Am vergangenen Donnerstag, den 24. Oktober, haben griechische Hafenarbeiter das Ministerium für maritime Angelegenheiten gestürmt, um für bessere Löhne und Arbeitsbedingungen zu kämpfen. Zuvor hatten Hafenarbeiter im Hafen von Piräus die Verladung von 21 Tonnen Munition auf ein Schiff nach Haifa blockiert, die Israel für seinen Völkermord an den Palästinensern einsetzen wollte.
Der Kampf der Hafenarbeiter ist Teil einer breiteren Bewegung, die sich zum Generalstreik gegen die Regierung von Kiriakos Mitsotakis von der Nea Dimokratia (ND) entwickelt.
In der Streikwelle von tausenden Arbeitern in unterschiedlichen Branchen im Oktober äußerte sich die Wut von Millionen über stagnierende Löhne und Angriffe auf die Arbeitsbedingungen angesichts einer Krise der Lebenshaltungskosten, die sich immer mehr zuspitzt. Der längste Streik war derjenige der Seeleute, die vom 22. bis zum 25. Oktober vier Tage lang streikten. Er brachte den gesamten Schiffs-, Fähr- und Kreuzfahrtverkehr zum Erliegen.
Sie forderten u.a. eine Lohnerhöhung und die Rücknahme von Gesetzen, die es Passagierschiffen erlauben, die jährliche Arbeitszeit von Seeleuten auf vier Monate zu verkürzen, wodurch sie faktisch zu Saisonarbeitern werden.
Die Hafenarbeiter des Containerterminals von Piräus (PCT) besetzten am 24. Oktober das Ministerium für maritime Angelegenheiten im Rahmen eines 48-stündigen Streiks für höhere Löhne und Verbesserungen der Gesundheitsversorgung und der Sicherheitsbedingungen.
Die Arbeitsbedingungen im Containerterminal von Piräus, einer Tochtergesellschaft des chinesischen Staatsunternehmens COSCO Shipping Ports Limited, sind so schlecht, dass es ständig zu Unfällen kommt. Erst vor drei Wochen, am 5. Oktober, stürzte in dem Terminal ein Stapel von Frachtcontainern in sich zusammen, was leicht zu Todesopfern hätte führen können.
Ein Beispiel ist der Tod des 45-jährigen Dimitris Dagklis, der in Piräus am 25. Oktober 2021 von einem Kran zerquetscht worden war. Letzten Freitag fand zum Jahrestag des Vorfalls eine Gedenkveranstaltung im PCT statt, an der sich streikende Arbeiter und Angehörige beteiligten.
Am 23. Oktober legten auch die Lehrkräfte der öffentlichen Schulen die Arbeit nieder und forderten höhere Gehälter, die Wiedereinführung der Entgeltgruppen von 2016–2017 und mehr Personal. Sie forderten außerdem die Gleichstellung von fest angestellten und Vertretungslehrern sowie neun Monate Elternzeit für Vertretungslehrer. Mit ihrem Streik widersetzten sie sich einem Gerichtsentscheid zu Gunsten der Regierung, mit dem die Arbeitsniederlegung für illegal erklärt wurde.
Im Verlauf des Tages demonstrierten in Athen Tausende von Lehrkräften.
Am 24. Oktober streikte das Reinigungspersonal der Schulen für 48 Stunden und forderte mehr Personal, dauerhafte Vollzeitstellen für Gewerkschaftsmitglieder statt der befristeten Verträge, ein Tarifabkommen, Anerkennung als Fachkräfte und die Zertifizierung von Reinigungs- und Desinfektionsprodukten sowie fristgerechte Bezahlung.
Die Missachtung des Urteils durch die Lehrkräfte war wichtig, weil zuvor, am 10. Oktober, ein Gericht den landesweiten Streik der Eisenbahner für illegal erklärt hatte. 18 Monate nach dem Zugunglück von Tempi, dem tödlichsten in der Geschichte Griechenlands, fordern die Eisenbahner noch immer grundlegende Sicherheitsmaßnahmen im Bahnnetz. Die Eisenbahnergewerkschaft gab jedoch nach und akzeptierte das Streikverbot, das aufgrund einer Klage von Hellenic Train verhängt worden war. Hellenic Train hatte behauptet, die Forderungen hätten nichts mit ihnen zu tun, sondern beträfen ausschließlich die Infrastruktur der Gesellschaft Hellenic Railways Organization.
Auch in der Lebensmittel- und Tourismusbranche fanden ein 24-stündiger Streik und mehrere Protestveranstaltungen vor dem Arbeitsministerium und den Büros der Hoteliersvereinigung statt. Von der Aktion der Mitglieder des Panhellenischen Verbands der Beschäftigten der Lebensmittel- und Tourismusbranche waren die großen Hotelbetriebe betroffen. Die Arbeiter wehren sich damit gegen Forderungen der Arbeitgeber nach einem 10-Stundentag im Rahmen eines neuen Tarifvertrags.
Am 17. Oktober streikten die Ärzte 24 Stunden lang für eine ganze Reihe von Forderungen und aus Protest gegen die Kommerzialisierung und Privatisierung des öffentlichen Gesundheitssystems. Nachdem sie vom Mavili-Platz aufgebrochen und am Parlament am Syntagma-Platz vorbeigezogen waren, hängten sie am Gesundheitsministerium ein Transparent mit der Aufschrift auf: „Wir fordern Gehaltserhöhungen, Masseneinstellungen und die Festanstellung von Zeitarbeitskräften.“
Das Gesundheitswesen ist durch Sparmaßnahmen dezimiert worden, wobei die Ausgaben zwischen 2009 und 2017 um über 40 Prozent gekürzt wurden. Heute gibt es landesweit in den Krankenhäusern mindestens 45.000 nicht besetzte Stellen, und in vielen Gesundheitszentren ist kein durchgehender 24-stündiger Betrieb möglich. In der Streikerklärung heißt es dazu: „Viele Krankenhäuser in den Provinzen und auf den Inseln haben ihr Funktion in der Zweitversorgung verloren und sind in Ambulanzzentren umgewandelt worden, was eine große Gefahr für die Patienten darstellt.“
Am 31. Oktober und 1. November sollen Proteste der Feuerwehrleute stattfinden, am 31. Oktober außerdem Proteste der Anwälte für psychische Gesundheit. Die Beschäftigten von e-Delivery wollen am 1. und 2. November streiken und die Bauarbeiter am 6. November. Ebenfalls am 6. November will das Gesundheitspersonal auf Kreta streiken und in der Hauptstadt Heraklion eine Kundgebung abhalten.
Die jetzige verheerende Lage der Arbeiterklasse ist das direkte Ergebnis der endlosen Sparrunden während der letzten zehn Jahre, die die Europäische Union und der Internationale Währungsfonds (IWF) als Gegenleistung für Kredite gefordert haben, mit denen angeblich die Staatsschulden von 330,57 Milliarden Euro (Stand 2010) getilgt werden sollen. Beispielsweise laufen nahezu alle Forderungen der Lehrkräfte auf die Rücknahme von Maßnahmen hinaus, die während der ersten Runde des Sparmaßnahmen im Jahr 2010 umgesetzt worden sind.
Die Wirtschaft schrumpfte um 25 Prozent, was für ein europäisches Land in Friedenszeiten beispiellos ist. Laut Zahlen der OECD sind die Reallöhne zwischen 2007 und 2022 um ein Drittel gesunken, so dass die griechischen Arbeiter heute nach Bulgarien die ärmsten in der ganzen EU sind.
Die griechische Gewerkschaftsbürokratie trägt die direkte Verantwortung für diesen sozialen Alptraum. In den letzten 15 Jahren hat sie jeden Widerstand der Arbeiter erstickt.
Seit 2010 hat der griechische Gewerkschaftsbund der Privatwirtschaft (GSEE) und sein Pendant für den öffentlichen Dienst (ADEDY) Dutzende von Generalstreiks gegen die Angriffe auf den Lebensstandard und die Arbeitsbedingungen organisiert, die vom Parlament auf Geheiß der EU und des IWF durchgesetzt wurden. Allein zwischen Mai 2010 und Ende 2015 organisierte die GSEE 28 Generalstreiks (20 mit einer Dauer von 24 Stunden und vier mit einer Dauer von 48 Stunden).
Der Zweck all dieser Streiks bestand jedoch darin, sicherzustellen, dass die soziale Wut der Kontrolle der Gewerkschaftsverbände untergeordnet bleibt, während die arbeiterfeindlichen Maßnahmen durchgesetzt worden sind.
Erleichtert wurde dies durch die pseudolinke Partei Syriza (Koalition der radikalen Linken). Sie war im Januar 2015 mit einem Mandat gegen die Sparpläne an die Macht gekommen, verwarf dies aber schon nach wenigen Wochen. Nach dem Referendum im Juli 2015, bei dem eine eindeutige Mehrheit der Arbeiter ein drittes Sparpaket ablehnte, stimmten Syriza und ihr Junior-Koalitionspartner, die rechtsextremen Unabhängigen Griechen, rasch einem neuen Sparpaket mit der EU und dem IWF zu.
In den darauf folgenden vier Jahren setzte Syriza einen noch brutaleren Sparkurs durch als die vorherigen sozialdemokratischen und ND-geführten Regierungen.
Diese Verrätereien haben die konservative ND gestärkt. Sie hat Syriza 2019 erstmals besiegt und im letzten Jahr erneut die Wahl gewonnen. Die ND hat die Angriffe auf die Arbeiterklasse im September letzten Jahres mit einem Arbeitsmarktgesetz verschärft. Das Gesetz, das Angriffe auf das Streikrecht und die Einführung einer Sechstagewoche in der Industrie beinhaltete, ist in diesem Sommer in Kraft getreten.
Diese Angriffe haben der ND großes Lob von der globalen Finanzelite eingebracht. Die Kreditratingagentur Standard and Poor's aktualisierte im April ihre Prognose für Griechenland von „stabil“ auf „positiv“ und schrieb: „Die griechischen Behörden nehmen eine weitreichende Strukturreform in Angriff und wagen sich an seit langem bestehende Engpässe.“
Während für Arbeiter nie Geld vorhanden ist, steht es für Krieg und Militarismus unbegrenzt zur Verfügung. Griechenland wird als geopolitisch entscheidendes Nato-Mitglied dieses Jahr mehr als sieben Milliarden Euro (etwa drei Prozent seines BIP) für sein Militär ausgeben.
Da sich die GSEE und ADEDY der weit verbreiteten Unzufriedenheit unter Arbeitern bewusst sind, planen sie für den 20. November einmal mehr einen Generalstreik. Die Tatsache, dass bereits vor diesen Schritten der Gewerkschaftsbürokratie eine Streikwelle ausgebrochen ist, deutet jedoch auf den Beginn eines neuen Stadiums im Klassenkampf in Griechenland hin. Nach 15 Jahren von Angriffen auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen sind die Arbeiter offenbar entschlossen, eine Grenze zu ziehen.
Bittere Erfahrungen haben gezeigt, dass Militanz nicht ausreicht, solange die Arbeiter nicht aus der Zwangsjacke der Gewerkschaftsbürokratie ausbrechen. Die Führung der Panhellenischen Gewerkschaft der Seeleute (PNO) hat den Streik bereits beendet, obwohl keine einzige ihrer wichtigsten Forderungen erfüllt ist.
Die PNO hat sich mit einer lumpigen siebenprozentigen Lohnerhöhung über zwei Jahre begnügt: fünf Prozent im Jahr 2025 und zwei Prozent im Jahr 2026. Dies liegt deutlich unter ihrer ursprünglichen Forderung von zwölf Prozent für 2025. Gleichzeitig sollen alle arbeiterfeindlichen Gesetze in Kraft bleiben. Vor allem die zunehmende Militanz der Hafenarbeiter hat innerhalb der herrschenden Kreise Besorgnis ausgelöst. Die Wirtschaftsnachrichtenseite capital.gr spricht von „negativen Auswirkungen auf die Lieferketten“.
Genauso „besorgniserregend“ war die mutige Aktion der Hafenarbeiter in Piräus am 17. Oktober, bei der eine Waffenlieferung nach Israel aufgehalten wurde. Die Ladung befindet sich derzeit im Gewahrsam der Hafenbehörde, aber gegen Markos Bekris, den Führer der Gewerkschaft der Containerumschlagsarbeiter (ENEDEP), die die Aktion am PCT organisiert hat, läuft ein Strafverfahren.
Die stalinistische Kommunistische Partei Griechenlands (KKE) und ihre Gewerkschaft PAME konnten davon profitieren, dass die restliche Gewerkschaftsbürokratie und Syriza weitgehend diskreditiert sind.
Die PAME wettert in ihrer Erklärung zum Generalstreik am 20. November gegen die „Kompromisslerführung von GSEE und ADEDY“ und erklärt: „Sie waren all die Jahre die wichtigsten Verbündeten der Regierung, um deren gesamtes arbeiterfeindliches Programm zu verabschieden und umzusetzen.“
Doch während sich PAME mit militanter Rhetorik von der Gewerkschaftsbürokratie distanziert und sogar eigene Kundgebungen während des Generalstreiks abhält, ist die KKE ein integraler Bestandteil der Bürokratie. Bekris leitet nicht nur die ENEDEP und sitzt im Vorstand der PAME, sondern ist auch Mitglied des GSEE-Verwaltungsrats.
In einer Erklärung von Anfang Oktober lobte die ENEDEP die Beendigung des Hafenarbeiterstreiks in den USA durch die International Longshoremen´s Association (ILA) mit den Worten: „Die Hafenarbeiter an der US-Ostküste der USA haben uns den Weg vorwärts gezeigt.“ Sie behauptete betrügerischerweise, die Arbeiter hätten „durch ihren Kampf einen Tarifvertrag mit beträchtlichen Lohnerhöhungen und Gesundheits- und Sicherheitsmaßnahmen errungen“.
Der Streik wurde jedoch beendet, um sicherzustellen, dass die Waffen ungehindert für die Kriege des US-Imperialismus ausgeliefert werden können. Es wurde kein vollständiger Tarifvertrag unterzeichnet, sondern die Arbeiter wurden mit einer 90-tägigen Verlängerung des derzeitigen Tarifvertrags an die Arbeit zurückgeschickt. Die vereinbarten Erhöhungen sind nur vorläufig.
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