Der neue DHL-Post-Tarifvertrag sorgt für Wut und Enttäuschung unter Brief- und Paketzustellern und anderen Postbeschäftigten. „Der Tarifvertrag ist nicht nur schlecht: wir hatten eigentlich für mehr gestreikt. Er geht aber zudem mit 8.000 Stellenstreichungen einher“, sagt Silke, eine Postarbeiterin aus Osthessen. „Tausende von Stellenstreichungen beim Post- und Paketdienst! Das ist nicht zu akzeptieren.“
Silke gehört zu den über 54 Prozent Verdi-Mitgliedern, die sich in der Mitgliederabstimmung im März klar gegen den neuen Tarifvertrag ausgesprochen haben. Die Verdi-Führung hat ihn dennoch angenommen. Dies, obwohl nur zwei Tage nach Verkündung des neuen Vertrags bekannt wurde, dass die Deutsche Post DHL 8.000 Stellen im Post- und Paketdienst streichen will.
Das Aktionskomitee Post lädt für diesen Donnerstag, 10. April, um 19 Uhr zum Online-Treffen ein, um gemeinsam mit Beschäftigten des öffentlichen Dienstes und der BVG die nächsten Schritte im Kampf gegen Stellenstreichungen, Lohnraub und Arbeitsstress zu diskutieren. Wir betonen: Die Arbeitsplätze und Bedingungen der Beschäftigten sind wichtiger als die Profitinteressen einer schmalen und privilegierten Oberschicht! Meldet euch per Whatsapp-Nachricht an die Mobilnummer +49 163-3378 340 oder registriert euch über das Formular am Ende des Artikels.
Das Aktionskomitee Post schlägt vor, in allen Sortierzentren, Stützpunkten und Postfilialen Komitees zu gründen, die von den Gewerkschaftsbürokraten unabhängig sind, und einen unbefristeten Vollstreik vorzubereiten. Dies muss gemeinsam mit den Beschäftigten im öffentlichen Dienst und im Berliner Nahverkehr geschehen, die sich in der gleichen Situation wie wir Postler befinden.
Den BVG-Busfahrern in Berlin wird gerade ein schlechtes Schlichtungsergebnis aufs Auge gedrückt, obwohl sie sich mit 95,4 Prozent für Streik ausgesprochen haben. Das kommt uns bekannt vor: Das haben wir bei der Post vor zwei Jahren genauso erlebt, als Verdi entgegen unseres Streikvotums von 86 Prozent ein schlechtes Schlichtungsergebnis durchdrückte.
Mehr als 25.000 Leser haben bisher auf unsern WSWS–Artikel vom 2. April, „DHL Deutsche Post: Verdi akzeptiert Reallohnsenkung und Stellenabbau – gegen die Mehrheit der Mitglieder“ zugegriffen. Viele Postbeschäftigte aus der Zustellung, den Sortierzentren und dem allgemeinen Postdienst haben sich seither beim Aktionskomitee gemeldet.
„In unserem Briefzentrum ist euer Artikel ziemlich rumgegangen“, berichtete Silke, die im Briefzentrum in der Nachtschicht arbeitet. „Wir sind schon ohne die Stellenstreichungen zu wenige.“ Sie war davon ausgegangen, dass auch Kollegen, die vielleicht früher im Betrieb gearbeitet hatten, wieder zurückgeholt würden, „aber doch nicht, dass man die Leute noch extra herausdrängt!“ Ihre Forderung: „Das Wichtigste ist jetzt erst einmal, den Arbeitsplatzabbau zu stoppen.“
Auch Bernd, ein Zusteller aus dem Saarland, bezeichnete den drohenden Personalabbau als Grund dafür, dass er in der Mitgliederbefragung mit „Nein“ gestimmt hatte. „Zu Corona-Zeiten hat die Post riesige Gewinne gemacht“, sagt Bernd, der schon mehr als 30 Jahre in dem Beruf arbeitet. „Aber jetzt reicht schon ein kleiner Rückgang bei den Profiten – und sie fangen sofort mit dem Personalabbau an.“ Er überlege sich, bei Verdi auszutreten, sagte Bernd; deshalb hatte er sich beim Aktionskomitee gemeldet.
Viele Postbeschäftigte sagten, sie wollten „bei Verdi austreten“. „Seit 25 Jahren Mitglied – jetzt bin ich raus!“ schrieb Ingo auf Facebook. „Verdi ist nur noch ein Schrotthaufen”, schimpfte ein älterer verbeamteter Verbundfahrer, der uns aus dem Bergischen erreichte. Er hatte den WSWS-Artikel von seiner Frau, ebenfalls einer Postbeschäftigten, erhalten. Seine Meinung: „Was die abgeschlossen haben, ist ein Witz.“ Den für ihn zuständigen Betriebsrat bezeichnete er mit Worten, die zu veröffentlichen sich nicht gebietet, aber so viel ist klar: Er hat keine hohe Meinung von ihm.
Die Stellenstreichungen zeigen exemplarisch, dass die Bedürfnisse und Interessen der Beschäftigten denjenigen der Aktionäre, des Vorstands und der Verdi-Spitze diametral zuwiderlaufen. Das Verdi-Vorstandsmitglied Andrea Kocsis arbeitet seit 18 Jahren im Aufsichtsrat mit dem Postvorstand „vertrauensvoll zusammen“ (wie es im Jahresbericht heißt) und kassierte dafür 2024 fürstliche 364.000 Euro an Tantiemen.
Vorstandschef Tobias Meyer, der wie Personalchef Thomas Ogilvie vom Vermögensberater McKinsey zu DHL Post wechselte, hat die Stellenstreichungen zunächst mit dem Rückgang des Betriebsergebnisses (Ebit) um 7,2 Prozent auf 5,9 Milliarden Euro im letzten Jahr und dem Rückgang der Briefpost begründet. Dann führte er als Vorwand die Kosten für den neuen Tarifabschluss von 360 Millionen Euro an – bei gleichzeitiger Zusage einer Dividende von 2,1 Milliarden Euro für die Aktionäre!
„Wer solche Entscheidungen trifft, der müsste mal unsere Arbeit machen“, sagte Tanja, eine Paketzustellerin in Rheinland-Pfalz. „Es kann ja sein, dass die Briefmengen rückläufig sind, aber die Pakete haben jedenfalls zugenommen. Und wir ‚armen Schweine‘ müssen 25 kg schwere Pakete oft in den dritten oder vierten Stock hochschleppen.“
Ihrer Meinung nach „reicht es auch nicht, wenn die Regierung, wie jetzt angekündigt, das Maximalgewicht auf 20kg heruntersetzt. Solange die Paketberge wachsen und unser Gebiet, in dem wir zustellen müssen, immer größer wird, brauchen wir dringend mehr Personal. Aber wer macht diese Arbeit, wenn sie nicht besser bezahlt wird?“ Mehrere junge Kollegen hätten die Arbeit nur eine kurze Zeit lang mitgemacht: „Sobald sie was Besseres finden, sind sie wieder weg.“
„Bei der Post geht es nur noch um Profit. Und wer arm ist, bleibt arm“, sagte A. Klein, ebenfalls Zustellerin aus Rheinland-Pfalz. „Schau dir doch nur an, was für eine mickrige Rente für uns am Ende rauskommt!“ Wie sie berichtete, treten die Kolleginnen und Kollegen reihenweise bei Verdi aus.
Viele Tausende der 170.000 Brief-, Paket und Postbeschäftigten hatten sich in den letzten Monaten an Warnstreiks beteiligt. Aber die Verdi-Spitze hatte sich hinter verschlossenen Türen auf einen Vertrag mit zweijähriger Laufzeit geeinigt, der in diesem Jahr für die ersten drei Monate eine Nullrunde und ab April mit zwei Prozent Gehaltserhöhung eine echte Reallohnsenkung vorsieht. Erst nach einem weiteren Jahr sollen noch drei Prozent hinzukommen. Von den geforderten drei zusätzlichen Urlaubstagen kommt überhaupt nur einer. Einen weiteren Urlaubstag erhält nur, wer schon 16 Jahre dabei ist.
So werden die harten, schlecht bezahlten Bedingungen auf Dauer festgeschrieben und durch den Stellenabbau noch verschärft. Um dies gegen die wütenden Postbeschäftigten durchzudrücken und ihren Widerstand zu lähmen, hat die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi das Manöver der Mitgliederbefragung durchgeführt, die sie im Nachhinein wie eine Urabstimmung wertet. Viele Postlerinnen und Postler wurden aber überhaupt nicht gefragt.
Bernd berichtete: „Mehrere meiner Kollegen haben sich beschwert, dass sie gar nicht gefragt wurden und nicht abstimmen konnten.“ Das bestätigte auch der Verbundfahrer aus dem Bergischen. Bei ihm im Betrieb wurde überhaupt keine Abstimmung durchgeführt.
Er unterstütze die Initiative für Aktionskomitees in den Betrieben, wie er sagte. Bei der Post AG gehe es nur noch ums „Sparen, Sparen, Sparen. Wir fahren hier mit alten Autos und alten Fahrrädern rum.“ Letztere würden nun endlich verschrottet und nach und nach neue angeschafft. Das sei längst überfällig. „Der Konzern geht extrem schlecht mit den jüngeren Kolleginnen und Kollegen um. Bei uns älteren trauen sie sich nicht, und zu Recht!“ so der erfahrene Postler. Er selbst habe nur noch ein paar Jahre bis zur Pension. „Aber die Jungen müssen ja noch länger hier arbeiten. Hier muss sich einiges ändern.“
Die Politik des Lohnraubs und des Stellenabbaus, die Verdi mitorganisiert, steht in direktem Zusammenhang mit den wahnsinnigen Aufrüstungsplänen der neuen Bundesregierung von Union und SPD, die dafür bis zu einer Billion Euro Schulden machen wollen. Dies wird allein für Zinsen und Tilgung Jahr für Jahr Dutzende Milliarden Euro kosten, die dann aus der Arbeiterklasse herausgepresst werden. Das ist der Hintergrund der schlechten Abschlüsse der letzten Tage und Wochen. Und die Gewerkschaftsspitze ist dabei Komplize und Ausführungsorgan der Regierung.
Der Verdi-Vorsitzende Frank Werneke hat das „Sondervermögen Infrastruktur“ über 500 Milliarden Euro, das der Kriegsertüchtigung der Gesellschaft dient, auf der Verdi-Homepage als „echte Chance“ bezeichnet, und er unterstützt die Aufrüstung der Bundeswehr.
Der Verdi-Chef bezeichnet die „Diskussionen über höhere Verteidigungsaufwendungen in Deutschland und Europa [als] verständlich. Europa muss sich verteidigen können, die Bundeswehr muss einsatzfähig sein.“ Werneke hatte sich schon an der Konzertierten Aktion 2022 gemeinsam mit Unternehmen und Regierung verpflichtet, die Lohnabschlüsse niedrig zu halten. Ein Jahr später sorgte er dafür, dass die Dienstleistungsgewerkschaft auf dem letzten Verdi-Kongress der Aufrüstung zustimmte.
Mehrere Verdi-Mitglieder äußerten sich entsetzt und besorgt darüber, dass die Gewerkschaftsführung die Kriegsertüchtigung Deutschlands aktiv unterstützt. Silke aus Hessen sagte: „In meinem Umfeld sind mehrere Bekannte jetzt sehr besorgt, entweder weil sie selbst jemanden bei der Bundeswehr haben, oder weil sie fürchten, dass der Sohn eingezogen werden könnte.“
Auch Bernd, der Postler aus dem Saarland, sieht die Kriegspolitik kritisch, obwohl er sich „nicht gegen die Bundeswehr äußern möchte“. Aber er ist strikt gegen die Lieferung des Taurus an die Ukraine. „Dann haben wir doch gleich den offenen Krieg mit Russland“, sagte er. „Dagegen bin ich absolut, das wäre eine Katastrophe.“
Die Ziele der Verdi-Führung orientieren sich an den Zielen des Vorstands, der Aktionäre und der Regierung. Sie richten sich darauf, den globalen Konzern DHL Post „schlank und effizient“ aufzustellen und sollen dafür eine Milliarde Euro pro Jahr einsparen. Wie Vorstandschef Meyer sagte: „Dividendenkontinuität und Aktionärsrendite haben für uns eine hohe Priorität.“
Die „Priorität“, die wir als Aktionskomitee Post haben, richtet sich auf andere Ziele: Für uns stehen Leben, Gesundheit und Arbeitsbedingungen der Beschäftigten und ihrer Familien höher als die Profite der Aktionäre und Superreichen. Im Kampf für diese Ziele sehen wir unsere Verbündeten nicht in den hochbezahlten Gewerkschaftsbürokraten, noch weniger in den Wirtschaftskapitänen und Regierungspolitikern. Unsere Verbündeten sind die Kolleginnen und Kollegen in den anderen Betrieben, Branchen und Ländern und auf der ganzen Welt.
Vor kurzem hat uns ein kanadischer Postler geschrieben, dessen Gewerkschaft einen vierwöchigen Streik bei der kanadischen Post für Arbeitsplatzsicherheit und Lohnerhöhungen letzten Winter ausverkauft hatte. Er schrieb: „Die Gewerkschaftsführer haben die Arbeiterklasse so vollständig aufgegeben, dass sie uns alle für Schwachköpfe halten, die jede Lüge glauben, die sie verbreiten.“ Weiter schrieb er:
Wir Postangestellten stellen jeden Tag Briefe, Pakete und Werbesendungen zu, und wir Postangestellten entdecken unsere soziale Macht. Wenn wir mit dem Nationalismus und dem Korporatismus der Gewerkschaften brechen, haben wir eine echte Chance, uns mit anderen Aktionskomitees zusammenzuschließen. Wir werden den Kampf für bessere Arbeitsplätze und Lebensbedingungen in Kanada, Deutschland und weltweit gemeinsam führen und einen internationalen Aufstand der Arbeiterklasse gegen kapitalistische Ausbeutung und Krieg einleiten.
Nimm am Online-Treffen der Aktionskomitees am Donnerstag, 10. April, um 19 Uhr teil, melde dich per Whatsapp-Nachricht über die Mobilnummer +49 163-3378 340 oder registriere dich über das Formular am Ende dieses Artikels!