Die von der Lokführergewerkschaft GDL gegründete Leihfirma Fair Train hat am 25. März Rainer Wendt zum neuen Aufsichtsratsvorsitzenden gewählt. Wendt tritt an die Stelle von Mario Reiß, der Claus Weselsky an der Spitze der GDL ablösen soll.
Wendt ist seit 2007 Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), die wie die GDL dem Deutschen Beamtenbund (DBB) angehört. Einen Namen hat er sich aber nicht als Gewerkschaftsführer gemacht, sondern als ultrarechter Law-and-Order-Politiker.
Es gibt wenig andere öffentliche Figuren, die derart häufig und nachdrücklich für die Aufrüstung des Staatsapparats, die Einschränkung demokratischer Rechte und eine rassistische Migrationspolitik eintreten, wie Rainer Wendt. Er ist zwar nicht Mitglied der AfD, sondern gehört seit den 1970er Jahren der CDU und, da er in München wohnt, seit den 1980er Jahren auch der CSU an. Doch mit seinen politischen Positionen wäre er in der AfD gut aufgehoben.
In zwei Büchern, „Deutschland wird abgehängt“ und „Deutschland in Gefahr“, zeichnet Wendt das Bild eines „schwachen“ Staats, der die Folge der Zuwanderung von hunderttausenden Flüchtlingen sei, „die unsere Kultur nicht kennen oder zutiefst verachten“.
Als Gegenmittel fordert er den Aufbau eines Polizeistaats. „Ein schwacher Staat kann die Menschen nicht schützen, die in seinen Grenzen leben. Und deshalb muss Schluss sein damit, Deutschland weiter zu schwächen. Denn unser Land ist längst nicht mehr sicher, deshalb brauchen wir einen starken Staat,“ schreibt er im Vorspann von „Deutschland in Gefahr“ (2016).
Wendt trug 2016 maßgeblich dazu bei, die Gräuelpropaganda über die „Kölner Silvesternacht“ in Umlauf zu bringen und gab rechtsradikalen Publikationen wie dem Compact-Magazin und der Jungen Freiheit Interviews. Er tritt für die hermetische Abschottung der Grenzen gegen Flüchtlinge, den Ausbau der Vorratsdatenspeicherung sowie die Verschärfung des Landfriedensbruch-Paragraphen ein und hat die flächendeckende Überwachung aller Bürger durch die amerikanische NSA verteidigt.
Er will die Polizei mit Gummigeschossen und Elektroimpulswaffen ausrüsten und diese rücksichtslos einsetzen. „Polizeiliche Einsatzmittel müssen Waffen sein, die weh tun, nur dann wirken sie“, sagte er, als er einen brutalen Polizeieinsatz gegen das umstrittene Bauprojekt Stuttgart21 verteidigte. 2016 bezichtigte er die Vorsitzende des Bundestags-Rechtsausschusses der „parlamentarischen Klugscheißerei“, weil sie die Erschießung eines 17-jährigen Amokläufers durch SEK-Polizisten kritisch hinterfragt hatte, und forderte sie auf, sich nicht in die Polizeiarbeit einzumischen.
In die Schlagzeilen geriet Wendt auch, als ihn die Frankfurter Goethe-Universität 2017 nach heftigen Protesten gegen seine rassistischen Standpunkte als Redner auslud. Zwei Jahre später verhinderte ein öffentlicher Proteststurm seine Berufung zum Staatssekretär im Innenministerium von Sachsen-Anhalt. Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) hatte ihm die Kontrolle über den gesamten Apparat der Sicherheitsbehörden anvertrauen wollen.
In jüngster Zeit hetzte Wendt gegen Demonstranten, die gegen den Genozid an den Palästinensern in Gaza protestieren. „Die radikalen Islamisten stellen die Machtfrage auf unseren Straßen, die müssen wir zu unseren Gunsten beantworten, sonst herrscht nicht mehr das Grundgesetz, sondern die Scharia,“ sagte er der Bild-Zeitung.
Warum wurde dieser rechtsextreme Hetzer an die Spitze von Fair Train berufen? Die Antwort auf diese Frage sagt viel über die Rolle von Fair Train und über den Charakter der GDL.
Die WSWS hat bereits im vergangenen Sommer Weselskys Behauptung widerlegt, die Gründung einer Genossenschaft, die Lokführer einstellt und an die Bahn ausleiht, werde deren Probleme lösen. „Das Gegenteil ist der Fall,“ schrieben wir. „Die Genossenschaft ist eine Falle, vor der sich jeder Lokführer hüten sollte. Sie kennzeichnet einen neuen Tiefpunkt der Verwandlung der Gewerkschaften in Handlanger der Konzerne und in Unternehmen, die selbst Arbeiter ausbeuten.“
Wendts Wahl zum Aufsichtsratsvorsitzenden von Fair Train bestätigt diese Warnung. Jeder, der die Geschichte der Arbeiterbewegung kennt, weiß, dass die Verteidigung sozialer Errungenschaften und die Verteidigung demokratischer Rechte untrennbar miteinander verbunden sind. Ein Polizeistaat richtet sich letzten Endes immer gegen die Arbeiterklasse. Er dient dazu, jede Form sozialer und politischer Opposition gegen die Vorherrschaft des Kapitals zu unterdrücken.
In unserem letzten Artikel über Fair Train hatten wir geschrieben, der Vorstoß der GDL laufe „praktisch darauf hinaus, die Bahnbelegschaft zu spalten und ihr ein Streikverbot aufzuerlegen. Die Ausgliederung in eine Zeitarbeitsfirma treibt einen Keil zwischen die Lokführer und die anderen Bahnbeschäftigten und untergräbt so jeden gemeinsamen Kampf.“
Mit der Wahl Wendts zum Aufsichtsratsvorsitzenden wird deutlicher, dass hier gezielt eine Streikbrecher-Organisation aufgebaut wird, um den anderen Bahn-Beschäftigten in den Rücken zu fallen, falls es zu Arbeitskämpfen kommt.
Claus Weselsky hat zwar lange das Image eines kampfbereiten Gewerkschafters gepflegt, indem er gegen das Bahn-Management polterte, ein- oder zweitägige Streiks organisierte und sich von den Medien zum Feindbild aufbauen ließ. Doch er weigerte sich stets, zum Vollstreik aufzurufen, sorgte dafür, dass sich die Streiks nicht auf andere Bereiche ausdehnten, und einigte sich schließlich auf Abschlüsse, die teilweise unter denen der EVG, der Hausgewerkschaft der Bahn, lagen.
Der jüngste Tarifvertrag war in dieser Hinsicht ein Dammbruch. Was Weselsky großspurig als Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich bezeichnet, ist in Wirklichkeit das Gegenteil: Reallohnsenkung und ein nach oben offener Arbeitszeitkorridor führen zu längeren Arbeitszeiten und schlechterer Bezahlung.
Weselsky arbeitet seit langem mit Wendt zusammen, den er als „Freund“ bezeichnet. Man kann davon ausgehen, dass die Initiative, den Law-and-Order-Mann an die Spitze von Fair Train zu stellen, von Weselsky ausging. Wendt ist, wie er selbst einräumt, kein Bahn- oder Lokführer-Experte – außer dass er manchmal mit der Bahn fährt und früher einmal eine BahnCard 100 besaß.
Die GDL geht denselben Weg wie alle Gewerkschaften. Durch die Vorherrschaft globaler Finanzinstitute und Konzerne der Möglichkeit beraubt, im nationalen Rahmen für einen sozialen Ausgleich zu sorgen, haben sie sich in Betriebspolizisten verwandelt. Während Vermögen und Aktienkurse steigen, sorgen sie für sinkende Löhne, Arbeitsplatzabbau und steigende Arbeitshetze. Sie stehen uneingeschränkt hinter der Kriegspolitik der Regierung und helfen ihr dabei, die Kosten von Aufrüstung und Krieg auf die Arbeiterklasse abzuwälzen.
Die Ernennung des ultrarechten Polizisten Rainer Wendt zum Kopf einer „Genossenschaft“, die von einer „Gewerkschaft“ gegründet wurde und Profit erwirtschaftet, indem sie ihre eigenen Mitglieder an die Bahn verleiht, ist symptomatisch für diesen Prozess.
Um den Würgegriff der Gewerkschaften zu brechen und Arbeitsplätze, Einkommen und soziale Rechte zu verteidigen, müssen unabhängige Aktionskomitee aufgebaut werden, in denen die Arbeiter selbst das Sagen haben. Die Vierte Internationale und die Sozialistischen Gleichheitsparteien haben die Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees ins Leben gerufen, um diesen Schritt zu erleichtern und international zu koordinieren.
Nehmt Kontakt mit dem Aktionskomitee Bahn auf. Meldet euch per Whatsapp unter +49-163-337 8340 und registriert euch über das unten stehende Formular.