Mit der plötzlichen Entlassung von Hunderten Leiharbeitern (supplemental workers) bei Stellantis in den USA beginnt eine neue Runde des Jobmassakers in der Automobilindustrie Amerikas und weltweit.
Ohne Vorwarnung wurden in der vergangenen Woche 539 Beschäftigte in der Metropolregion Detroit und in Kokomo im Bundesstaat Indiana entlassen und darüber informiert, dass ihre Versicherung zum Monatsende ausläuft. Ein Arbeiter des Getriebewerks in Kokomo berichtete, dass 100 Leiharbeiter am Dienstag entlassen wurden und am Mittwoch weitere Entlassungen folgen.
Die Autogewerkschaft UAW räumte in einem Schreiben vom 13. Januar an lokale Vertreter ein: „Es wird einen erheblichen Abbau von etwa 1.600 SEs („supplemental employees“) geben, der innerhalb der nächsten Monate, wenn nicht sogar in kürzerer Zeit, stattfinden wird.“
In Wirklichkeit hat die UAW dem Unternehmen grünes Licht gegeben, fast die Hälfte der fast 5.300 Leiharbeiter zu entlassen, die Stellantis vor der Unterzeichnung des neuen Tarifvertrags im November beschäftigt hatte. Hinzu kommen die 3.700 Entlassungen, die Ende letzten Jahres angekündigt wurden, sowie der Abbau Hunderter Stellen bei General Motors und Ford.
Die Massenentlassungen unterstreichen das Ausmaß des Verrats und Betrugs der UAW-Bürokratie, die im letzten Herbst Pseudostreiks organisiert und dann die Tarifverträge durchgesetzt hatte. Der Stellenabbau hat eine Welle des Widerstands seitens der Leiharbeiter ausgelöst, die der UAW vorwerfen, sie belogen zu haben. Sie rufen die Vollzeitbeschäftigten in den Autobetrieben auf, sich dem Kampf gegen die Massenentlassungen anzuschließen, weil sie die nächste Zielscheibe sein werden.
Doch die Arbeiter müssen den Kampf selbst in die Hand nehmen, wenn sie die Angriffe auf ihre Arbeitsplätze zurückschlagen wollen. Die Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees (International Workers Alliance of Rank-and-File Committees, IWA-RFC) ruft die Beschäftigten auf, in jedem Autowerk ein Aktionskomitee zu gründen, das unabhängig vom Gewerkschaftsapparat ist und es ermöglicht, Informationen auszutauschen, gemeinsame Aktionen zu koordinieren und Streiks und andere Arbeitskämpfe vorzubereiten, um den Stellenabbau zu stoppen.
Die Arbeiter müssen den alten Slogan wiederbeleben: „Ein Angriff auf einen ist ein Angriff auf alle!“ Wenn wir die Entlassungen jetzt nicht verhindern, werden die Unternehmer viele weitere Arbeitsplätze vernichten und die verbleibenden Arbeiter terrorisieren. Soziales Elend, Obdachlosigkeit, Drogenabhängigkeit, Selbstmorde und andere soziale Übel werden die Folge sein.
Die angekündigten Kürzungen sind nur die Spitze des Eisbergs der größten Entlassungswelle in der Automobilindustrie seit 50 Jahren, die Hunderttausende Arbeitsplätze betrifft. Die Konzerne nutzen die Umstellung auf die Produktion von Elektroautos, um die Belegschaft ganzer Abteilungen abzubauen.
Als nächstes werden die Beschäftigten im Bereich Motoren- und Antriebsstrang entlassen und durch Batteriearbeiter ersetzt, die nur einen Bruchteil des Lohns erhalten. Die Einstiegslöhne bei dem GM-eigenen Batteriehersteller Ultium liegen nach dem neuen GM-Vertrag bei 75 Prozent des Tarifgehalts. Auch bei Syncreon, Borg Warner und anderen Unternehmen in der Zulieferindustrie kommt es bereits zu Entlassungen.
Die Entlassungen haben globale Ausmaße. Stellantis kündigte auch den Abbau von 2.250 Arbeitsplätzen bei Fiat und Maserati in Italien an. Ford schließt sein Werk in Saarlouis nach einem Bieterwettbewerb mit seinem Werk in Spanien. Die deutschen Teilehersteller Continental und Bosch haben in den letzten Wochen ebenfalls Entlassungen angekündigt. Studien gehen davon aus, dass die Umstellung auf Elektroautos allein in Europa zum Abbau von 500.000 Arbeitsplätzen genutzt werden wird.
Auch andere Branchen nutzen neue Technologien wie Automatisierung und künstliche Intelligenz, um umfangreiche Entlassungen vorzunehmen. Der Logistikkonzern UPS plant, den Einsatz von Robotern im Laufe des Jahres zu verdreifachen, und hat deshalb Hunderte Stellen in den Lagern abgebaut. Eine kürzlich durchgeführte Umfrage ergab, dass vier von zehn Unternehmenschefs in diesem Jahr Entlassungen planen, ähnlich viele gaben als Hauptgrund die Automatisierung an.
Die Arbeiterklasse muss auf dieses internationale Jobmassaker mit einer globalen Gegenoffensive zur Verteidigung ihrer Lebensgrundlagen reagieren. Die Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees ruft Autoarbeiter und Beschäftigte in der Logistik und anderen Branchen auf, sich in einer internationalen Massenbewegung zusammenzuschließen, um den Stellenabbau zu stoppen.
Die Rolle des Gewerkschaftsapparats
Eine Rebellion gegen die gesamte Gewerkschaftsbürokratie ist notwendig. Die neue UAW-Leitung unter Präsident Shawn Fain wurde in einem Manöver mithilfe der US-Regierung eingesetzt. Die Wahl war von Betrug überschattet. Mehr Arbeiter haben nie Stimmzettel erhalten, als tatsächlich gewählt haben. So konnte Fain mit verlogenen Phrasen die nächste Stufe des Angriffs auf die Arbeitsplätze vertuschen.
Bei den sogenannten „Stand-up“-Streiks in den drei größten US-Autokonzernen im letzten Herbst sorgte die UAW-Führung dafür, dass die überwiegende Mehrheit der Beschäftigten weiterarbeitete, um die Konzerngewinne zu erwirtschaften, während die Streikenden an den Streikposten standen. Der Streik wurde beendet, bevor die Arbeiter überhaupt abgestimmt hatten. Als die Gewerkschaft verkündete, die Beschäftigten hätten für die Tarifvereinbarung gestimmt, vermuteten viele Arbeiter Betrug.
Um die temporären Leiharbeiter zur Zustimmung zu bewegen, versprach die UAW damals, dass sie eine Vollzeitstelle erhalten. Doch nachdem sie für die Gewerkschaft ihren Zweck erfüllt haben, werden sie einfach beseitigt.
Gruppen wie Unite All Workers for Democracy und die Democratic Socialists of America, die Fain unterstützt haben, besetzen jetzt Spitzenpositionen in der Bürokratie und sind direkt dafür verantwortlich, dass die größten Entlassungen seit den 1980er Jahren durchgesetzt werden. Unterdessen wird Fain in der Wirtschaftspresse für seine Verdienste im Interesse der Oligarchen als „Labor Leader of the Year“ gefeiert.
Ähnliche Manöver haben auch die anderen Gewerkschaftsbürokratien durchgeführt, die durch jahrzehntelangen Verrat gebrandmarkt sind. Dies gilt etwa für die Gewerkschaft der Transportarbeiter Teamsters, deren Leitung unter Präsident Sean O’Brien dem UPS-Konzern hilft, die Entlassungen umzusetzen.
Die Aufgabe besteht nicht darin, den Gewerkschaftsapparat „unter Druck zu setzen“, damit er im Interesse der Arbeiter handelt. Diese Bürokratie muss gestürzt und durch Aktionskomitees ersetzt werden, die von den Arbeitern tatsächlich kontrolliert werden. Die Feindseligkeit der Gewerkschaftsbürokratie gegenüber den Arbeitern wird durch ihre sozialen Interessen bestimmt. Beim Übergang zur Produktion von Elektroautos sorgt sie sich lediglich darum, ob sie weiterhin genug Beitragsgelder der Arbeiter abschöpfen kann, um ihre sechsstelligen Gehälter und Luxusurlaube zu finanzieren.
Die Klassenpolitik der Massenentlassungen
Der konzernfreundliche Apparat der UAW setzt die Forderungen der herrschenden Klasse um, die vom gesamten politischen System und den Demokraten und Republikanern verteidigt werden.
Entlassungen sind offizielle Regierungspolitik. Die US-Zentralbank Federal Reserve hat die letzten zwei Jahre damit verbracht, die Zinssätze zu erhöhen – mit dem ausdrücklichen Ziel, den Stellenabbau zu verstärken, um so die Löhne zu drücken. Die Arbeitslosigkeit ist eine Waffe gegen die Forderungen der Arbeiter nach höheren Löhnen, die mit der Inflation Schritt halten. Die Regierung Biden hat diese Politik über die Gewerkschaftsbürokratie umgesetzt. Das ist es, was Biden meint, wenn er sich als „arbeitnehmerfreundlichsten Präsidenten in der amerikanischen Geschichte“ bezeichnet.
Das Ziel ist es, Ressourcen freizumachen, um die Gewinne des Finanzsystems zu steigern und die rasch eskalierenden Kriege in Europa und Asien zu finanzieren. Die Autoindustrie ist besonders wichtig bei den Kriegsvorbereitungen gegen China, das derzeit die Lieferketten für Elektrofahrzeuge dominiert, die Washington kontrollieren will.
Die Entlassungen zeigen auch die Bedeutung der Kampagne des sozialistischen Autoarbeiters Will Lehman, der für das Amt des UAW-Vorsitzenden kandidiert hatte. Er betonte, dass es notwendig ist, die Gewerkschaftsbürokratie zu zerschlagen, nicht zu reformieren. Lehman verband seinen Aufruf zu einer Rebellion von unten damit, den Arbeitern zu erklären, dass sie ein sozialistisches Programm brauchen und ihren Kampf gegen das kapitalistische System richten müssen.
Im Kapitalismus wurden technologische Fortschritte immer dazu genutzt, die Ausbeutung der Arbeiterklasse enorm zu steigern. Aber dieselbe Technologie, die die Arbeit einfacher und effizienter macht, könnte auch dazu genutzt werden, das Leben zu erleichtern, die Arbeitszeit ohne Lohneinbußen zu verkürzen und Ressourcen zur Beseitigung von Armut, Obdachlosigkeit und anderen sozialen Problemen freizusetzen.
Das grundlegende Problem ist, wer diese Technologien kontrolliert. Wird es der kapitalistischen Oligarchie erlaubt, Elektrofahrzeuge und Automatisierung zu nutzen, um sich auf Kosten der Arbeiterklasse zu bereichern, während sie sich kopfüber in den Krieg stürzt? Oder wird die Arbeiterklasse diese Technologien nutzen, um die Bedürfnisse der Gesellschaft zu erfüllen, anstatt den privaten Profit zu steigern?
Die Arbeiter müssen jetzt damit beginnen, eine Gegenoffensive von unten zu entwickeln. Sie haben jedes Recht, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um ihren Lebensunterhalt zu verteidigen, einschließlich Arbeitskämpfe. Das erfordert den Aufbau eines Netzwerks von Aktionskomitees in allen Betrieben, die unabhängig von und in Opposition zu der Gewerkschaftsbürokratie stehen.
Die Internationale Arbeiterallianz fordert:
- Sofortiger Stopp aller Entlassungen und Wiedereinstellung aller Betroffenen!
- Verkürzung des Arbeitstags bei gleichzeitiger Erhöhung der Löhne, um den geringeren Zeitaufwand für die Produktion von Elektrofahrzeugen zu berücksichtigen und die seit Jahrzehnten stagnierenden Löhne auszugleichen!
- Vereinigt euch über alle Grenzen hinweg im Kampf gegen das globale Arbeitsplatzmassaker!
- Enteignet die Autokonzerne und stellt sie unter demokratische Kontrolle der Arbeiter!
Baut in eurem Werk ein Aktionskomitee auf, um diesen Kampf zu führen. Tragt euch in das unten stehende Formular ein, um die WSWS zu kontaktieren und mit anderen Aktionskomitees in der Automobilindustrie und darüber hinaus in Kontakt zu treten.