Aufruf des sozialistischen Automobilarbeiters Will Lehman an die Streikenden bei Boeing:

Bildet Aktionskomitees, um den Gewerkschaftsbürokraten der IAM die Kontrolle über euren Streik zu entreißen!

Am Sonntag, den 27. Oktober hielten das Aktionskomitee der Boeing Arbeiter (BWRFC) und die Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees (IWA-RFC) ein Online-Meeting ab, um in der Arbeiterklasse Unterstützung für den Boeing-Streik zu gewinnen. Diesen Aufruf machte Will Lehman, ein Sozialist und Mack Trucks-Arbeiter aus Macungie (Pennsylvania) vor dem Treffen. Lehman kandidierte für das Amt des Präsidenten der United Auto Workers im Jahr 2022 mit dem Ziel, die korrupte Gewerkschaftsbürokratie abzuschaffen – nicht zu reformieren – und die Macht auf die Belegschaft zu übertragen.

Will Lehman beim GM-Montagewerk in Flint

An meine Kolleginnen und Kollegen bei Boeing,

Ich beglückwünsche euch zu eurer Entscheidung vom vergangenen Mittwoch, den von der International Association of Machinists vorgelegten Ausverkaufsvertrag abzulehnen. Mit eurer Ablehnung habt ihr nicht nur für euch selbst, sondern für alle Arbeiter einen mutigen Standpunkt eingenommen.

Eure Forderungen, darunter Inflationsausgleich für die Löhne, die Wiederherstellung der Renten und der Schutz der Arbeitsplätze, finden bei den Automobilarbeitern großen Anklang. So wie Boeing Arbeitsplätze abbaut und Kürzungen vornimmt, um uns für eine Krise bezahlen zu lassen, die es selbst verursacht hat, entlässt die Autoindustrie zehntausende Arbeiter im Zuge der Umstellung auf Elektrofahrzeuge. Wie ihr kämpfen wir nicht nur gegen die Unternehmensleitung und ihre Aktionäre, sondern auch gegen die unternehmensfreundlichen Gewerkschaftsbürokraten und die beiden Parteien der Konzerne.

Ihr habt nun einen zweiten Ausverkaufsvertrag abgelehnt. Das zeigt, dass die IAM-Bürokraten euch absichtlich sabotieren. Kein noch so großer Druck wird sie davon überzeugen, mit etwas Besserem zurückzukommen. Der Vorsitzende des Bezirksverbands 751, Jon Holden, offensichtlich wütend und gedemütigt durch eure demokratische Entscheidung, gab am Donnerstagabend eine Erklärung ab, in der er die „Nein“-Wähler als „Tyrannen“ beschimpfte.

Die Funktionäre sind diejenigen, die versuchen, euch einzuschüchtern und niederzuringen. Sie haben euch mit einem mageren Streikgeld von 250 Dollar pro Woche ausgehungert. Sie organisieren nicht einmal mehr ernsthaft Streikpostenketten. Sie haben den Streik bei Textron Aviation abgebrochen, um euch zu isolieren.

Wenn ihr euren Streik gewinnen wollt, müsst ihr ihn selbst führen. Ihr könnt euren Kampf nur vorantreiben, wenn ihr eine Rebellion gegen die IAM-Bürokratie organisiert.

Ihr braucht von euch kontrollierte Aktionskomitees, um die Macht von den korrupten Funktionären, die mit der Unternehmensleitung unter einer Decke stecken, auf die 33.000 IAM-Mitglieder bei Boeing sowie auf die weltweite Belegschaft des Unternehmens zu übertragen.

Betriebliche Aktionskomitees geben den Arbeitern die Macht, ihren Willen von unten durchzusetzen, wenn die Gewerkschaftsbürokraten ihn zu missachten versuchen.

Dieses Aktionskomitee der Boeing-Arbeiter wurde bereits aufgebaut. Ich rufe euch auf, dem Aktionskomitee beizutreten und mit euren Kolleginnen und Kollegen zu sprechen, damit sie dasselbe tun. Wählt bei Streikpostenketten, bei Kundgebungen, Versammlungen und in Diskussionen in den sozialen Medien Arbeiter, die ihr kennt und denen ihr vertraut, um euch zu vertreten. Tretet dem Aktionskomitee der Boeing-Arbeiter (BWRFC) bei und baut es dadurch zu einer breiten, alternativen Führung auf. Gewerkschaftsfunktionäre müssen von euren Diskussionen und Versammlungen ausgeschlossen werden, um den Grundsatz der Arbeiterkontrolle durchzusetzen.

Das Boeing-Aktionskomitee kämpft für das, was nötig ist, um diesen Streik zu gewinnen. Es hat die Verdreifachung des Streikgeldes auf 750 Dollar pro Woche gefordert, wobei die 300 Millionen Dollar an Gewerkschaftsvermögen verwendet werden sollen, für die ihr mit euren Beiträgen gezahlt habt. Es fordert die Kontrolle der Basis über alle zukünftigen Verhandlungen, um einen dritten Ausverkaufsvertrag zu verhindern.

Die Tarifkommission, die diese Abschlüsse zustande gebracht hat, genießt nicht euer Vertrauen und muss zum Rücktritt gezwungen werden. An seiner Stelle muss eine neue Kommission gewählt werden, die sich ausschließlich aus Beschäftigten aus dem Betrieb zusammensetzt. Alle künftigen Gespräche müssen per Livestream übertragen werden, wobei alle Arbeiter das uneingeschränkte Recht haben, gegen Entscheidungen am Verhandlungstisch, die gegen ihr Mandat verstoßen, ihr Veto einzulegen.

Die Belegschaften sollten sich auch organisieren, um die Streikposten ausreichend zu besetzen und Delegationen zu anderen Betrieben zu organisieren, um Unterstützung zu mobilisieren.

Ihr müsst euch auf ein unvermeidliches Eingreifen der Regierung vorbereiten. Wenn die IAM euren Streik nicht beenden kann, wird die Regierung zu anderen Methoden greifen. Das ist die Lektion, die die Eisenbahner vor zwei Jahren gelernt haben, als der Kongress einen Streik verbot und einen von der Regierung unterstützten Vertrag durchsetzte, den die Beschäftigten abgelehnt hatten.

Die Regierung wird nicht zulassen, dass euer Streik die Produktion eines Rüstungsunternehmens zum Erliegen bringt, vor allem nicht nach den Luftangriffen gegen den Iran am Freitagabend, die den Beginn eines neuen großen und unpopulären Krieges im Nahen Osten markieren. Um dieser Gefahr zu begegnen, müsst ihr an die Unterstützung der Arbeiterklasse appellieren, sowohl in den USA als auch weltweit, um die Macht der Mehrheit, die den ganzen Reichtum schafft, der winzigen Minderheit von Kriegstreibern und herrschenden Oligarchen entgegenzusetzen.

Wir Automobilarbeiter wissen aus eigener Erfahrung, dass die einzig praktikable Strategie auf der Initiative und Organisation der Belegschaft beruht. Letztes Jahr riefen die United Auto Workers zu einem zahnlosen Streik auf, nur um einen Vertrag abzuschließen, der wiederum von der Regierung gebilligt wurde und der nun dazu benutzt wird, Tausende zu entlassen und Werke zu schließen. Der Gewerkschaftsvorsitzende Shawn Fain, ein hochrangiger Verbündeter Bidens, der als Pseudo-„Reformer“ installiert wurde, behauptet, er sei bereit, wegen Entlassungen zu streiken – irgendwann, irgendwo, vielleicht in einem oder zwei Ersatzteillagern. Es gibt niemanden mehr, der diese Lügen glaubt.

Im Jahr 2022 kandidierte ich für das Amt des UAW-Präsidenten, um meine Kolleginnen und Kollegen gegen die Gewerkschaftsbürokratie zu mobilisieren, die die UAW wie eine Diktatur führt. In einer per Livestream übertragenen Debatte mit Fain erklärte ich: „Ich habe nicht die Absicht, mit irgendeinem von euch zusammenzuarbeiten. Ich habe mich die ganze Zeit auf die Arbeiter in den Betrieben gestützt. Wir haben Aktionskomitees aus den Reihen der Belegschaft gebildet und die Entscheidungen selbst getroffen... Wir müssen die Gesellschaft neu organisieren, auf Grundlage der menschlichen Bedürfnisse, nicht auf dem System des privaten Profits, der Mauschelei mit den Unternehmen und dem, was die Unternehmen erlauben. Wir brauchen ein System, das für uns arbeitet.“

Aktionskomitees kämpfen für die Macht der Arbeiter nicht nur im Betrieb und in den Gewerkschaften, sondern in der Gesellschaft insgesamt. Das Aktionskomitee der Boeing-Arbeiter ist Teil des weltweiten Netzwerks, der Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees (IWA-RFC), das derzeit Kontakte herstellt, um eine gemeinsame, weltweite Strategie zu erarbeiten.

Viele Delegierte aus anderen Aktionskomitees werden an diesem Sonntag um 15:00 Uhr Ostküste/12:00 Uhr Pazifik an einem Online-Treffen teilnehmen, um eine solche Strategie für den Boeing-Streik zu diskutieren. Dies ist ein demokratisches Forum, in dem jeder das Recht hat, frei von Einschüchterungen und Schikanen durch die Gewerkschaftsbürokraten zu sprechen.

Ich rufe euch dringend dazu auf, an diesem Treffen teilzunehmen. Streikt, solange das Eisen noch heiß ist. Lasst uns eine starke Bewegung aufbauen, die Boeing, Wall Street und die Konzernparteien in die Knie zwingen kann. Wir Arbeiter sind die mächtigste Kraft auf der Erde, weil wir den gesamten Reichtum der Welt produzieren. Wir müssen nur lernen, wie wir diese Macht nutzen können.

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