Reporter der WSWS sprachen am Donnerstag in Paris und Marseille mit Jugendlichen, die gegen das sogenannte El Khomri-Gesetz protestierten. Dieses Gesetz stellt einen umfassenden Angriff auf die Schutzvorgaben dar, die das französische Arbeitsrecht Beschäftigten bislang garantiert. Studenten und Schüler äußerten ihre Wut auf den Sparkurs der amtierenden Sozialistischen Partei (PS), ihre Angriffe auf demokratische Rechte und Frankreichs Kriege in Afrika und dem Nahen Osten.
Auf der Demonstration in Paris meinten Margot und Lola: „Wir sind gegen das Gesetz, das sie jetzt gegen uns durchsetzen wollen, und wir, die Jugend, wollen es stoppen. Die Bedingungen der jungen Leute sind schon schlimm genug heutzutage, wir werden ausgebeutet und richtig schlecht bezahlt. Wenn dieses Gesetz durchkommt, wird es noch schlimmer, und das können wir nicht akzeptieren.“
Als sich die Demonstration der Jugendlichen mit einer Kundgebung vereinigte, zu der die Gewerkschaften aufgerufen hatten, sprach die WSWS außerdem mit Elliott, einem Schüler. Er erklärte, er sei gegen das El Khomri-Gesetz, weil es die sozialen Rechte abschaffe, die die Arbeiterklasse im 20. Jahrhundert erkämpft hat: „Weil es ein Schritt rückwärts ist. Es kostet uns soziale Rechte, für die unsere Eltern und Großeltern gekämpft haben, und ich will nicht, dass jetzt die Dinge für uns entschieden werden. Ich glaube nicht, dass die Zukunft so düster aussieht wie man es uns weismachen will.“
Elliott weist die Behauptungen der Regierung zurück, flexiblere Arbeitsregeln würden Arbeitsplätze schaffen. Jugendliche sind bereits jetzt mit hoher Arbeitslosigkeit und schlechten Arbeitsbedingungen konfrontiert. „Zuerst einmal wird es dazu führen, dass wir prekärere Arbeitsbedingungen haben werden. Ich glaube, die Lösung ist nicht, es ihnen einfacher zu machen, Leute zu entlassen. Die Lösung ist, Arbeitsplätze zu schaffen.“
Über den Ausnahmezustand sagte er, dies sei ein kompliziertes Thema, das von vielen Jugendlichen diskutiert werde: „Die terroristische Bedrohung besteht zwar, aber man darf unsere Freiheiten nicht für Sicherheit opfern. [...] Ich finde man wird oft in Augenschein genommen.“
Anthony, ein Jurastudent an der Universität Cergy Pontoise, sprach bei der Demonstration mit einem WSWS-Reporter über seine Kritik an weiteren Angriffen auf demokratische Rechte in Frankreich.
Er erklärte: „Heute protestieren wir gegen das El Khomri-Gesetz, aber der Kampf ist viel größer, weil wir heute eine Situation haben, in der demokratische Rechte mit Füßen getreten werden. Wir haben den Ausnahmezustand, die Regierung schränkt uns immer mehr ein und greift die Meinungsfreiheit an. Deshalb sind wir heute hier und kämpfen gegen alle Teile des Systems und gegen die etablierte Ordnung selbst.“
Auf die Frage nach den Kriegen im Nahen Osten und seiner Meinung zu den jüngsten Terroranschlägen, u.a. in Paris und Brüssel, erklärte er, er lehne eine militärische Eskalation ab: „Wir sind zum Ziel von Anschlägen geworden, aber wir sind nicht im Krieg und wir sollten es nicht sein. Unsere geopolitische Lage ist der Grund für diese Anschläge. Aber für uns, die Jugend, ist das nicht wichtig. Wir wollen ihre Kriege nicht. Und ich glaube, wenn wir z.B. unser Engagement in Syrien beenden würden, dann könnten wir auch etwas freier atmen.“
Auf die Frage, ob er den Rückzug französischer Truppen aus anderen Ländern befürworte, antwortete Anthony: „Absolut, absolut. Ein Rückzug oder eine politische oder wirtschaftliche Lösung statt einer militärischen Eskalation. Es ist eindeutig, dass militärisches Engagement heute, vor allem Luftangriffe auf Städte und vor allem auf Zivilisten, dem Islamischen Staat nur weitere Rekruten zutreibt.“
Den Aufstieg des rechtsextremen Front National (FN) betrachtet Anthony als das Ergebnis der reaktionären Politik der PS und der rechtskonservativen Republikaner (LR), vormals bekannt als Union für eine Volksbewegung (UMP).
Anthony erklärte: „Er [der Aufstieg des FN] ist die Folge der Politik, die die UMP und die PS seit 30 Jahren betrieben haben. Sie hat die Gesellschaft immer weiter gespalten, auch in sozialpolitischen Fragen, und der Aufstieg des FN ist die Folge davon. Man kann nicht alles auf die Leute schieben, die den FN wählen. Die meisten von ihnen sind einfach verzweifelt. Deswegen verurteile ich natürlich den Aufstieg des Front National, aber man muss es gleichzeitig auch verstehen.“
Anthony rief Schüler und Arbeiter, die die WSWS lesen, dazu auf, am kommenden Donnerstag an den Protesten gegen das El Khomri-Gesetz teilzunehmen.
In Marseille sprachen WSWS-Reporter mit Teilnehmern einer Demonstration, zu der die studentischen Verbände aufgerufen hatten, und an denen die Hafenarbeitergewerkschaften teilnahmen. Sie begann vor einem regionalen Polizeipräsidium, dessen Verwaltungsbüros von Schülern blockiert wurden.
Die Schülerin Valentina sagte: „Dieses Gesetz bedeutet für uns Sklavenarbeit. Das will ich nicht. Ich bin mir nicht sicher, ob wir den Gewerkschaften vertrauen können, aber ich denke, wir müssen unsere Kämpfe vereinigen, um stärker zu sein. Ich glaube, wenn wir zahlreich genug sind, können wir viel tun. Sicher ist aber, dass wir eine größere Bewegung brauchen, und das versuchen wir gerade zu erreichen.“