Flugbegleiter sagen geplanten Streik ab

Am Mittwoch sagte die Gewerkschaft Ufo (Unabhängige Flugbegleiter-Organisation) den für Donnerstag und Freitag angekündigten Streik bei der Lufthansa kurzfristig ab.

In einem vertraulichen Gespräch mit der Lufthansa-Spitze habe man sich darauf geeinigt, die anstehenden Tariffragen in einer neuen Schlichtung zu klären, teilte Ufo-Chef Nicoley Baublies der Presse mit. Die Ufo-Führung will sich jetzt am sogenannten „Jobgipfel“ des Lufthansa-Vorstandes am 2. Dezember beteiligen. Bisher hatte Baublies diesen „Jobgipfel“ öffentlich nur als „Fortsetzung einer Propaganda-Schlacht der Lufthansa“ bezeichnet.

Die Kehrtwende des Ufo-Chefs ließ den Aktienkurs von Lufthansa an der Börse um 2,63 Prozent in die Höhe schnellen. Die Aktionäre verstanden den Verzicht auf die Fortsetzung des Arbeitskampfs als Auftakt für eine engere Zusammenarbeit von Ufo mit der Unternehmensleitung, um den Konzernumbau zu Lasten der Arbeitnehmer durchzusetzen und begrüßten das.

Die Rententarifverträge sind schon seit Ende 2013 gekündigt, und außer den Flugbegleitern befinden sich auch die Piloten und das Bodenpersonal im tariflosen Zustand. Gleichzeitig baut Lufthansa ihre Billigtochter Eurowings aus, die sie zur drittgrößten Lowcost-Marke nach Ryanair und Easyjet machen will. Lufthansa Cargo, ebenfalls eine hundertprozentige Konzerntochter, setzt ab Dezember ein Sparprogramm über vierzig Millionen Euro um und plant größere, bisher nicht zahlenmäßig benannte Stellenstreichungen.

Die Flugbegleiter hatten zuletzt Anfang November ihre Streikbereitschaft unter Beweis gestellt. Im bisher längsten Streik hatten sie vom 6. bis 13. November sieben Tage lang gestreikt und in München, Frankfurt und Düsseldorf dafür gesorgt, dass fast 5000 Flüge gestrichen wurden.

Das Kabinenpersonal kämpft um seine Arbeitsbedingungen und seine Renten- und Übergangsgelder. Früher konnten die 19.000 Stewardessen und Stewards mit 55 Jahren ausscheiden, weil die anstrengende Tätigkeit in der Flugkabine nicht ohne weiteres bis zum 65. Altersjahr durchzuhalten ist. Dafür wurde ihnen ein festes Übergangsgeld garantiert.

Diese Tarifvereinbarung hat Lufthansa vor zwei Jahren aufgekündigt. Der Konzern will die Übergangsgelder kürzen und künftig vom Kapitalmarkt abhängig machen, so dass die Frührentner die Börsenrisiken selbst zu tragen haben. Das ist nur der erste Schritt, um die Bedingungen der Lufthansa-Flugbegleiter jenen der Billigtöchter Germanwings und Eurowings anzupassen.

Die Lufthansa-Beschäftigten im Cockpit, in der Kabine und am Boden sind zwar durchwegs bereit, den Kampf gegen diese Angriffe aufzunehmen, aber sie haben keine Organisation, die diesen Kampf anführt.

Die Spartengewerkschaft Ufo erweist sich mehr und mehr als völlig unfähig, die Interessen der Beschäftigten zu vertreten, und handelt wie Verdi, als deren Alternative sie ursprünglich gegründet worden war. Der Ufo-Vorstand tut alles, um von der Lufthansa-Konzernleitung als Co-Management anerkannt und am „Umbau“ beteiligt zu werden. Ufo-Chef Baublies hat unmissverständlich klar gemacht, dass er den Konzernumbau als alternativlos betrachtet und unterstützt.

In einer regelmäßigen Mitgliederinformation erklärte Baublies am Montag im Internet, es sei Ufo klar, dass die Lufthansa sparen müsse. Deshalb habe sie mehrfach Angebote und Vorschläge gemacht, die „im Personalkosten- und im Bereich Versorgung die Kosten sofort senken“ und „auch massive Entlastungen im ganzen Thema Pensionsrückstellungen bringen“ würden. „Wir haben nichts dagegen, dass dieser Konzern umgebaut wird“, so Baublies. „Und wenn das, was wir bereit sind, einzusparen, zu wenig ist, dann sollen sie es sagen.“

Weit davon entfernt, den Kampf von Stewardessen, Piloten und Bodenpersonal gemeinsam mit dem Personal anderer Fluggesellschaften zu organisieren, die genauso unter Druck stehen, unterstützt Baublies die Pläne des Lufthansa-Vorstandes, die Konkurrenz anderer Gesellschaften durch eigene Billigfirmen zu unterlaufen.

Auf einer Streikkundgebung, die komplett über Youtube im Internet abzurufen ist, rief Baublies am 13. November vor der Konzernzentrale der Lufthansa: „Wir müssen gegen subventionierte Airlines bestehen, gegen Airlines, die die Standards unterlaufen, das ist alles richtig.“ Als kurz darauf die Personalchefin des Konzerns, Bettina Volkens, mit andern Vorstandsmitgliedern auf der Kundgebung auftauchte, bat Baublies sie auf die Bühne und forderte die Streikenden auf, sie doch bitte nicht auszubuhen.

Auf offener Bühne erklärt er ihr dann, bei Volkswagen und der Deutschen Bank hätten die Manager den Gewerkschaften leider nicht zugehört und hätten sich „nicht getraut, den Mitarbeitern die Wahrheit zu sagen“. „Bei Lufthansa ist es gottseidank anders“, fuhr er fort. „Wir trauen uns zu, den notwendigen Umbau mitzugestalten. Wir haben überhaupt nichts gegen eine Eurowings einzuwenden, die gegen Ryanair, Easyjet und die Emirate antritt. Wir haben nichts dagegen, wir haben selbst Beiträge vorgelegt: 120.000 Lufthanseaten wollen gemeinsam, dass dieser Konzern erfolgreich ist, aber mit uns und nicht gegen uns.“ Und weiter: „Wir halten nicht an alten Strukturen fest, wir sind bereit, miteinander nach vorne zu schauen“, etc.

Daraufhin wurde die Personalchefin gebeten auf der Streikversammlung zu sprechen. Sie nutzte die Gelegenheit, um Phrasen über angebliche Zusammenarbeit zu dreschen, während gleichzeitig massiver Sozialabbau stattfindet: „Wir wollen eine starke Lufthansa. Wir wollen, dass Sie Teil der Zukunft der Lufthansa sind. Wir wollen Sie. Der Feind ist draußen und nicht drinnen …“ Darauf antwortete eine Ufo-Funktionärin: „Ich finde es gut, dass Sie da sind. Was Sie hier sagten, das würden wir unterschreiben.“

Ein weiteres Vorstandsmitglied, Finanzchefin Simone Menne, erhielt dann die Gelegenheit zu sprechen. Sie wurde zu einer Veranstaltung institutioneller Anleger in New York befragt, auf der sie und Lufthansa-Vorstandschef Carsten Spohr vor kurzem erklärt hatten, von dem Kabinen-Streik hätten die Anleger nichts zu befürchten.

Menne bestätigte provokativ, sie habe den Börsenspekulanten versichert, Lufthansa werde sich von dem Streik nicht von ihrem Kurs eines weiteren Ausbaus von Eurowings abbringen lassen. „Wir haben ihnen erklärt, wie wir uns den Konzern in Zukunft vorstellen: Ja, auch mit einer Eurowings, weil wir eine Ryanair und eine Easyjet sehen.“

Mit kaum zu überbietender Arroganz erklärte Menne, der Streik habe zwar Kosten verursacht, aber durch günstige Treibstoffpreise werde für das laufende Jahr trotzdem eine Gewinnsteigerung erreicht und nur das zähle. „So sieht es der Aktienmarkt“, fügte sie hinzu. Baublies hatte dem nichts entgegenzusetzen und beendete zügig die Kundgebung.

Mit der Kundgebung wurde der Streik ergebnislos zu Ende gebracht, und seither hat Nicolay Baublies alles ihm Mögliche unternommen, um weitere Streiks zu vermeiden und mit dem Lufthansa-Vorstand ins Gespräch zu kommen. Dieser ließ ihn lange zappeln. Vom bevorstehenden „Jobgipfel“ erfuhr der Ufo-Vorstand zuerst aus der Presse, wie er in der Mitgliederinformation Hangout vom Montag berichtete. Immer wieder rief Baublies die Personalchefin an.

Als Ufo am Montagmorgen dann auf Grund des Drucks von Mitgliedern doch mit weiteren Streiks für Donnerstag und Freitag drohte, betonte Baublies: „Wir wollen Lufthansa die Möglichkeit geben, zu reagieren. Und kommt eine zufriedenstellende Lösung, können wir die Streiks auch sehr schnell absagen.“ Kurz vor Beginn des Streiks kam es dann zum bereits erwähnten „vertraulichen Gespräch mit der Lufthansa-Spitze“, das den Ausschlag gab, den Arbeitskampf abzublasen.

Der bevorstehende „Jobgipfel“ hat den Zweck, die Gewerkschaften Verdi, Ufo und Vereinigung Cockpit (VC) enger in den Konzernumbau des Lufthansa-Vorstandes zu integrieren. Er leitet ein neues Stadium der Verschwörung gegen die Beschäftigten ein, um den geplanten Ausbau der Billigtöchter, die neuen flexiblen Arbeitsverhältnisse und die radikalen Sparmaßnahmen durchzusetzen.

Außer Nicoley Baublies unterstützt Christine Behle von Verdi den „Jobgipfel“ als „längst überfällig“. Behle, die als Vertreterin für das 33.000-köpfige Bodenpersonal auftritt, ist nicht nur Mitglied im Verdi-Bundesvorstand, sondern hat gleichzeitig das Amt der stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden des Lufthansa-Konzerns inne. Nicoley Baublies und seine Kollegin an der Ufo-Spitze, Birgit Weinreich, sind beide ebenfalls hochdotierte Mitglieder des Aufsichtsrats.

Auch die Vereinigung Cockpit ist mit Jan-Willem Marquardt im Aufsichtsrat vertreten. VC hat zunächst ihre Teilnahme am „Jobgipfel“ abgesagt, da sie fürchtet, Lufthansa werde das Treffen juristisch gegen die Spartengewerkschaft verwenden. Vor kurzem hatte der Lufthansa-Vorstand durch eine gerichtliche Entscheidung den Abbruch des Pilotenstreiks erzwungen, seither verlangt er sechzig Millionen Euro Schadensersatz von der Gewerkschaft.

Nicht nur der Lufthansa-Vorstand, auch die Ufo-Spitze war gegen VC aufgetreten, als Ufo-Tarifexperte Uwe Hien den Kampf der Piloten gegen den Ausbau der Billigfluglinie Eurowings als „unrealistisch“ bezeichnete.

Jetzt sucht auch Cockpit nach einer engeren Zusammenarbeit mit der Konzernleitung. Am Freitag veröffentlichte die VC-Tarifkommission eine Stellungnahme, in der es heißt: „Wir sind zuversichtlich, bis Anfang der kommenden Woche eine einvernehmliche Lösung mit der Lufthansa herbeiführen zu können, die uns die Teilnahme (am „Jobgipfel“) ermöglichen wird.“

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