Perspektive

Verteidigt das Demonstrationsrecht! Stoppt den Genozid in Gaza!

Zu den Opfern des Völkermords an den Palästinensern im Gazastreifen zählen auch die Meinungsfreiheit und das Demonstrationsrecht in Deutschland. Während Millionen Menschen mit Entsetzen verfolgen, wie die israelische Armee 2,3 Millionen Menschen von der Wasser-, Nahrungs- und Energiezufuhr abschneidet, ihre Häuser und Krankenhäuser zerbombt und tausende Kinder, Frauen und Männer massakriert, unterdrücken die deutschen Behörden jede Solidaritätsbekundung mit den Palästinensern.

Demonstration auf dem Oranienplatz Berlin gegen den Genozid in Gaza, 28.10.2023

In Berlin, Frankfurt, Mannheim, München und zahlreichen anderen Städten sind reihenweise Demonstrationen verboten worden. Oft geschah dies in letzter Minute, um die Anwesenden dann einzukesseln, zu misshandeln und zu verhaften. Das Zeigen einer Palästinenserflagge oder das Tragen eines Palästinensertuchs reichen aus, um angehalten und festgenommen zu werden. Selbst Juden, die israelische Kriegsverbrechen verurteilen, werden nicht verschont. Auf Berliner Schulhöfen wurde das Palästinensertuch verboten. Die Berliner Sonnenallee, in der viele palästinischen und arabische Migranten leben, befindet sich im Belagerungszustand.

Gleichgeschaltete Medien denunzieren jeden als „Antisemiten“, der die israelischen Kriegsverbrechen verurteilt. Aber Antisemit ist nicht, wer die Verbrechen der israelischen Regierung anprangert, sondern wer die Juden kollektiv für die kriminelle Politik von Netanjahu, seinem faschistischen Kabinett und seinen imperialistischen Hintermännern in Berlin und Washington verantwortlich macht.

Das ist der Grund, weshalb auch die AfD, in deren Reihen es von Antisemiten und Holocaust-Leugnern wimmelt, den Genozid an den Palästinensern enthusiastisch begrüßt. Gauland und Konsorten verstehen sehr gut, dass nicht die seit 75 Jahren verfolgten und gedemütigten Palästinenser, sondern Biden, Scholz und ihr Kampfhund Netanjahu an die imperialistischen Traditionen von Raub, Unterdrückung und Vernichtung anknüpfen, die dem völkermörderischen Vernichtungskrieg der Nazis zugrunde lagen.

Die Linke, die SPD und die Grünen, die in diesem Chor mitheulen, haben jeden Anspruch verspielt, für Fortschritt, Humanität und Arbeiterinteressen zu stehen. Während die Gefahr eines dritten Weltkriegs, der das Ende der menschlichen Zivilisation bedeutet, von Tag zu Tag offensichtlicher wird, stehen sie auf der Seite der aggressivsten Kriegstreiber.

Das Verbot von Demonstrationen gegen den Genozid in Gaza zeigt einmal mehr, wie dünn die demokratische Fassade der Bundesrepublik ist. In einem Staat, in dem die Profiteure von Arisierung, KZ-Arbeit und Kriegswirtschaft ihre Vermögen behalten durften, Nazi-Richter und -Professoren auf ihren Posten blieben und in höchste Regierungsämter aufstiegen und Wehrmachtgeneräle die Bundeswehr aufbauten, diente die demokratische Fassade seit jeher dazu, dem Fortbestand der alten Eliten ein Alibi zu verschaffen. Nun blättert sie ab wie eine alte Tapete.

Politiker, Richter und Journalisten treten das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit und auf freie Meinungsäußerung mit Füßen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gab persönlich die Linie vor, als er an der Seite Netanjahus die Sicherheit Israels zur deutschen „Staatsräson“ erklärte und versprach, Israel-kritische Demonstrationen in Deutschland zu verbieten. „Das Verherrlichen, das Feiern von Gewalt ist menschenverachtend, abscheulich. Es ist verboten und wird bestraft,“ sagte er.

Dienstfertige Richter beeilten sich, Scholz‘ Vorgabe in Gerichtsurteile zu übersetzen. So untersagte das Verwaltungsgericht Hamburg eine Demonstration mit der Begründung, deren Motto „Stoppt den Krieg auf Gaza und Menschenrechte unterstützen!“ spreche für eine „einseitig pro-palästinensische Ausrichtung“. Der Slogan „Freiheit für Palästina“ werde „typischerweise in Kreisen verwandt, die das Existenzrecht Israels im Ganzen in Frage stellen“.

Andere Gerichte erlaubten Demonstrationen nur unter strengen Auflagen, deren Einhaltung von einem furchteinflößenden Polizeiaufgebot überwacht wird. Unter anderem wird die Forderung nach einem zusammenhängenden palästinensischen Staatsgebiet, „From the River to the Sea – Palestine will be free”, regelmäßig verboten.

Die Demonstrationsverbote, die Einschüchterung und die Hetze der Medien und Parteien konnten den Widerstand gegen den Genozid in Gaza allerdings nicht stoppen. Am vergangenen Wochenende gingen weltweit Millionen dagegen auf die Straße, und auch in Deutschland schlossen sich Zehntausende den Protesten an. In Berlin-Kreuzberg beteiligten sich 11.000, in München 7000, in Dortmund 2500 und in Hamburg 1500 an einer Demonstration. In Dutzenden weiteren Städten wie Aachen, Gießen, Duisburg und Karlsruhe fanden Proteste mit jeweils über 1000 Teilnehmern statt.

Für den kommenden Samstag, den 4. November, um 14 Uhr ruft ein breites Bündnis unter dem Motto „Free Palestine will not be cancelled“ zu einer Großdemonstration auf dem Berliner Alexanderplatz auf, zu der Zehntausende Teilnehmer erwartet werden. Zu den zahlreichen Organisationen, die den Aufruf unterstützen, gehört auch die „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“.

Die Sozialistische Gleichheitspartei begrüßt und unterstützt die Massendemonstrationen gegen den Völkermord in Gaza und ruft dazu auf, sie auszuweiten. Sie brauchen eine klare Perspektive. Der Genozid kann nicht durch Appelle an die Bundesregierung und ihre Nato-Verbündeten gestoppt werden. Sie haben der israelischen Regierung einen Freibrief ausgestellt und eigene Truppen in die Region entsandt, um ihr den Rücken freizuhalten. Die einzige Möglichkeit, den Krieg aufzuhalten, ist die Mobilisierung der internationalen Arbeiterklasse.

Die Bundesregierung unterstützt die israelische Regierung nicht aus Rücksicht auf jüdisches Leben, sondern aus eigenem imperialistischem Interesse. Seit über 30 Jahren verfolgen die USA, Deutschland und ihre Verbündeten das Ziel, den Nahen Osten ihrer vollständigen Kontrolle zu unterwerfen. Sie haben Afghanistan, Irak, Libyen, Syrien, Jemen und andere Länder zerstört, ohne ihr Ziel zu erreichen. In der Ukraine führen sie einen Stellvertreterkrieg gegen Russland, der ins Stocken geraten ist. Nun unternehmen sie im Nahen Osten einen neuen Anlauf, bereiten einen Krieg gegen Iran vor und sind bereit, dafür die ganze Region in ein Inferno zu stürzen.

Die Bundesregierung kann nicht Krieg nach außen führen, ohne gleichzeitig der eigenen Arbeiterklasse und Jugend den Krieg zu erklären. Kriegsminister Boris Pistorius fordert, dass Deutschland wieder „kriegstüchtig“ wird und einen entsprechenden „Mentalitätswechsel in der Gesellschaft“ vollzieht. Dafür gibt es keine Unterstützung, und gegen die gewaltigen Kosten der Aufrüstung, die durch Sozialabbau, Reallohnsenkung und Entlassungen auf die Arbeiter abgewälzt werden, erhebt sich heftiger Widerstand, der mit den Klassenkämpfen in anderen Ländern zusammenkommt.

Die Regierung bereitet sich darauf vor, diesen Widerstand gewaltsam zu unterdrücken. Dieselben Verbote, die sich heute gegen Demonstrationen zur Verteidigung der Palästinenser richten, werden morgen zur Unterdrückung von Streiks und Arbeiterproteste eingesetzt werden.

Der Widerstand gegen den Genozid in Gaza, gegen Krieg und Militarismus, die Verteidigung demokratischer Rechte und der Kampf gegen Lohn- und Sozialabbau fallen so direkt zusammen. Der Erfolg der Bewegung gegen Krieg hängt davon ab, dass sie in eine sozialistische Bewegung der internationalen Arbeiterklasse verwandelt wird. Für diese Perspektive treten die Sozialistische Gleichheitspartei und das Internationale Komitee der Vierten Internationale ein.

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