Immer mehr Haushalte in Deutschland sind von Armut betroffen. Ein Hauptgrund dafür sind die rasant steigenden Mieten. Einer Studie des Paritätischen Gesamtverbandes zufolge, die im Gegensatz zu konventionellen Studien auch die Wohnkosten berücksichtigt, sind mittlerweile 17,5 Millionen Menschen von Armut betroffen und damit 5,4 Millionen mehr als nach bisherigen Berechnungen.
Als arm gelten demnach Personen, die weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung haben. Der Studie nach liegt damit die Armutsquote deutschlandweit bei 21,2 Prozent, nach konventionellen Berechnungen sind es 14,4 Prozent. Die Armut im eigentlich reichen Deutschland ist damit weitaus grassierender als offiziell erfasst.
Bei der üblichen Armutsstatistik blieben Millionen Menschen unsichtbar, weil ihre Wohnkosten nicht berücksichtigt würden, erklärte der Verband. „Wer nur Einkommen betrachtet, nicht aber, dass Menschen immer weniger Geld zur Verfügung haben, weil sie hohe Wohnkosten aufbringen müssen, übersieht das Ausmaß von Armut in Deutschland“, heißt es in der Auswertung.
Besonders von Armut betroffen sind junge Erwachsene zwischen 18 und 25 Jahren mit 31 Prozent und Rentner mit rund 27 Prozent. Auch Alleinerziehende sind mit 36 Prozent überproportional betroffen.
Erwerbslose haben das größte Risiko, in Armut zu rutschen. Hier liegt die um die Wohnkosten bereinigte Armut bei 61,3 Prozent. Die ohnehin viel zu geringe Grundsicherung bzw. das Bürgergeld werden im kommenden Jahr nicht erhöht, um die Regierungshaushalte nicht zu belasten, daher ist ein Anstieg der Armut vorprogrammiert.
Am stärksten von Wohnarmut betroffen sind Haushalte in Bremen (29,3 Prozent), Sachsen-Anhalt (28,6 Prozent) und Hamburg (26,8 Prozent). Während in Berlin die Armutsquote nach konventioneller Berechnung 13,7 Prozent beträgt, steigt diese bei Berücksichtigung der Wohnkosten auf 20,8 Prozent. Ganz ähnlich verhält es sich in Brandenburg. Am stärksten ausgeprägt ist die Differenz zwischen den Berechnungen in Hamburg und Schleswig-Holstein.
Dass Armut immer mehr durch extrem steigende Wohnkosten verursacht wird, zeigt sich daran, dass immer mehr Haushalte einen immer größeren Teil des Einkommens für Wohnen aufwenden müssen.
Waren es 2020 noch durchschnittlich 21,5 Prozent des Einkommens, die für Wohnen ausgegeben wurden, so stieg dieser Anteil bis 2023 auf 25,2 Prozent. Bei den von Armut betroffenen Haushalten sind es sage und schreibe 46 Prozent.
Die Politik von Bundes- und Landesregierungen jeglicher Couleur hat in den letzten Jahren zu einem massiven Anstieg der Mieten geführt, die für immer größere Schichten der Bevölkerung kaum mehr zu stemmen sind. Gleichzeitig haben die Immobilienkonzerne traumhafte Gewinne realisiert.
In Berlin sind die Mieten zwischen 2014 und 2023 regelrecht explodiert. In diesem Zeitraum stieg die Miete im Durchschnitt von 8,10 auf 16,35 Euro pro Quadratmeter.
Bei Neuvermietungen sind die Mieten in Berlin und in Potsdam so stark gestiegen wie in keiner anderen Region Deutschlands. Demnach verzeichnete Potsdam mit einem Plus von 31,2 Prozent 2023 den größten Anstieg aller Landkreise und kreisfreien Städte bei Erst- und Wiedervermietungen. Danach kommt Berlin mit einer Zunahme von 26,7 Prozent.
Im bundesweiten Durchschnitt stiegen die Mieten bei Erst- und Wiedervermietungen 2023 um 7,3 Prozent. Berlin ist hier mittlerweile mit über 16 Euro pro Quadratmeter die zweitteuerste Stadt Deutschlands. Höher liegen die Mieten nur in München mit mehr als 20 Euro pro Quadratmeter.
Mit dem geplanten Ende der so genannten Mietpreisbremse Ende 2025 werden die Mieten weiter exorbitant ansteigen. Mit der Mietpreisbremse dürfen Neuvermietungen nicht mehr als 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen, wobei dies ohnehin nur in besonderen Situationen gilt und leicht umgangen werden kann.
Lukas Siebenkotten, der Präsident des Deutschen Mieterbundes, gab zu bedenken, dass mit dem Ende der Mietpreisbremse „die Wiedervermietungsmieten in die Höhe schießen, da es dann keine wirksame Deckelung mehr geben würde“. Kurz gesagt: Die Mieten werden dann noch stärker steigen und Armut und Obdachlosigkeit noch weiter zunehmen.
Hinzu kommt, dass die Anzahl von Sozialwohnungen dramatisch gesunken ist. 1987 waren noch 3,9 Millionen Sozialwohnungen in Deutschland vorhanden, diese sind bis heute auf knapp 1 Millionen reduziert worden. In Berlin gab es Anfang der 2000er Jahre fast 400.000 Sozialwohnungen, von denen gerade einmal 90.000 noch verfügbar sind. Zusätzlich fallen bis Ende 2026 weitere 47.700 aus der Sozialbindung. Dem gegenüber hätten über eine Millionen Menschen alleine in Hauptstadt Anspruch auf eine Sozialwohnung.
Für das kommende Jahr hat die Berliner Landesregierung aus CDU und SPD ein massives Sparpaket geschnürt, das die Situation weiter verschärfen wird. Dabei wird auch die soziale Wohnraumförderung um 150 Millionen Euro gekürzt, was 10 Prozent der bisherigen Fördersumme von 1,5 Milliarden Euro ausmacht. Folglich werden zukünftig noch weniger Sozialwohnungen gebaut. Dazu kommen Kürzungen von 45 Prozent bei den Zuschüssen zur Begrenzung der Mieten im sozialen Wohnungsbau. Der Berliner Senat senkt die Zuschüsse hier von 7,1 Millionen auf nur noch 3,9 Millionen Euro.
Mit der seit 2023 bestehenden Kooperationsvereinbarung zwischen dem Senat und den landeseigenen Wohnungsunternehmen ist seit 2024 eine jährliche Mieterhöhung von 2,9 Prozent möglich. Die landeseigenen Wohnungsunternehmen haben das bereits für das Jahr 2024 ausgenutzt und in mehr als 170.000 Wohnungen die Mieten um elf Prozent erhöht. Für 2025 haben die landeseigenen Wohnungsunternehmen weitere starke Mieterhöhungen angekündigt. Die Mieter der Wohnbaugesellschaft Stadt und Land in Treptow-Köpenick müssen mit einer Mieterhöhung bis zu 11,24 Euro pro Quadratmeter rechnen.
Auf der anderen Seite erhalten die Vorstände der landeseigenen Wohnungsunternehmen großzügige Gehälter. Ulrich Schiller von der Howoge, die 2023 einen Gewinn von 79,3 Millionen Euro erzielte, erhielt im vergangenen Jahr insgesamt 347.133 Euro an Vergütungen. Sandra Wehrmann von der Degewo, die 2023 82 Millionen Euro Gewinn erwirtschaftete, erhielt 351.671 Euro.
Diese Vergütungen nehmen sich noch gering aus, im Vergleich zu denen der großen Immobilienunternehmen. 2022 erhielt der ehemalige Chef der Deutschen Wohnen, Michael Zahn, nach der erfolgreichen Fusion mit Vonovia alleine über 18 Millionen Euro an Abfindungszahlungen.
Die steigenden Belastungen durch Mieten für Millionen von Menschen sind symptomatisch für die vorherrschende Politik. Während sich eine schmale Schicht an der Spitze der Gesellschaft schamlos auf Kosten der Bevölkerung bereichert, fallen sämtliche sozialen Errungenschaften den sogenannten „Sparzwängen“ zum Opfer. Anstatt Gelder in bezahlbaren Wohnraum zu investieren, werden Millionen für die Aufrüstung nach Innen und Außen aufgewendet.