IAM-Bürokratie setzt sich über Belegschaft hinweg, um Ausverkauf bei Boeing durchzudrücken

Streikende Boeing-Arbeiter in Everett (Washington)

Am Montag hat die Gewerkschaftsführung der International Association of Machinists and Aerospace Workers (IAM) den streikenden Boeing-Mechanikern einen Ausverkaufsvertrag aufgezwungen. Laut der IAM wurde der Tarifvertrag mit 59 Prozent der Stimmen angenommen.

Der Vertrag ist ein erbärmlicher Verrat. Es ist im Wesentlichen der gleiche, den die Arbeiter vor zwei Wochen mit 64 Prozent abgelehnt hatten, bloß„mit zusätzlichen drei Prozent mehr Lohn und einer Verschiebung von Mitteln zwischen dem Antrittsgeld und dem 401(k)-Altersvorsorgeplan“, wie das Boeing Workers Rank-and-File Committee (BWRFC) am Sonntag erklärte, als es die Mechaniker aufrief, den Tarifvertrag abzulehnen.

Das Angebot liegt noch immer unter den Forderungen der Arbeiter nach einer 40-prozentigen Lohnerhöhung, verbesserten Sicherheitsmaßnahmen, geringerer Selbstbeteiligung für die Krankenversicherung und vor allem der Wiedereinführung der Rente, die den Mechanikern im Jahr 2014 gestohlen wurde.

Der Präsident des IAM-Ortsverbands 751, Jon Holden, und die gesamte IAM-Bürokratie haben von Anfang an versucht, einen Tarifvertrag durchzusetzen, der „Boeing vor sich selbst rettet“, bzw. der dabei hilft, die Gewinne der Aktionäre wieder zu gewährleisten, nachdem ein massiver Sicherheitsskandal Hunderte von Todesopfern gefordert hatte. Am Montagabend erklärte Holden bezeichnenderweise, die Arbeiter hätten „einen Seig errungen“, der dazu beitragen werde, „diesem Unternehmen wieder zu finanziellem Erfolg zu verhelfen“.

Holden wich der Frage aus, ob Boeing die Entlassung von 17.000 Beschäftigten oder zehn Prozent seiner weltweiten Belegschaft weiter verfolgen wird, und erklärte nur lapidar: „Entlassungen wären kurzsichtig.“ Zweifellos wissen Holden und andere Funktionäre, dass Boeing noch weitere Kürzungen plant. Bei UPS und in der Autoindustrie folgten letztes Jahr auf neue Tarifverträge, die von der Bürokratie als „große Siege“ angepriesen wurden, nur wenige Wochen später Tausende von Entlassungen.

Er wich auch der Frage aus, warum die IAM diese vorläufige Vereinbarung unterstützt hat, nachdem sie beim zweiten Vorschlag offiziell „neutral“ geblieben war. Holden behauptete stattdessen, die IAM sei eine „demokratische Gewerkschaft“, und er sei „stolz auf unsere Mitglieder“.

In Wirklichkeit hat die Bürokratie den eindeutigen Willen der Belegschaft ständig bewusst missachtet. Der erste Vertrag, der von der IAM unterstützt wurde, sah nur eine Lohnerhöhung von 25 Prozent und die Abschaffung des jährlichen Bonus für die Arbeiter vor. Als die Arbeiter sich über dieses niedrige Angebot empört zeigten und es mit 95 Prozent ablehnten, versuchte die Gewerkschaft, sie mit der Behauptung einzuschüchtern, sie würden „mit einem Streik wahrscheinlich nicht mehr erreichen“.

Während der Pressekonferenz am Montagabend verurteilten wütende Arbeiter im Facebook-Livestream der Gewerkschaft die Bürokratie mit Kommentaren wie „manipuliert“, „ausverkauft“ oder „rückgratlose Gewerkschaftsführung“. Viele weitere Kommentare wurden von den Moderatoren der IAM gelöscht.

Das Ergebnis ist ein illegitimer Tarifvertrag, der durch ein korruptes Verfahren zustande gekommen ist. Die Boeing-Mechaniker haben von der IAM nur erbärmliche 250 Dollar Streikgeld pro Woche erhalten. Die Gewerkschaftsfunktionäre isolierten sie obendrein von ihren Kollegen bei Textron Aviation und Eaton Aerospace, die zeitgleich mit den Boeing-Mechanikern praktisch für die gleichen Forderungen kämpften: Lohnerhöhungen über der Inflationsrate und die für eine sichere Zukunft notwendige Rente und Krankenversicherung.

Bei Textron hat die IAM einen Abschluss durchgesetzt, den viele Arbeiter als schlechter als das ursprüngliche Angebot bezeichneten, das im September mit überwältigender Mehrheit abgelehnt worden war. Eaton Aerospace stellt jetzt Streikbrecher ein, um die streikenden Arbeiter zu ersetzen.

Wie das Boeing-Aktionskomitee am Sonntag schrieb, hat die IAM-Bürokratie als „Laufbursche für den Boeing-Vorstand und die Regierung agiert. Sie haben diesen Tarifvertrag ,ausgehandelt’, und missachteten die klare Botschaft, die wir ihnen erst vor zwei Wochen übermittelt haben, als wir den letzten vom Weißen Haus unterstützten Abschluss mit 64 Prozent ablehnten.“

Der neue Tarifvertrag wurde, genau wie der, den die Arbeiter letzten Monat abgelehnt hatten, von der amtierenden Arbeitsministerin Julie Su ausgehandelt. Die Intervention des Weißen Hauses, vor allem das Timing der Abstimmung einen Tag vor den Präsidentschaftswahlen zielte darauf ab, den wachsenden Widerstand in der Arbeiterklasse zu unterdrücken, der sich nach den Wahlen am Dienstag inmitten eines politischen Bürgerkriegs Bahn brechen könnte. Während Trump Pläne entworfen hat, im Falle seiner Niederlage das Wahlergebnis zu kippen, fürchten die Demokraten eher, dass dies eine Bewegung von unten auslöst, die auch die Pläne zur Eskalation der Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten durchkreuzen würde.

Dass die Abstimmung so knapp ausfiel, zeigt, wie stark der Widerstand unter den Arbeitern noch immer ist. Sie wurden nicht von der Qualität des Abschlusses überzeugt, sondern die IAM und Boeing bedrohten und erpressten sie. Vorstandschefin Kelly Ortberg hatte gedroht, dass alle weiteren Verhandlungen nur „regressive“ Tarifverträge hervorbringen würden. Der Gewerkschaftsapparat kuschte vor diesen Vergeltungsmaßnahmen und Drohungen und wiederholte loyal die Äußerungen des Managements.

Die Arbeiter haben in dem Streik ihre immense soziale Kraft demonstriert. Laut einigen Schätzungen war es der teuerste Streik des 21. Jahrhunderts in den USA. Doch wie die World Socialist Web Site von Anfang an betont hat, können die Arbeiter ihre Forderungen nur mit ihrer eigenen unabhängigen Initiative durchsetzen.

Die Bürokratie kann nicht von unten unter Druck gesetzt werden, weil sie nicht den Arbeitern gegenüber Rechenschaft ablegt, sondern gegenüber der Wall Street und dem Weißen Haus. Stattdessen müssen sich die Arbeiter unabhängig organisieren, um die Autorität des Apparats zu zerstören und die Macht an die Belegschaft zu übertragen.

Der neue Tarifvertrag bei Boeing leitet nur die nächste Phase des Kampfs ein. Nachdem der Streik beendet ist, wird das Management die bereits angekündigte Vernichtung von 17.000 Arbeitsplätzen weltweit und mehr durchsetzen.

Zudem wird die nächste Regierung – wer immer sie übernimmt – von den Arbeitern bei Boeing, dem größten amerikanischen Exporteur und bedeutenden Rüstungskonzern, „Opfer“ im Namen des angeblichen „nationalen Interesses“ fordern. Aus der Arbeiterklasse sollen Billionen Dollar herausgepresst werden, die für den Krieg vorgesehen sind.

Die Arbeiter bei Boeing müssen den Kampf für Arbeiterkontrolle fortsetzen und das Boeing Workers Rank-and-File Committee als Organisationszentrum einer Rebellion gegen die verräterischen Bürokraten, das Management und die beiden Kriegsparteien der Wall Street aufbauen.

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