Das Aktionskomitee der Boeing-Arbeiter (Boeing Workers Rank-and-File Committee, BWRFC) richtete am Sonntag eine öffentliche Versammlung aus, nachdem die Mechaniker von Boeing zum zweiten Mal einen von der Biden/Harris-Regierung vermittelten Ausverkaufsvertrag abgelehnt hatten.
An der Veranstaltung beteiligten sich 175 Arbeiter und Jugendliche aus verschiedenen Branchen. Unter anderem waren Autoarbeiter, Eisenbahner, Postbeschäftigte, Pflegekräfte und Busfahrer dem Aufruf des BWRFC gefolgt, die Isolation der Boeing-Mechaniker durch die IAM-Bürokratie zu durchbrechen und eine weltweite Bewegung der Arbeiterklasse zur Unterstützung der Boeing-Arbeiter aufzubauen.
Zusätzlich beteiligten sich Arbeiter aus Australien, Kanada, Deutschland, Großbritannien und Brasilien an der Veranstaltung, um ihre internationale Solidarität mit dem Kampf der Boeing-Arbeiter für bessere Löhne, mehr Zeit für ihre Familien, niedrigere Krankenkassenbeiträge und eine sichere und qualitativ hochwertige Rente zu bekunden.
Die Wall Street und das Weiße Haus verfolgen den mittlerweile seit sieben Wochen andauernden Streik aufmerksam. Innerhalb der herrschenden Klasse wächst die Befürchtung, der Streik könnte andere Teile der Arbeiterklasse aufrütteln und damit die Kriegspläne des US-Imperialismus gegen den Iran, Russland und China gefährden.
WSWS-Autor Tom Hall sprach über diese Fragen und erklärte: „Die Abstimmung war vor allem ein Schlag für das wirtschaftliche und politische Establishment. Die Biden-Regierung hat diese Vereinbarung vermittelt und verließ sich darauf, dass die IAM den Streik beendet. Boeing ist ein wichtiges Rüstungsunternehmen, und während die Arbeiterklasse angegriffen wird, um die Profite der Wall Street zu verteidigen, führt der US-Imperialismus neue Kriege, um ausländische Märkte, Rohstoffe und Lieferketten zu erobern.“
Hall machte auch deutlich, dass Boeing nicht nachgeben wird. „Das Unternehmen hat bereits weltweit 17.000 Entlassungen angekündigt. Zweifellos sind unmittelbar nach dem Streik noch weitere Angriffe geplant. Das Unternehmen glaubt, damit durchzukommen, weil es von der Wall Street und der Regierung unterstützt wird.
Mit anderen Worten, der Streik eskaliert zu einem allgemeinen Konflikt zwischen der Arbeiterklasse und der Kapitalistenklasse, die davon lebt, die Arbeit der Arbeiter für Profit auszubeuten.“
Auf der Veranstaltung sprach ein Boeing-Arbeiter, der auch Mitglied des BWRFC ist und sich zur Geheimhaltung rund um die sogenannten Verhandlungen äußerte: „Niemand weiß wirklich, was mit dem Unternehmen verhandelt wird. Alles ist völlig ruhig, bis sie ein Angebot vorlegen.“
Er setzte hinzu: „Die Mehrheit von uns hält noch immer die Stellung. Es gibt definitiv viele, die die Rente wollen, aber davon sehen wir in dem Tarifvertrag nichts. Es ist möglich, sie zu bekommen. Es hängt jedoch davon ab, wie lange wir diesen Streik durchhalten können.“
Der Boeing-Arbeiter sprach auch über die Notwendigkeit einer internationalen Vereinigung der Arbeiter: „Hier in den USA arbeiten talentierte Leute, aber auch in Europa. Wenn die Unternehmen nach Europa oder Süd- oder Mittelamerika oder Asien oder irgendwo anders auf der Welt gehen wollen, machen sie daraus einen Unterbietungswettbewerb.
Wir Arbeiter müssen uns gegenseitig unterstützen, um unseren Lebensstandard zu verbessern. Die Unternehmen gehen in Niedriglohnländer, um zu versuchen, dass alle weniger bekommen und es uns schlecht geht, während die Vorstände ein gutes Leben haben. Aber wir können uns gegenseitig helfen, damit wir eine bessere medizinische Versorgung, bessere Renten und eine bessere Lebensqualität bekommen.“
Auf den Boeing-Arbeiter folgten viele Beiträge von Arbeitern aus aller Welt, die einen Grundsatz der Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees (IWA-RFC), dem das BWRFC angehört, zum Ausdruck brachten. Er lautet: die Kämpfe der Arbeiter auf der ganzen Welt miteinander zu verbinden. Wir werden in den kommenden Tagen längere Versionen dieser Redebeiträge veröffentlichen.
Daniel, ein Mitglied des Postal Workers Rank-and-File Committee (Canada), der in einer ländlichen Gegend für Canada Post arbeitet, erzählte vom Kampf gegen die Gewerkschaftsbürokratie in seiner Branche: „Canada Post beschäftigt etwa 55.000 Zusteller. Als unsere Tarifverträge Anfang 2022 – vor fast drei Jahren – auslaufen sollten, hat die Canadian Union of Postal Workers (CUPW) sie einseitig um zwei Jahre verlängert.
Und das war mitten in der Corona-Pandemie, als das Virus erstmals auf der Welt wütete. Jetzt, nachdem 96 Prozent der Mitglieder für den Streik gestimmt haben, behauptet die CUPW-Bürokratie, die Stimmen zählen nur, wenn der nationale Vorstand (National Executive Board) entscheidet, dass ein Streik ,notwendig ist, um unsere Forderungen durchzusetzen und Verschlechterungen durch den Arbeitgeber zu verhindern‘.
Tatsache ist aber, dass unsere Gewerkschaften Teil eines Dreierbündnisses mit der Regierung und dem Management sind. Die feigen Gewerkschaftsbürokraten, einschließlich der IAM und der CUPW, würden es niemals wagen, sich einem gesetzlichen Streikverbot zu widersetzen, weil dies die breite Mobilisierung der Arbeiter über Branchen und über geografische Grenzen hinweg erfordern würde, wie wir es jetzt gerade tun.“
Andy Niklaus, ein Busfahrer aus Deutschland, sprach darüber, dass Arbeiter die wirtschaftlichen Hebel der Gesellschaft kontrollieren müssen: „Ich möchte als erstes unsere uneingeschränkte Solidarität und Unterstützung für euren Streik ausdrücken. Wir sind sehr beeindruckt, dass ihr bereits zum zweiten Mal mit großer Mehrheit den miserablen Tarifvertrag abgelehnt habt, den die Bürokraten der International Association of Machinists (IAM) ausgearbeitet und unterschrieben haben. Wir stimmen mit euch überein, dass man nicht nachgeben darf. Wir müssen alle Angriffe auf Löhne, alle Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen und alle Rentenkürzungen zurückschlagen und alle Arbeitsplätze verteidigen.“ Er wies darauf hin, dass in der deutschen Autoindustrie mehr als 120.000 Arbeitsplätze in Gefahr sind.
„Wir Arbeiter sind es, die den ganzen gesellschaftlichen Reichtum produzieren. Unsere Rechte und die Bedürfnisse unserer Familien stehen höher, als die Profitinteressen der Konzernleitung, Investoren und Superreichen“, so Niklaus weiter. Deshalb hätten er und seine Kollegen das Aktionskomitee der Verkehrsbetriebe gegründet und würden bei den anstehenden Personalratswahlen der BVG in Berlin kandidieren. Man brauche „neue Kampfstrukturen, die es uns ermöglichen den Widerstand gegen Entlassungen und Sozialabbau mit dem Kampf gegen Krieg und Völkermord zu verbinden.“
Der Vizepräsidentschaftskandidat der Socialist Equality Party, Jerry White, war ebenfalls als Redner eingeladen und erklärte: „Der Klassenkampf entwickelt sich in einem bestimmten politischen Kontext – weniger als zwei Wochen vor den krisenhaftesten Wahlen in der Geschichte der USA. Innerhalb der amerikanischen herrschenden Klasse und ihrer politischen Vertreter gibt es einen langwierigen Konflikt über die Formen der Herrschaft, die für zwei grundlegende Fragen notwendig sind.
Erstens, um alle Ressourcen Amerikas und der kapitalistischen Länder auf der ganzen Welt für den Krieg zu mobilisieren. Dieser Krieg eskaliert, wie wir diese Woche mit Israels Angriff auf den Iran, die Ausweitung des US-Nato-Stellvertreterkriegs gegen Russland und den immer umfassenderen Konflikt mit China gesehen haben.
Eine logische Folge der Kriege im Ausland ist der Krieg gegen die Arbeiterklasse in den USA und in allen Ländern, um die Arbeiter zu zwingen, für diese Kriege zu bezahlen. Mit dem Leben ihrer Söhne und Töchter und mit einem massiven Angriff auf die Reste des Sozialsystems und der sozialen Rechte der Arbeiterklasse.
Es gibt zwar einen absolut erbitterten Konflikt zwischen den Demokraten und den Republikanern, dem Faschisten Trump und der Kriegstreiberin Harris, doch dabei geht es im Wesentlichen nur um taktische Fragen. Wenn es um Krieg im Ausland und im Inland geht, sind sie sich absolut einig.
Trump will eine faschistische Bewegung aufbauen und nutzt dabei die ernste wirtschaftliche Notlage und die endlosen heuchlerischen Lügen aus, dass die Demokraten sich um die Bedürfnisse der arbeitenden Bevölkerung kümmern würden. Gleichzeitig versucht er, auf der Grundlage der großen Lüge Gewalt gegen Immigranten anzustacheln, indem er behauptet, die Ursache der wirtschaftlichen Probleme, der hohen Wohnkosten und der überfüllten Schulen sei nicht die Kapitalistenklasse, sondern die sogenannten illegalen Einwanderer.“
Harris und die Demokraten, erklärte White, benutzen die Gewerkschaftsbürokratie, um den Widerstand der Arbeiterklasse gegen die Forderungen, man müsse Opfer bringen für den totalen Krieg, zu unterdrücken.
„Der Aufbau der IWA-RFC ist von entscheidender Bedeutung – das tun, was wir heute getan haben, aber in viel größerem Maßstab. Wir müssen daran arbeiten, die Kommunikation, Zusammenarbeit und Koordination des Widerstands der Arbeiter über alle Grenzen hinweg zu kombinieren. Die entscheidende Aufgabe ist vor allem der Aufbau einer politisch bewussten Bewegung der Arbeiterklasse, ihrer eigenen sozialistischen und internationalen Partei.
Die Arbeiterklasse muss die Zügel der politischen Macht selbst in die Hand nehmen, die Ausbeuter enteignen, die unrechtmäßig erworbenen Gewinne der kapitalistischen Finanzoligarchie beschlagnahmen und Riesenkonzerne wie Boeing in öffentliches Eigentum umwandeln, in dem die Arbeiter die Produktion demokratisch kontrollieren, auf der Grundlage der menschlichen Bedürfnisse und nicht des privaten Profits. Auf diese Weise kann der gesamte Reichtum der Gesellschaft eingesetzt werden, um den Lebensstandard aller arbeitenden Menschen deutlich zu verbessern und die Ungleichheit zu beenden, und nicht für den Dritten Weltkrieg und das Massaker von Arbeitern an Arbeitern. Das ist das Programm der Socialist Equality Party.“