Der Arbeitsplatzabbau in der Autozulieferindustrie und die Rolle der IG Metall

Seit Monaten vergeht keine Woche, in der die Autozulieferindustrie nicht hunderte Entlassungen und die Stilllegung ganzer Werke ankündigt. Oft sind strukturschwache Regionen betroffen, in denen kaum ein neuer Arbeitsplatz zu finden ist.

Die Belegschaft von Continental in Karben kämpft gegen die Schließung ihres Werks, April 2021

Hier einige der jüngsten Fälle:

  • Continental wird sein Werk in Gifhorn (Niedersachsen) bis Ende 2027 schließen. Von der Schließung sind 900 Beschäftigte betroffen.
  • ZF Friedrichshafen schließt die Stoßdämpferfabrik in Eitorf (NRW) mit 700 Beschäftigten, das Getriebewerk in Brandenburg mit 1500 Arbeitsplätzen ist akut bedroht. Auch an ZF-Standorten im Saarland, Niedersachsen und Bayern sind Arbeitsplätze gefährdet.
  • Schaeffler baut im Komponentenwerk für Verbrennermotoren im bayrischen Ingolstadt 100 von 500 Arbeitsplätzen ab. Weltweit will Schaeffler in den nächsten Monaten 1300 von rund 80.000 Stellen vernichten.
  • Marelli schließt im März 2024 das Werk im thüringischen Brotterode, in dem 900 Beschäftigte Autoscheinwerfer fertigen.
  • Fehrer legt bis Ende 2024 seine zwei fränkischen Werke in Großlangheim und Wiesentheid mit zusammen 370 Beschäftigten still, die Komponenten und Verkleidungen für das Fahrzeuginnere produzieren.
  • Otto Fuchs plant im Sauerland (NRW) den Abbau von 500 bis 600 der knapp 3000 Arbeitsplätze seiner Automobilsparte.
  • · Magna will die Rückspiegelproduktion im bayrischen Dorfprozelten schrittweise schließen: Von 450 Mitarbeitern werden vorerst noch 250 bis 2027 weiterbeschäftigt. Der Konzern hatte schon Ende 2022 sein Werk in Bad Windsheim (ebenfalls Bayern) stillgelegt.
  • Lear stößt seine Licht- und Audio-Sparte ab und will im fränkischen Kronach 380 Stellen vernichten. In Baden-Württemberg, Bremen und im thüringischen Eisenach bangen weitere Hunderte Beschäftigte, die Autositze fertigen, um ihren Arbeitsplatz. Das Lear-Werk im hessischen Ginsheim-Gustavsburg, wo 250 Beschäftigte Autositze für Opel-Rüsselsheim produzierten, ist bereits zu.
  • Weitere Autozulieferer, die in den kommenden Monaten Arbeitsplätze streichen wollen, sind Stabilus in Koblenz und Joyson, Recall und Waldaschaff in der bayrischen Obermainregion.

Dieser Entlassungswelle hält seit langem an. Zwischen 2018 und 2022 ist die Zahl der Beschäftigten in der deutschen Autozulieferindustrie von 311.000 auf 274.000 gesunken, ein Verlust von 37.000 Arbeitsplätzen

In vielen Fällen haben die Betroffenen um ihre Arbeitsplätze gekämpft. So im hessischen Karben, wo Continental vor zwei Jahren ein Werk mit über tausend Arbeitsplätzen schloss, oder bei Marelli in Brotterode, wo sie mit unbefristetem Streik drohten. Doch stets standen sie dabei nicht nur rücksichtslosen Managern gegenüber, sondern auch der IG Metall und ihren betrieblichen Funktionären.

Die IG Metall verfügt in der Auto- und in der Zulieferindustrie über eine enorme Macht. Viele ihrer 2,17 Millionen Mitglieder arbeiten in diesem Bereich. IGM-Funktionäre und -Betriebsräte sitzen in den Aufsichtsräten aller großen Auto- und Zulieferkonzerne und sind bundesweit – und auch international – eng vernetzt. Doch sie nutzen diese Macht nicht, um die Arbeitsplätze zu verteidigen, sondern um die Verteidigung der Arbeitsplätze zu sabotieren.

Brennt es vor Ort, organisieren sie gelegentlich Proteste und drohen sogar mit „Kampf“, um die Kontrolle über den Widerstand nicht zu verlieren. Doch den Worten folgen nie Taten. Sie isolieren den Protest, weigern sich, in anderen Werken des Konzerns oder der Branche Unterstützung zu mobilisieren, und verkaufen die Arbeitsplätze schließlich gegen einen „Sozialtarifvertrag“ oder das Versprechen, die Stilllegung um einige Monate hinauszuzögern.

Ohne diese Rolle der IG Metall zu verstehen, kann kein einziger Arbeitsplatz verteidigt werden. Der Kampf gegen Lohn-, Sozial- und Stellenabbau erfordert einen Bruch mit den gewerkschaftlichen Apparaten und den Aufbau unabhängiger Aktionskomitees. In diesem Zusammenhang lohnt es sich, einen genaueren Blick auf die Auto- und die Zulieferindustrie zu werfen. Kaum irgendwo sonst ist der Bankrott der „Sozialpartnerschaft“ und die Verwandlung der Gewerkschaften in eine Hilfspolizei und Co-Manager der Konzerne so augenscheinlich.

Globaler Kampf um Marktanteile und Profite

Die Automobilbranche ist der bedeutendste Industriezweig in Deutschland. 2021 setzte sie 411 Milliarden Euro um und beschäftigte direkt 786.000 Personen. Drei Viertel des Umsatzes entfielen auf die Fahrzeughersteller, ein Fünftel (80 Milliarden) auf die Zulieferindustrie. Zählt man Autohandel, Ersatzteilhandel und andere sekundären Bereiche hinzu, sind 2,2 Millionen und damit sieben Prozent aller sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze direkt von der Autobranche abhängig.

Die Autoindustrie wird aber auch wie kaum eine andere von global operierenden Konzernen beherrscht. Die Lieferketten erstrecken sich über zahlreiche Landesgrenzen. Während einfachere Arbeitsgänge in Niedriglohnländer ausgelagert wurden, sind in Deutschland allein 140.000 Beschäftigte der Autobranche im Forschungsbereich tätig.

Ein Großteil der in Deutschland hergestellten Autos wird exportiert. Vor allem Luxusmodelle von Porsche, BMW, Mercedes und Audi spielen dabei eine wichtige Rolle. 2021 erzielten die deutschen Autounternehmen zwei Drittel ihres Umsatzes im Ausland. Außerdem unterhalten sie zahlreiche Werke in anderen europäischen Ländern, in China und in Nord- und Südamerika. 2022 wurden 3,5 Millionen Pkw in Deutschland selbst und 9,6 Millionen Pkw deutscher Konzernmarken im Ausland produziert.

In der Zulieferindustrie ist diese internationale Verflechtung noch ausgeprägter. Teils hochspezialisierte Unternehmen unterhalten Werke an hunderten Standorten in mehreren Dutzend Ländern. Bisher war Deutschland, gefolgt von Japan, in diesem Bereich Weltmarktführer.

Die Nummer eins, Bosch, erzielt mit 400.000 Beschäftigten in 60 Ländern einen Jahresumsatz von 45 Milliarden Euro. 140.000 davon arbeiten an 85 deutschen Standorten. Continental (Nummer drei auf der Weltrangliste) beschäftigt an 540 Standorten in 60 Ländern 241.000 Mitarbeiter, ZF Friedrichshafen (Nummer vier) an 230 Standorten in 40 Ländern 150.000. Schaeffler ist an 170 Standorten in 50 Ländern vertreten, beschäftigt 92.000 Mitarbeiter und ist gleichzeitig Großaktionär von Continental.

Hinzu kommen zahlreiche international tätige deutsche Zulieferer, deren Name einer breiteren Öffentlichkeit kaum bekannt ist: Brose (Coburg) mit 26.000 Beschäftigten an 63 Standorten in 23 Ländern; Fritz Dräxlmaier (Vilsbiburg) mit 75.000 Beschäftigten an 60 Standorten in 20 Ländern; LEONI (Nürnberg) mit 95.000 Beschäftigten in 32 Ländern; HELLA mit 39.000 Beschäftigten an 125 Standorten in 35 Ländern, und viele weitere mehr.

Diese Zulieferer stoßen ständig Werke und ganze Bereiche ab und kaufen neue hinzu, um das Ergebnis zu optimieren und auch noch den letzten Cent Profit aus der Arbeiterklasse herauszupressen. Teilweise sind sie auch in anderen Bereichen tätig, wie Bosch, das auch Haushaltsgeräte, Elektrowerkzeuge und anderes herstellt.

Wie die Autoindustrie insgesamt gerät auch die Zulieferindustrie zunehmend unter den Druck der internationalen Konkurrenz. 2002 befand sich nur ein asiatisches Unternehmen unter den zehn größten Zulieferern der Welt. 2012 waren es schon fünf aus Japan und Südkorea. Inzwischen belegt der chinesische Batteriehersteller CATL hinter Bosch den zweiten Platz.

Der globale Kampf um Marktanteile und Profite wurde zusätzlich verschärft durch die Folgen der Coronapandemie und des Ukrainekriegs, die zu Engpässen bei den Lieferketten, steigenden Energiepreisen, Chip-Mangel und schweren Absatzeinbußen geführt haben. Hinzu kommt die Umstellung auf Elektromobilität, die hohe Investitionskosten erfordert und viele aufwändige Technologien, bei denen deutsche Unternehmen führend waren, entwertet.

Mittlerweile schlagen die deutschen Konzerne Alarm. Letzten Donnerstag veröffentlichte die Unternehmensberatung PwC eine Studie, laut der die deutschen Autozulieferer seit 2019 einen Weltmarktanteil von 2,7 Prozentpunkten eingebüßt haben – „so viel, wie sie zuvor in 20 Jahren mühsam hinzugewinnen konnten“ –, und auch bei der Gewinnmarge auf dem letzten Platz liegen. „Die Wettbewerbsfähigkeit ist in akuter Gefahr – und es ist bereits etwas ins Rutschen geraten.“

Der Kampf um globale Marktanteile und Profite wird rücksichtslos auf dem Rücken der Arbeiterklasse ausgetragen. Die Löhne werden gesenkt, die Ausbeutung erhöht, die Arbeitshetze gesteigert und Werksteile und ganze Betriebe, die keine Spitzenrendite erzielen, stillgelegt. Dabei verschmelzen Konzerne, Regierungen und Gewerkschaften zu einem einheitlichen Ganzen. Sie greifen immer offener zu Handelskriegsmaßnahmen und nackter Gewalt, um sich den Zugang zu Rohstoffen, Marktanteilen und billigen Arbeitskräften zu verschaffen und Rivalen in die Knie zu zwingen.

So gilt der Inflation Reduction Act, mit dem US-Präsident Biden US-Konzerne unter dem Vorwand des Klimaschutzes und der Energiesicherheit mit 430 Milliarden Dollar subventioniert, in Europa als Protektionsmaßnahme, die europäische Unternehmen benachteiligt.

Die Europäische Union und die deutsche Regierung schlagen mit gleicher Waffe zurück. So erhält allein der Elektronikgigant Intel staatliche Subventionen in Höhe von 10 Milliarden Euro, damit er in Magdeburg eine Chip-Fabrik baut. Weitere 10 Milliarden sind für zwei Chipfabriken in Dresden vorgesehen. Und das unter Bedingungen, unter denen sich die Bundesregierung seit Wochen streitet, weil sich angeblich wenige Milliarden zur Minderung der Kinderarmut nicht auftreiben lassen!

Gegen China haben die USA aggressive Sanktionsmaßnahmen ergriffen, die das Land von wegweisenden Technologien abschneiden und so seinen wirtschaftlichen Aufstieg bremsen sollen. So hat die US-Regierung durchgesetzt, dass Mikrochips der jüngsten Generation und Maschinen zu ihrer Herstellung nicht mehr nach China geliefert werden dürfen. Europa hat sich dieser Maßnahme angeschlossen.

Der Kampf um Rohstoffe, Märkte und Profit wird aber nicht nur mit wirtschaftlichen, sondern auch mit militärischen Waffen ausgetragen. Ging es bei den Kriegen der USA und ihrer europäischen Verbündeten im Nahen Osten während der letzten drei Jahrzehnte noch vorwiegend um Öl, stehen nun strategische Rohstoffe wie Lithium und seltene Erden im Zentrum imperialistischer Begierden.

Das ist der Grund, weshalb die Nato den Ukrainekrieg rücksichtslos anheizt und zig Milliarden investiert, um Russland militärisch zu besiegen. Sowohl Russland wie die Ukraine selbst verfügen über große Mengen dieser strategischen Rohstoffe. Außerdem soll die Atommacht Russland als potentieller Verbündeter Chinas ausgeschaltet werden, das sowohl von den USA von der EU offiziell zum „strategischen Rivalen“ erklärt wurde.

Die Entwicklung in der Auto- und Zulieferindustrie zeigt wie in einem Brennglas die ganze Irrationalität des kapitalistischen Systems, die bereits Marx in seinem Hauptwerk „Das Kapital“ aufgedeckt hatte.

Der gewaltige technologische Fortschritt auf dem Gebiet der Informationstechnologie und der erneuerbaren Energien, die in der Autoindustrie eine wichtige Rolle spielen, dient nicht dazu, die Arbeit zu erleichtern und gesellschaftliche Probleme wie die Klimakrise zu lösen, sondern die Profite milliardenschwerer Konzerne zu steigern und das Leben der Arbeiterklasse unerträglich zu machen. Statt zum gesellschaftlichen Fortschritt führen die technologischen Neuerungen zum gesellschaftlichen Rückschritt und zum Krieg, der die Fortexistenz der Menschheit bedroht.

Die Verwandlung der Gewerkschaften

Die Gewerkschaften stellen sich dieser Entwicklung nicht entgegen, sondern zählen zu ihren treibenden Kräften. Ihre Verwandlung aus reformistischen Arbeiterorganisationen in Co-Manager und Handlanger der Konzerne hat vor vier Jahrzehnten mit der Globalisierung der Produktion begonnen.

Während des Wirtschaftsaufschwungs der Nachkriegszeit, als sich der Produktionsprozess noch stärker auf den nationalen Rahmen konzentrierte, hatten sie die Strategie verfolgt, für ihre Mitglieder einen „fairen“ Anteil am Wachstum herauszuholen. Oft sprachen sie von einem „Kuchen“, den es aufzuteilen gelte, und manchmal organisierten sie unter dem Druck ihrer Mitglieder sogar Streiks, um ein größeres Stück vom Kuchen zu bekommen.

Die Globalisierung der Produktion, die in den 1980er Jahren einsetzte, schlug ihnen diese Möglichkeit aus der Hand. Die Liberalisierung von Handel und Finanzmärkten unter den Regierungen von Ronald Reagan, Margaret Thatcher und Helmut Kohl, die Verbilligung des Transports und die Verbesserung der globalen Kommunikation versetzte die Konzerne in die Lage, die Produktion in Länder zu verlagern, in denen die Löhne billig, die Steuern niedrig und die Infrastruktur optimal war.

Die Gewerkschaften reagierten darauf, indem sie sich in Büttel der Konzerne verwandelten. Obwohl der „Kuchen“ heute wesentlich ungerechter verteilt ist als vor vierzig Jahren – ein Dax-Manager verdient 70 statt 15 Mal so viel wie ein durchschnittlicher Arbeiter und große Konzerne erzielen Quartalsgewinnen in zweistelliger Milliardenhöhe –, leugnen die Gewerkschaften jeden Interessengegensatz zwischen Arbeitern und Kapital.

Sie haben sich der neoliberalen Theorie verschrieben, dass es den Arbeitern umso besser geht, je üppiger die Profite sprudeln. Statt um die Aufteilung des nationalen „Kuchens“ zwischen Arbeit und Kapital kämpfen sie nun um einen größeren Anteil deutscher Konzerne am Weltmarkt. Sie setzen sich für die Konkurrenzfähigkeit des „Industriestandorts Deutschland“ ein – auch wenn dies für ihre Mitglieder Entlassungen, niedrigere Löhne und mehr Arbeitshetze bedeutet.

Sie tun dies, weil sie selbst daran verdienen. Ein Gewerkschaftsfunktionär oder ein freigestellter Betriebsrat verdient wesentlich mehr als ein Bandarbeiter. Insbesondere in der Metall- und Stahlindustrie werden Gewerkschaftssekretäre und Betriebsratsvorsitzende am Ende ihrer Karriere nicht selten mit Vorstandsposten belohnt, die ihnen ein Millionengehalt und eine fette Rente einbringen.

Diese Verwandlung der Gewerkschaften beschränkt sich nicht auf Deutschland, sondern hat auf der ganzen Welt stattgefunden. Aber in Deutschland mit seiner gesetzlich verankerten Mitbestimmung nimmt sie besonders ausgeprägte Formen an. Die Gewerkschaften verfügen über ein Heer von Vertrauensleuten in den Betrieben und über Tausende freigestellte, von den Unternehmen bezahlte Betriebsräte. Sie sitzen in den Aufsichtsräten der großen Konzerne und verfügen mit der Hans-Böckler-Stiftung über eine Einrichtung, die mit 220 vollamtlichen Mitarbeitern und einem Jahresbudget von 80 Millionen Euro Wirtschaftsforschung betreibt und Betriebsräte und Gewerkschaftsfunktionäre schult.

Die IG Metall mit mehr als zwei Millionen Mitgliedern bezeichnet sich nicht nur als größte Gewerkschaft der Welt, ihr Vorsitzender Jörg Hofmann ist auch stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats von Volkswagen, des größten Autokonzerns der Welt, und Mitglied des Aufsichtsrats von Bosch, des weltgrößten Zulieferers. Außerdem geht er im Kanzleramt ein und aus und spielt eine führende Rolle bei den regelmäßigen Treffen von Regierung, Gewerkschaften und Unternehmerverbänden.

Die Zuliefererkonferenz der IG Metall

Die IG Metall führt in Zusammenarbeit mit der Hans-Böckler-Stiftung jedes Jahr eine Zuliefererkonferenz durch, auf der Betriebsräte und Gewerkschaftsfunktionäre auf ihre Rolle als Co-Manager eingeschworen werden. Aufgeschreckt durch die Entlassungswelle in der Zulieferindustrie verabschiedete die diesjährige Konferenz, die am 29. März unter Beteiligung von Jörg Hofmann im Maritim Airport Hotel in Hannover stattfand, eine „Hannoveraner Erklärung“.

Sie ist symptomatisch für die Verwandlung der Gewerkschaften in Handlanger der Unternehmen. Die IG Metall sagt den unersättlichen Konzernbossen und Finanzhaien, die die weltweiten Angriffe auf Autoarbeiter vorantreiben, nicht den Kampf an, sondern fleht sie an, beim „Transformationsprozess“ ihre Hilfe in Anspruch zu nehmen. Über weite Passagen liest sich die Erklärung wie das Papier einer Unternehmensberatung, die den Konzernen Ratschläge zur Optimierung ihrer Profite gibt.

„Wir beobachten mit Sorge,“ heißt es da, „dass Unternehmen sich nicht ihrer Verantwortung stellen, um mit uns gemeinsam die Zukunft auf Augenhöhe zu gestalten: Solche elementaren Veränderungsprozesse gelingen nur gemeinsam.“ Und: „Die Branche zukunftsfähig zu entwickeln und die Transformation sozial und ökologisch zu gestalten, sind zentrale Aufgaben von Politik, Unternehmen und Gewerkschaften gleichermaßen.“

Die Erklärung ruft die Unternehmen auf, bei der Neugestaltung des Produktportfolios im Zuge der Transformation gemeinsam mit den Betriebsräten „an neuen Geschäftsmodellen mit zukunftssicheren Produkten zu arbeiten“. Auf der Konferenz fanden Workshops statt, in denen Gewerkschaftssekretär Dr. Raphael Menez mit Betriebsräten die „Zukunftsfähigkeit ihres Standortes“ ermittelte. Menez, der im IGM-Bezirk Stuttgart das „Team Transformation“ leitet, kommentierte: „Ohne Strategie keine Zukunft. Deshalb müssen auch Betriebsräte strategische Ziele benennen.“

Die „Hannoveraner Erklärung“ ist von einem Nationalismus durchdrungen, hinter dem selbst die AfD verblasst. Obwohl die Mehrheit der Beschäftigten der betroffenen Konzerne außerhalb Deutschlands arbeitet und es in vielen dieser Konzerne internationale Betriebsräte gibt, die von der IG Metall dominiert werden, wird das Schicksal dieser Kolleginnen und Kollegen mit keiner Silbe erwähnt. An die Stelle der internationalen Solidarität, zu der die IG Metall in der Vergangenheit manchmal noch Lippenbekenntnisse ablegte, ist das Sankt-Florians-Prinzip getreten: „Verschon mein Haus, zünd andre an!“

„Ziel muss es sein, industrielle Wertschöpfung in Deutschland zu erhalten,“ heißt es in der Erklärung. „Der Strukturwandel der Automobil- und Zuliefererindustrie darf nicht zu Lasten der Beschäftigten am Standort Deutschland gehen.“

Und was ist mit den Beschäftigten an anderen Standorten? Geht es nach der IG Metall, so soll der „Strukturwandel“ zu ihren Lasten erfolgen.

Die IG Metall bietet den Unternehmen ihre Dienste auch an, um die Bundesregierung zu schärferen Handelskriegsmaßnahmen zu drängen und weitere Subventionsmilliarden locker zu machen. „Auch Deutschland und Europa müssen aktive und strategische Industriepolitik betreiben, damit Europa Leitmarkt für eine erfolgreiche Energie- und Mobilitätswende werden kann,“ heißt es in der „Hannoveraner Erklärung“ unter Bezugnahme auf Bidens Inflation Reduction Act.

Außerdem verlangt die IG Metall Unterstützung von der Bundesregierung beim Abbau weiterer Arbeitsplätze: „Es müssen auch arbeitsmarktpolitische Instrumente bereitgestellt werden, die den Transfer in andere Unternehmen erleichtern, wenn eine Weiterbeschäftigung im Betrieb nicht mehr möglich ist.“

Sozialistische Strategie

Es ist offensichtlich, dass mit einer Gewerkschaft, die den „Transformationsprozess“ in enger Zusammenarbeit mit den Konzernvorständen vorantreibt, keine Arbeitsplätze und sozialen Errungenschaften verteidigt werden können.

Der Arbeitsplatzabbau in der deutschen Auto- und Zulieferindustrie ist Bestandteil eines umfassenden Angriffs auf die internationale Arbeiterklasse, der durch die wachsenden Ausgaben für Aufrüstung und Krieg zusätzlich verschärft wird. Weltweit explodieren die Rüstungsausgaben. Gigantische Summen werden in die Erneuerung der Nukleararsenale, den Ausbau der Streitkräfte und die Finanzierung des Ukrainekriegs gesteckt.

Dieses Geld soll aus der Arbeiterklasse wieder herausgepresst werden. Die „Zeitenwende“, die Bundeskanzler Scholz verkündet hat, lässt sich nur durch die Senkung der Sozialausgaben und der Löhne finanzieren. Man sollte nicht vergessen, dass Hitler 1933 von den bürgerlichen Parteien an die Macht geholt und zur Errichtung einer Diktatur ermächtigt wurde, um die Arbeiterbewegung zu zerschlagen und die Wirtschaft auf Kriegsproduktion umzustellen.

Niemand sollte glauben, dass so etwas nicht wieder möglich sei. Viele große Auto- und Zulieferkonzerne befinden sich immer noch im Besitz von Familien – der Porsches, Piëchs, Quandts, Klattens, Schaefflers, usw. –, die unter Hitler durch Arisierung und Zwangsarbeit reich geworden waren.

Gegen diese Angriffe entwickelt sich überall Widerstand. So haben in den USA erst letzte Woche die 150.000 Beschäftigten der „Großen Drei“ – Ford, General Motors and Stellantis – mit 97 Prozent für Streik für bessere Löhne gestimmt. Bleibt dieser Widerstand unter der Kontrolle der Gewerkschaften, ist er zum Scheitern verurteilt. Die Verteidigung der Rechte, Einkommen und Arbeitsplätze erfordert eine Strategie, die in unversöhnlichem Gegensatz zur Sozialpartnerschaft der Gewerkschaften steht:

  • Es müssen Aktionskomitees aufgebaut werden, die völlig unabhängig von den Gewerkschaften und ausschließlich der Basis verantwortlich sind. Ihnen können alle Arbeiterinnen und Arbeiter beitreten, die kämpfen wollen, aber keine Gewerkschaftsbürokraten und andere Handlanger der Konzerne.
  • Die Spaltung zwischen Vollbeschäftigten und Zeitarbeitern, zwischen Standorten und Ländern muss überwunden werden. Die Verteidigung der Arbeitsplätze erfordert die internationale Einheit aller Arbeiterinnen und Arbeiter, und nicht den Schulterschluss mit den Konzernen im Namen der „Standortverteidigung“. Die Aktionskomitees müssen sich international vernetzen. Dafür wurde die Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees (International Workers Alliance of Rank-and-File Committees, IWA-RFC) gegründet, der sich bereits viele Aktionskomitees angeschlossen haben.
  • Die Interessen der Arbeiterklasse sind nicht mit dem Kapitalismus vereinbar, der alle gesellschaftlichen Interessen dem Profit unterordnet. Der Kampf gegen Lohnsenkungen, Sozial- und Arbeitsplatzabbau, gegen Krieg und Faschismus erfordert eine sozialistische Perspektive. Ohne die Macht der Finanzaristokratie zu brechen, die großen Konzerne und Vermögen zu enteignen und die Wirtschaft unter demokratischer Kontrolle neu zu organisieren, kann kein einziges gesellschaftliches Problem gelöst werden.
  • Das bedeutet nicht, dass man nichts erreichen kann, solange der Kapitalismus nicht gestürzt ist. Im Gegenteil: Das Eingreifen der Arbeiterklasse ins politische Geschehen, ihre Kämpfe für ihre Rechte und Errungenschaften schaffen erst die Grundlage, um den Kapitalismus zu beseitigen.
  • Damit diese Kämpfe Erfolg haben, ist vor allem eines nötig: Der Aufbau der Vierten Internationale und ihrer Sektionen, den Sozialistischen Gleichheitsparteien, als sozialistische Führung der internationalen Arbeiterklasse.
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