuisiert“ werden.
Die erste Hälfte des Interviews besteht aus heftigen Angriffen auf die angebliche „Hegemonie der Linken“. „Die Linken haben die kulturelle Hegemonie im Sinne Antonio Gramscis angestrebt und durchgesetzt“, behauptet Baberowski und klagt, es gebe keine Konservativen mehr wie Franz Josef Strauß, „der von sich mit Stolz gesagt (hat), er sei ein Konservativer und Rechter“.
„Wer wagt es heute noch, von sich zu behaupten, er sei rechts?“, fragt Baberowski. „Ein Rechter, nun ja, das ist so jemand wie ein Pädophiler oder ein Kinderschänder. Der Begriff dient in erster Linie als Diffamierungsvokabel, um Andersdenkende aus dem demokratischen Diskurs auszuschließen.“ Diese „Verschiebung der Koordinaten“ habe nur gelingen können, „weil die Linke die Deutungshoheit errungen hat und allein darüber befinden kann, wer als links und wer als rechts zu gelten hat“. Liberale und Konservative hätten „sich diesen Spielregeln unterworfen“.
In „den zivilgesellschaftlichen Institutionen, in den Medien, im Bildungswesen, an den Universitäten“ sei die „kulturelle Hegemonie der Linken auf eine Weise strukturell gesichert worden, dass Widerstand zwecklos ist“, fährt der Professor fort. „Gerade im bürgerlichen Milieu sprechen die meisten Menschen dieselbe genormte Sprache und geben sich Mühe, gegen die Auflagen des Tugenddiktats nicht zu verstoßen. … Und wenn am Ende alle dieselbe Sprache sprechen, ist bald auch das Denken gleichgeschaltet.“
Auch in der „Wirtschaftswelt“ habe „sich eine Anpassung an den hegemonialen Diskurs vollzogen, der vor Jahrzehnten nicht denkbar gewesen wäre“. Wirtschaftsliberale und linke Weltverbesserungsromantiker beklatschten „aus unterschiedlichen Gründen die Öffnung der Grenzen für jedermann. Die einen wollen grenzenlos Gewinne machen, die anderen träumen von der Weltgesellschaft.“
Baberowski geht es um die Verteidigung der klassischen Themen der extremen Rechten. Immer wieder betont er, man müsse „damit rechnen, aus dem Diskurs ausgeschlossen zu werden“, wenn man zu Fragen der Einwanderung, zu Muslimen oder zu Trump eine Meinung äußere, die im Gegensatz zur „Hegemonie des politisch Korrekten“ und den „Auflagen des Tugenddiktats“ stehe.
An einer Stelle sagt er: „Wer über Rassismus, Kolonialismus, über Krieg und Frieden oder das Verhältnis der Geschlechter anders urteilt, als es der hegemoniale Diskurs erlaubt, wird moralisch diskreditiert.“ Da der „hegemoniale Diskurs“ nach Baberowskis Auffassung Rassismus, Kolonialismus und Krieg ablehnt, kann man das nur als Plädoyer dafür verstehen.
In derselben Passage des Interviews wird auch deutlich, weshalb Baberowski Hitler so hartnäckig verharmlost. Er wirft den „Achtundsechzigern“ – den Studenten, die 1968 gegen das Schweigen der Elterngeneration protestierten und sich mit den Verbrechen der Nazis auseinandersetzten – vor, sie hätten „zugleich den Grundstein für die Moralisierung des Politischen“ gelegt, „indem sie entschieden, worüber und wie über die Vergangenheit noch gesprochen werden konnte“.
Der anschließende Satz bringt den rechtsradikalen Kern von Baberowskis Standpunkt unmissverständlich zum Ausdruck. „Seither“, fährt er fort, „ist der Widerstand gegen einen toten Diktator Legitimation genug, um sich moralisch über andere Menschen zu erheben.“
Der „Widerstand gegen einen toten Diktator“ – d.h. die Ablehnung Hitlers – gehörte in Deutschland jahrzehntelang zum politischen Grundkonsens. Das will Baberowski ändern. Die Ansichten eines Nazi-Apologeten, wie etwa des thüringischen AfD-Chefs Björn Höcke, wären dann ein genauso berechtigter Bestandteil des öffentlichen Diskurses wie die Auffassungen von Hitlers Gegnern. Ja, sie sind letzteren sogar vorzuziehen, da sie sich nicht der „Deutungshoheit“ der Linken und der „Gleichschaltung des Denkens“ beugen. Es ist kein Zufall, dass die AfD Baberowskis NZZ-Interview auf Twitter eifrig weiterverbreitet hat.
Im Februar 2014 hatten die International Youth and Students for Social Equality (IYSSE) Baberowski in einem Offenen Brief an die Leitung der Humboldt-Universität vorgeworfen, er nutze „seine Stellung an der Universität, um die berüchtigten reaktionären Thesen von Ernst Nolte zu verbreiten, die seit dreißig Jahren in Schriften verwendet werden, mit denen die Verbrechen der Nationalsozialisten relativiert und in ihrer Bedeutung herabgemindert werden sollen“. Sie bezogen sich auf einen Artikel im Spiegel, in dem Baberowski Nolte bescheinigt hatte, er habe „historisch recht“ gehabt. Weiter hatte er erklärt: „Hitler war kein Psychopath, er war nicht grausam.“
Seither versucht Baberowski, sich als Opfer einer Rufmordkampagne darzustellen und überzieht seine Kritiker mit Verleumdungen und – im Falle des Bremer Asta – mit Gerichtsprozessen. Das tut er auch im NZZ-Interview. Er beschimpft die IYSSE, eine trotzkistische Jugendorganisation, als „stalinistische Sekte“, die sich der „Instrumente des hegemonialen Diskurses“ bediene, „um auf sich aufmerksam zu machen“. Man könnte über diese absurde Behauptung eines Professors, der Zugang zu sämtlichen Medien hat, lachen, wenn die Fragen nicht derart ernsthaft wären.
Im Offenen Brief an die HU-Leitung hatten die IYSSE 2014 auch geschrieben: „Die Wiederbelebung des deutschen Militarismus erfordert eine neue Interpretation der Geschichte, die die Verbrechen der Nazizeit verharmlost.“ Das hat sich seither bestätigt. Es zeigt sich immer deutlicher, dass Deutschland nicht zu Großmachtpolitik und Militarismus zurückkehren kann, ohne Hitler zu rehabilitieren. Timur Vermes‘ Roman „Er ist wieder da“ und der darauf basierende Film erweisen sich als hochaktuell.
Das ist der Grund, weshalb Baberowski von fast allen Medien und der Universitätsleitung verteidigt wird, obwohl seine rechtsradikalen Standpunkte unverkennbar sind und auch gerichtlich bestätigt wurden. Unter Studierenden und Arbeitern stoßen sie dagegen auf Entsetzen und Ablehnung.