WSWS spricht mit führendem Vertreter des GSSE

Griechische Gewerkschaften: Partner der Regierung beim Sozialabbau

Mit der Verschärfung der Schuldenkrise in Griechenland spielen die Gewerkschaften eine entscheidende Rolle, um der sozialdemokratischen Regierung von Premierminister Georgios Papandreou zu helfen, sein Kürzungsprogramm durchzusetzen. Die Europäische Union und der Internationale Währungsfond (IWF) fordern derweil eine weitere Verschärfung der Angriffe auf die griechische Arbeiterklasse.

Die griechische Gesamtverschuldung beträgt etwa 300 Mrd. Euro und wird im Laufe des Jahres auf 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) steigen. Das Haushaltsdefizit betrug letztes Jahr 12,7 Prozent des BIP. Die Regierung hat zugesagt, es bis 2012 auf drei Prozent zurückzuführen, um den EU-Kriterien zu entsprechen. Im laufenden Jahr soll es bereits auf 8,7 Prozent gesenkt werden.

Um das zu erreichen und die Finanzmärkte zufriedenzustellen, müsse die Bevölkerung zur Ader gelassen werden, erklärte Papandreou kürzlich. Deswegen wird der Haushalt unmittelbar um 2,5 Mrd. Euro gekürzt. Dafür soll es einen flächendeckenden Lohnstopp im gesamten öffentlichen Dienst geben, die Zusatzleistungen der Beschäftigten im öffentlichen Dienst sollen um zwanzig Prozent gesenkt und das Renteneintrittsalter um zwei Jahre heraufgesetzt werden.

Zusätzlich werden die Steuern auf Benzin, Tabak, Alkohol und Luxusgüter erhöht. Die Erhöhung der Mehrwertsteuer, die gegenwärtig 19 Prozent beträgt, ist ins Auge gefasst. Die EU fordert außerdem die Streichung des 14. Monatsgehalts der Staatsdiener.

Die beiden großen Gewerkschaftsverbände für die Privatwirtschaft (GSEE) und für den öffentlichen Dienst (ADEDY) haben beide die Wahl der sozialdemokratischen PASOK-Regierung Papandreous im vergangenen Oktober unterstützt.

Sie äußern zwar gelegentlich populistische Kritik an Papandreou, weil er sich den Finanzmärkten "unterwerfe", aber sie arbeiten eng mit Vertretern der Regierung zusammen, um die Ausgabenkürzungen durchzusetzen.

Die beispiellosen Kürzungsmaßnahmen werden in der Bevölkerung entschieden abgelehnt. Die griechische Bevölkerung hat heute schon mit den niedrigsten Lebensstandard in der Eurozone. Viele Arbeiter leben in Armut. Ungefähr ein Viertel aller Beschäftigten verdienen nur den Mindestlohn.

Das ist der Hintergrund, vor dem der eintägige Generalstreik am Mittwoch stattfand, zu dem die beiden Gewerkschaftsverbände aufgerufen hatten. Den Gewerkschaften ging es darum, die Opposition in der Öffentlichkeit unter Kontrolle zu halten und den Arbeitern eine Möglichkeit zu geben, Dampf abzulassen, und dadurch der Krisen geschüttelten griechischen Regierung Zeit zu verschaffen.

In den 1990er Jahren spielten die Gewerkschaften eine entscheidende Rolle bei der Privatisierung staatlicher Unternehmen, und zwar meistens unter PASOK-Regierungen. 1996 begann unter PASOK-Premierminister Konstantin Simitis eine Welle von Deregulierung und Privatisierung weiter Teile des öffentlichen Dienstes. Um diese radikalen marktwirtschaftlichen Schritte durchzusetzen, nutzte PASOK seine engen Beziehungen zu den Gewerkschaften, besonders zur GSSE. Abgesehen von ein paar symbolischen Demonstrationen und Streiks taten GSEE und ADEDY nichts gegen diese Privatisierungen.

Heute spielen die Gewerkschaftsverbände die gleiche reaktionäre Rolle, aber unter drastisch veränderten Bedingungen.

Statis Anestis, Sprecher und Mitglied des Vorstands der GSSE, fasste die korporatistische Haltung der Gewerkschaften im Januar folgendermaßen zusammen: "Wir können die Tatsache nicht ignorieren, dass wir es hier mit einem sehr ernsten Problem zu tun haben. Wir sind bereit, harte Maßnahmen zu akzeptieren, solange sie gerecht sind."

Dem Wall Street Journal vom 29. Januar zufolge erklärte Anestis, dass die GSSE, die mehr als eine Million Mitglieder vertritt, in ihrer aktuellen Tarifrunde überlege, ein Einfrieren der Löhne in der Privatwirtschaft zu akzeptieren, wenn die Arbeitgeber garantierten, keine Entlassungen durchzuführen. Angesichts der verräterischen Bilanz der GSEE sollten Arbeiter keinerlei Vertrauen in ein solches Versprechen setzen, auf Entlassungen zu verzichten.

Einen Tag nach dem Generalstreik interviewten Reporter der World Socialist Web Site am 25 Februar Anestis, der bestätigte, dass seine Gewerkschaft im Grunde gegen Streiks sei. Anestis bekräftigte: "Die Gewerkschaftsverbände und die einzelnen Gewerkschaften haben die Wahl dieser Regierung unterstützt. Es ist nicht so, dass wir uns Streiks wünschen."

Die Gewerkschaften begründen diese wichtige politische Unterstützung damit, dass PASOK eine progressive Alternative zu der verhassten konservativen Regierung der Neuen Demokratie unter Kostas Karamanlis sei, die von 2004 bis 2009 regierte.

Anestis wies auf den 15-prozentigen Rückgang der Kaufkraft der Löhne der Argeiter in Griechenland im letzten Jahr hin, machte aber im gleichen Atemzug klar, dass seine Gewerkschaft nicht die Absicht habe, den Lebensstandard der Arbeiter zu verteidigen. Im Tonfall der Regierung behauptete er, dass "die Zeiten schwierig seien" und er deshalb "nicht 15 Prozent Lohnerhöhung fordern" könne.

Anesti sagte, dass die GSSE vier Prozent Lohnerhöhung fordern werde. Gleichzeitig machte er klar, dass die Gewerkschaft alles tun werde, damit die Arbeiter ihren "fairen Anteil" tragen werden, um den griechischen Banken und Konzernen und der Regierung aus der Patsche zu helfen. Das ist das Signal, dass der Gewerkschaftsverband bereit ist, selbst seine magere vier Prozent Forderung fallen zu lassen.

Die Politik der Regierung ist mit der Forderung der PASOK-Regierung kompatibel, dass "hoch bezahlte" Staatsdiener, die mehr als 2.000 Euro verdienen, künftig auf Lohnerhöhungen verzichten sollten.

Die gleiche Botschaft, "die Schmerzen zu teilen" wird auch von ADEDY propagiert. Deren Vorsitzender Spyros Papaspyrou sagte neulich zur Financial Times : "Wenn die Maßnahmen gerecht verteilt sind und nicht nur den öffentlichen Dienst treffen, sondern die ganze Gesellschaft, werden wir unseren Teil tun, um dem Land aus seinen Problemen zu helfen"

Anestis erklärte in seinem Interview mit der WSWS, dass der Gewerkschaftsbund Kürzungen zustimmen müsse. Er sagte: "Was man akzeptiert und was man nicht akzeptiert, hängt von der Lage ab, in der man sich befindet. Wenn dir jemand ein Messer an den Hals hält, ist das eine andere Situation."

Anestis präsentierte die Gewerkschaft als Kraft für Stabilität und Ordnung. Er erklärte, dass Arbeiter unmöglich unabhängig für ihre Interessen kämpfen könnten. Er sagte der WSWS unverblümt: "Arbeiter können dieses politische System, so wie es heute konstruiert ist, nicht stürzen."

Die Argumente von Anestis sind völlig unaufrichtig. Den Arbeitern wird in Griechenland heute das "Messer an die Kehle gehalten", und es sind die Gewerkschaften, die das Messer mit ihrer jahrzehntelangen Unterstützung für die Papandreou-Dynastie geschärft haben.

Die Gewerkschaftsbürokratien konnten viele Jahre lang von dieser engen Beziehung mit PASOK profitieren. Sie erhielten Privilegien, fette Pfründe und Gehälter. Jetzt sorgen sie sich vor allem darum, dass ihre Rolle und Verdienste bei der Umlenkung der Opposition der Arbeiterklasse in sichere Kanäle anerkannt und belohnt werden.

In Zeiten der Krise hat sich die griechische Bourgeoisie wiederholt auf von den Gewerkschaften gestützte sozialdemokratische Regierungen gestützt und ihnen die Wahrnehmung ihrer Interessen anvertraut. Heute erweist sich PASOK als Instrument der globalen Finanzinteressen und der Europäischen Union.

Die Gewerkschaften sind die entschlossensten Verteidiger des Profitsystems. Auf der Grundlage ihrer nationalistischen Perspektive fordern sie von der Arbeiterklasse "Opfer", d.h. sie sollen die Zerstörung ihrer in der Vergangenheit gewonnen Errungenschaften akzeptieren.

Siehe auch:
EU diktiert griechisches Sparpaket
(18)
Die wirkliche Lage in Griechenland
( Februar 2010)
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