Wütende europäische Reaktionen auf Trumps Telefonat mit Putin

Die Ankündigung von US-Präsident Donald Trump, die USA würden „unverzüglich“ Verhandlungen mit Russland über ein Ende des Ukrainekriegs beginnen, hat die europäische Politik in eine tiefe Krise gestürzt.

Trump hatte vor seinem, wie er sagte, „langen und sehr produktiven“ Telefonat mit Putin am Mittwoch weder die ukrainische noch die europäischen Regierungen informiert. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erfuhr davon erst hinterher von Trump persönlich. Die Europäer entnahmen die Nachricht den sozialen Medien. Wie es aussieht, werden sie auch bei den geplanten Verhandlungen keine Rolle spielen.

Wladimir Putin und Donald Trump im Jahr 2019 [Photo by kremlin.ru / CC BY 4.0]

Bereits zuvor hatte US-Verteidigungsminister Pete Hegseth bei einem Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe in Brüssel unmissverständlich erklärt, es sei illusorisch, dass die Ukraine zu den Grenzen von 2014 zurückkehren, also die Krim und den Donbass zurückerhalten, oder Mitglied der Nato werden könne. Beides hatten Kiew und Brüssel bisher zur unverzichtbaren Voraussetzung für eine Beendigung des Kriegs gemacht. Hegseth stellte außerdem klar, dass die Sicherung eines künftigen Friedens Aufgabe der Europäer sei. Die USA würden dafür weder Truppen noch Geld zur Verfügung stellen.

Unter Trumps Vorgänger Joe Biden hatten die USA und Europa den Krieg gegen Russland gemeinsam gefördert. Sie verfolgten das Ziel, die Ukraine in den Einflussbereich der Nato und der EU einzugliedern und Russland zu zerschlagen, um einen strategischen Rivalen auszuschalten und unbeschränkten Zugang zu seinen gewaltigen Ressourcen zu erhalten.

Doch obwohl sie die Ukraine seit Kriegsbeginn mit Militär- und Finanzhilfen von weit über 200 Milliarden Euro unterstützt haben, der größere Teil davon aus Europa, befindet sich die ukrainische Armee in der Defensive. Nachdem sie hunderttausende Soldaten geopfert hat und immer mehr desertieren, ist sie nicht einmal mehr in der Lage, das erforderliche Kanonenfutter zu rekrutieren.

Nun fürchten die Europäer, dass sich Trump zu ihren Lasten und über ihre Köpfe hinweg mit Putin einigt. Zahlreiche hochrangige Politiker protestierten gegen Trumps Alleingang.

Bundeskanzler Olaf Scholz warnte vor zu großer Nachgiebigkeit gegenüber Russland. Man müsse sicherstellen, „dass es hier keinen Diktatfrieden gibt“, sagte er Politico und pochte darauf, dass sich die USA auch weiterhin militärisch beteiligen.

Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius sagte: „Dass wir nicht am Katzentisch sitzen können, dürfte allen einleuchten.“ Es sei bedauerlich, dass Trumps Regierung Putin „vor Beginn von Verhandlungen öffentlich Zugeständnisse gemacht“ habe. „Aus meiner Sicht wäre es besser gewesen, über eine mögliche Nato-Mitgliedschaft der Ukraine oder über mögliche Gebietsverluste erst am Verhandlungstisch zu sprechen.“ Einen Frieden könne man nur aus einer Position der Stärke heraus sichern.

Der polnische Regierungschef Donald Tusk schrieb auf der Plattform X in Großbuchstaben, die Ukraine, Europa und die Vereinigten Staaten sollten gemeinsam an einem GERECHTEN FRIEDEN arbeiten. GEMEINSAM.

Nato-Generalsekretär Mark Rutte betonte, es sei wichtig, „dass die Ukraine eng in alles eingebunden wird, was die Ukraine betrifft“.

Der ukrainische Präsident Selenskyj hatte Trump bereits zu Beginn der Woche in einem langen Interview mit dem Guardian lukrative Geschäfte angeboten, wenn die USA sein Land weiter militärisch unterstützten. So versprach er ihm bevorzugten Zugang zu Seltenen Erden im Wert von 500 Milliarden Dollar und zu den großen Uran- und Titanvorkommen des Landes.

Es sei „nicht im Interesse der Vereinigten Staaten“, dass diese Reserven in russischer Hand seien und möglicherweise mit Nordkorea, China oder dem Iran geteilt würden, sagte Selenskyj. „Wir sprechen nicht nur über Sicherheit, sondern auch über Geld ... Wertvolle natürliche Ressourcen, bei denen wir unseren Partnern Möglichkeiten bieten können, die es vorher nicht gab, um in sie zu investieren ... Für uns wird das Arbeitsplätze schaffen, für amerikanische Unternehmen wird es Profite bringen.“

Gleichzeitig machte Selenskyj deutlich, dass er die europäischen Mächte nicht für fähig hält, die USA militärisch zu ersetzen. „Es gibt Stimmen, die sagen, dass Europa Sicherheitsgarantien ohne die Amerikaner anbieten könnte, und ich sage immer: nein,“ sagte er dem Guardian. Um die Sicherheit der Ukraine zu gewährleisten, wären laut Selenskyj 100.000 bis 150.000 ausländische Soldaten erforderlich – eine Zahl, die Europa nicht aufbringen kann.

Es lässt sich gegenwärtig nur schwer abschätzen, wie weit Trumps Vorstoß gehen wird. Es ist wenig wahrscheinlich, dass Moskau sich auf ein Abkommen einlässt, das die Stationierung europäischer oder amerikanischer Truppen in der Ukraine vorsieht, war doch das Vordringen der Nato nach Osten der Hauptgrund für den Kriegsbeginn vor drei Jahren.

Trotzdem markieren Trumps Initiative und die aufgeregte Reaktion der Europäer einen politischen Wendepunkt. Denn mit Frieden haben beide nichts zu tun. Vielmehr signalisieren sie das Aufbrechen der Machtblöcke und Allianzen, die seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs die Weltpolitik dominiert haben, zugunsten imperialistischer Konflikte, in denen jeder gegen jeden kämpft.

So zieht der Spiegel aus „Trumps Anruf im Kreml“ den Schluss: „Die Abkehr der USA von Europa hat begonnen. Trumps Gespräch mit Putin und Hegseths Auftritt in Brüssel dürften auch die letzten Zweifel daran ausgeräumt haben.“

Der frühere Chef des britischen Geheimdiensts MI6 kommentiert: „ Wir sind von einer regelbasierten Welt und multilateralen Strukturen und Institutionen zu starken Männern und Deals übergegangen, die über die Köpfe schwächerer und kleinerer Länder hinweg Geschäfte machen.“

Trumps Außenminister Marco Rubio fasst dessen „America first“-Politik mit den Worten zusammen: „Das Interesse der amerikanischen Außenpolitik besteht darin, das nationale Interesse der Vereinigten Staaten von Amerika zu fördern.“ Im Namen der Absage an eine “unipolare Welt” dreht Rubio den bisherigen europäischen „Partnern“ den Rücken zu, um die Macht des US-Militärs auf territoriale Eroberungen und gegen China zu konzentrieren.

Auf der Münchner Sicherheitskonferenz, die von Freitag bis Sonntag stattfindet, wird diese Auseinandersetzung auf offener Bühne ausgetragen werden. Neben zahlreichen europäischen Politikern und Militärs werden dort auch US-Vizepräsident J.D. Vance und Außenminister Rubio auftreten.

Der Munich Security Report 2025, der als Grundlage der Konferenz dient, trägt den Titel „Multipolarization“ und beschreibt eine Welt, in der die Entstehung rivalisierender Machtblöcke „das Risiko von Unruhen und Konflikten erhöht und eine effektive Zusammenarbeit untergräbt“.

Zu den USA heißt es darin: „ Der Wahlsieg von Donald Trump hat den außenpolitischen Konsens der USA nach dem Kalten Krieg, dass eine große Strategie des liberalen Internationalismus den Interessen der USA am besten dienen würde, zu Grabe getragen. Für Trump und viele seiner Anhänger ist die von den USA geschaffene internationale Ordnung ein schlechtes Geschäft. Infolgedessen könnten die USA ihre historische Rolle als Europas Sicherheitsgarant aufgeben – mit erheblichen Folgen für die Ukraine. Die Außenpolitik der USA wird in den kommenden Jahren wahrscheinlich von Washingtons bipolarem Wettstreit mit Peking geprägt sein.“

Die europäischen Mächte kennen darauf nur eine Antwort: Massive Aufrüstung, um ihre eigenen imperialistischen Interessen zu verfolgen, und immer brutalere Ausbeutung und Unterdrückung der Arbeiterklasse, die die Kosten des Militarismus zu tragen hat. Das heißt, sie gehen in dieselbe Richtung wie Trump.

Typisch für die vorherrschende Kriegshysterie ist ein Gastbeitrag des Grünen-Politikers Ralf Fücks im Spiegel. Fücks hatte – damals als Chef der Heinrich-Böll-Stiftung – schon 2014 eine führende Rolle beim rechten Putsch in Kiew gespielt, der die Grundlage für den heutigen Krieg schuf.

Jetzt wirft er Trump vor, „die Ukraine unter den Bus zu schubsen“. Dass es so weit kommen konnte, sei der deutschen und europäischen Politik geschuldet, die die Ukraine nicht ausreichend unterstützt habe. „Wenn die Europäer sich jetzt nicht zusammenreißen und alles tun, um die Souveränität der Ukraine und die Grundlagen der europäischen Friedensordnung zu verteidigen, besiegeln sie ihre politische Bedeutungslosigkeit. Dann wird Europa nichts weiter als ein Spielball der Großmächte sein,“ so Fücks.

Dieser Kurs bestimmt auch die Bundestagswahl. Alle Parteien – von der Linkspartei über SPD, Grüne, FDP und Union bis zur rechtsextremen AfD – sind sich einig, dass Deutschland massiv aufrüsten und die Sozialausgaben entsprechend zusammenstreichen muss. Die Wagenknecht-Partei bejubelt Trump als angeblichen Friedensstifter.

Die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) ist die einzige Partei, die im Wahlkampf konsequent gegen Krieg und Militarismus eintritt und für die Einheit der internationalen Arbeiterklasse auf der Grundlage eines antikapitalistischen, sozialistischen Programms kämpft.