78 Jahre nach dem Untergang des Dritten Reichs berauscht sich die herrschende Klasse Deutschlands wieder hemmungslos an völkermörderischer Gewalt. Es gibt kaum ein anderes Land in dem Regierung, Parteien und Medien den verbrecherischen Krieg des rechtsextremen Netanjahu-Regimes gegen die palästinensische Zivilbevölkerung derart geschlossen und aggressiv unterstützen.
Am Montag lehnte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) die Forderung nach einer humanitären Waffenruhe für Gaza, die von einigen EU-Staaten und der WHO ins Spiel gebracht worden war, brüsk ab. Es werde „nur Frieden und Sicherheit für Israel und die Palästinenserinnen und Palästinenser geben, wenn der Terrorismus bekämpft wird“, erklärte Baerbock. Das ist nichts weniger als ein Aufruf zur Fortsetzung des Genozids an den Palästinensern.
Die offizielle Propaganda kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Israel unter dem Deckmantel des Kampfs gegen den Terror ein ganzes Volk terrorisiert und versucht, so viele Palästinenser wie möglich umzubringen. Das Vorgehen erinnert an die Methoden, mit denen die Nazis Aufstände gegen ihre Gewaltherrschaft niederschlugen und dabei ganze Städte dem Erdboden gleichmachten oder – wie im Falle von Leningrad – aushungerten.
Das israelische Militär hat den Gazastreifen komplett blockiert, Wasser und Strom abgestellt, mehr als eine Million Menschen im Norden zur Massenflucht in den Süden aufgefordert, nur um sie dann dennoch anzugreifen. Es gab bereits fast 6.000 Tote und 15.000 Verwundete. Die Mehrheit davon sind Frauen und Kinder. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums der Hamas-Regierung befinden sich unter den 5.791 offiziell getöteten Personen mehr als 2.000 Kinder unter 18 Jahren und etwa 1.100 Frauen. Allein in den vergangenen 24 Stunden seien 704 Palästinenser getötet worden.
Es gilt als wahrscheinlich, dass die tatsächlichen Zahlen noch wesentlich höher liegen. Die israelische Luftwaffe hat nach eigenen Angaben bisher mehr als 10.000 Ziele im Gazastreifen angegriffen. Ihre riesigen Bomben und Raketensprengköpfe, allesamt angeblich „Präzisionswaffen“, werden bewusst auf Menschenansammlungen, sei es in Gebäuden oder im Freien, abgefeuert. Allein bei dem Angriff auf das Al-Ahli-Krankenhaus in Gaza-Stadt am vergangenen Dienstag kamen hunderte Menschen ums Leben.
Und bereits vor der bevorstehenden Bodenoffensive liegen große Teile des Gazastreifens in Trümmern. Laut dem Hilfswerk der Vereinten Nationen (UNRWA) wurden etwa 40 Prozent des Wohnungsbestands der gesamten Enklave durch israelische Bombenangriffe zerstört oder beschädigt. Mehr als die Hälfte der knapp 2,3 Millionen Einwohner des Gazastreifens musste aus ihren Häusern fliehen, über eine halbe Million hausen in Notunterkünften.
Diese Gewalt und Zerstörung werden von der gesamten herrschenden Klasse unterstützt. Am Sonntag schlossen alle etablierten Parteien von Ampel über CDU/CSU bis zur Linkspartei, die Arbeitergeber- und Industrieverbände, die Kirchen und der DGB auf der „Kundgebung für Solidarität mit Israel“ vor dem Brandenburger Tor die Reihen hinter Israels Völkermord.
Den Ton gab der israelische Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, vor. „Wir müssen jetzt im Gazastreifen die gesamte Infrastruktur des Terrors beseitigen“, rief er. „Und wenn wir das tun, möchte ich wirklich kein ‚Ja, aber‘ mehr hören. Diesmal müssen wir bis zum Ende gehen.“
Dieser Aufruf zum totalen Krieg wurde von allen Teilnehmern begeistert unterstützt. Niemand kritisierte auch nur mit einem Wort Israels Kriegsverbrechen. Im Gegenteil: die Sprecher überboten sich in Solidaritätsbekundungen. Sie hetzten im Stil der rechtsextremen AfD gegen Ausländer und Muslime, verlangten Massenabschiebungen und forderten ein aggressives Auftrumpfen des deutschen Imperialismus an der Seite Israels sowie die Unterdrückung jeder Opposition dagegen. Die gesamte Kundgebung hatte einen dezidiert faschistischen Charakter.
„Wir haben ein großes Problem in Deutschland mit dem politischen Islam, dessen Bestandteil auch Judenhass ist“, sagte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann. „Hier wurde zu lange weggeschaut. Wir müssen Abschiebungen intensivieren und die Einwanderung von Antisemiten unterbinden.“
Ähnlich äußerte sich der Generalsekretär der FDP, Bijan Djir-Sarai. „Wir müssen deutlich machen, dass Menschen, die unsere Werte ablehnen, hier nichts zu suchen haben… Diese Menschen wollen wir nicht hier haben.“
Der Co-Vorsitzende der Linkspartei, Martin Schirdewan, stimmte in diesen Chor ein und kritisierte das Vorgehen der Bundesregierung gegen den Iran von rechts. Dieser und das Emirat Katar seien „Hauptsponsoren des Hamas-Terrors und bevorzugte Partner auch der deutschen Wirtschaft“. Er hoffe, „dass die Bundesregierung ihnen gegenüber endlich deutlich macht, dass anti-semitischer Terror auch nicht indirekt finanziert werden darf.“
Die Hauptrede hielt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Er ging so weit, nicht Israel, sondern die Palästinenser selbst für den Genozid im Gazastreifen und die Gefahr eines umfassenderen Nahost-Kriegs verantwortlich zu machen. „Es sind die Terroristen, die Gaza in einen zerstörerischen, militärischen Krieg geführt haben“, erklärte er. „Einen Krieg, von dem wir alle fürchten, dass er zum regionalen Flächenbrand werden könnte. Alles muss versucht werden, um das zu verhindern.“
Das stellt die Wirklichkeit auf den Kopf. Tatsächlich unterstützen die imperialistischen Mächte nicht nur die Zerstörung des Gazastreifens, sondern bereiten sich auf einen umfassenderen Krieg gegen den Iran und seine Verbündeten vor, der die ganze Region in ein Inferno verwandeln und Millionen Menschenleben auch in Israel selbst bedrohen würde. So viel zur Behauptung Steinmeiers, es gehe ihm darum, „jüdisches Leben zu schützen“.
Wenn Steinmeier und andere führende Politiker Völkermord und Krieg im Namen des „Kampfs gegen Antisemitismus“ und des „Nie Wieder“ propagieren, ist dies der Gipfel des Zynismus. Der Gestank des Faschismus ist zurück. Aber er geht nicht von den unterdrückten Palästinensern und verzweifelten Flüchtlingen aus, sondern von der herrschenden Klasse, die unter den Nazis einen Vernichtungskrieg geführt und sechs Millionen Juden ermordet hat und nun wieder massive Verbrechen begeht.
Besonders deutlich wird das auch bei der Kriegsoffensive gegen Russland in der Ukraine. In Kiew bewaffnen Berlin und die führenden Nato-Mächte ein Regime, das Nazi-Kollaborateure wie Stepan Bandera feiert und sich im Krieg gegen Russland auf offen faschistische Armeeeinheiten wie das Asow-Bataillon stützt. Bereits beim prowestlichen Putsch 2014 spielten rechtsextreme Kräfte die Schlüsselrolle. Steinmeier selbst empfing als damaliger Außenminister den Vorsitzenden der faschistischen Swoboda-Partei und bekennenden Antisemiten Oleh Tjahnybok in der deutschen Botschaft in Kiew.
Seitdem arbeitet die herrschende Klasse systematisch daran, die Nazis zu rehabilitieren. In Deutschland baut sie mit der AfD eine faschistische Partei auf, deren Führer das Holocaust-Mahnmal in Berlin als „Denkmal der Schande“ (Björn Höcke) und Hitler und die Nazis als „Vogelschiss in über 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte“ (Alexander Gauland) bezeichnen.
Ende September beteiligte sich die deutsche Botschafterin in Kanada, Sabine Sparwasser, an den stehenden Ovationen für den Waffen SS-Veteranen und Nazi-Kriegsverbrecher Jaroslaw Hunka im kanadischen Parlament. Und in Berlin wird der rechtsextreme Humboldt-Professor Jörg Baberowski („Hitler war nicht grausam“) von den gleichen politischen Kräften verteidigt, die am Sonntag vor dem Brandenburger Tor aufmarschierten.
Es ist bedeutsam, dass die Kriegsparteien dort im Wesentlichen unter sich blieben. Trotz der breiten Werbung für die Kundgebung versammelten sich nur knapp 10.000 Menschen und damit weit weniger als die Zehntausende, die trotz massiver Unterdrückung am gleichen Wochenende gegen die deutsch-israelische Kriegspolitik auf die Straße gingen. Weltweit protestierten Millionen.
Arbeiter und Jugendliche in Deutschland und weltweit lehnen Israels Völkermord an den Palästinensern gerade deshalb ab, weil er an die nationalsozialistischen Verbrechen im Zweiten Weltkrieg erinnert. „Nie Wieder“ bedeutet, mit den heutigen kapitalistischen Kriegstreibern abzurechnen und zu verhindern, dass sie die Welt erneut in den Abgrund stürzen. Notwendig dafür ist ein vereinter Kampf der Arbeiterklasse auf der Grundlage eines internationalen sozialistischen Programms.