Zehntausende demonstrieren in Deutschland gegen den Genozid in Gaza

Trotz der Versuche von Regierung, Behörden und Medien sämtliche Proteste gegen den Genozid im Gaza zu kriminalisieren und als „antisemitisch“ zu diffamieren, kommt es weiterhin in ganz Deutschland zu zahlreichen Kundgebungen und Demonstrationen.

Allein in Berlin schlossen sich am letzten Samstag über 5.000 Menschen einem Demonstrationszug von Kreuzberg nach Neukölln an. Die Polizei rückte mit einem Großaufgebot von 900 Beamten auf und stoppte den Demonstrationszug zwischenzeitlich.

In Stuttgart versammelten sich am selben Samstag 1.300 Menschen, in Mannheim und Karlsruhe je 400. In Münster demonstrierten 1.000 Menschen, in Saarbrücken 500 und und in Köln 300. In Hamburg wurde ein allgemeines Verbot für pro-Palästina Demos verhängt und eine Demonstration mit 300 Teilnehmern aufgelöst. Bei Verstößen gegen das Verbot droht eine Geldstrafe von bis zu 500 Euro.

Demonstration in Solidarität mit den Palästinensern am 21.10.2023 in Düsseldorf

Die größte Versammlung fand in Düsseldorf statt. Dort demonstrierten fast 10.000 Menschen ihre Solidarität mit den Palästinensern. Die Demo wurde von einem starken Polizeiaufgebot begleitet, verlief aber friedlich. Der Protestzug gegen den Völkermord in Gaza bewegte sich drei Stunden lang vom Hauptbahnhof über die Prachtmeile Königsallee bis hin zum NRW-Landtag.

Der Protest war international. Auf Deutsch und Englisch forderten die Teilnehmenden auf Transparenten und vielen selbstgemachten Plakaten einen sofortigen Stopp der Ermordung unschuldiger Zivilisten im Gaza-Streifen. „Die Bombardierung unschuldiger Kinder ist nicht Selbstverteidigung“ war eines der Plakate. Die Demonstrierenden sprachen sich gegen Völkermord, Antisemitismus, Gewalt und für Frieden und Gerechtigkeit aus.

Mehrere Plakate wiesen auf die Komplizenschaft der anderen arabischen Staaten und vor allem der Bundesregierung hin. Sie riefen: „Deutschland finanziert – Israel bombardiert!“

Demonstration in Solidarität mit den Palästinensern am 21. Oktober 2023 in Düsseldorf

Ärzte und Gesundheitsbeschäftigte von insgesamt zehn medizinischen Fach- und Ärzteverbänden sprachen ihre Solidarität mit den Kolleginnen und Kollegen in Gaza aus, von denen schon mehr als zwei Dutzend den Bombenangriffen zum Opfer gefallen sind. „Die Geschichte hat uns gelehrt, nicht auf der Seite des Aggressors zu stehen“, schreiben sie in einer Erklärung, die auf der Demonstration als Flugblatt verteilt wurde. „Wir fordern dringend sichere Wege und Korridore für unsere medizinischen Teams, um nach Gaza zu gelangen und die notwendige Behandlung und Versorgung der Verletzten unseres Volkes zu gewährleisten“.

Auch in Frankfurt versammelten sich über 2.000 Menschen. Vorausgegangen war der Versuch der Stadt Frankfurt und des hessischen Innenministeriums, die Demonstration zu verbieten. Die Veranstalter klagten dagegen und bekamen in zwei Instanzen recht.

Dennoch durfte die Demonstration nur unter scharfen Auflagen stattfinden. Unter Anderem mussten die Veranstalter über 60 Ordner bereitstellen und das Existenzrecht Israels durfte nicht in Frage gestellt werden. Zusätzlich umstellte ein Polizei-Großaufgebot die Demonstration und zog immer wieder einzelne Teilnehmer heraus, die kritische Schilder hielten.

Demonstration in Solidarität mit den Palästinensern am 21.10.2023 in Frankfurt am Main

Sämtliche Redner auf der Kundgebung verurteilten explizit Antisemitismus und jede Form der Diskriminierung und Gewalt gegen einzelne Bevölkerungsgruppen. Reporter der WSWS verteilten die Erklärung der WSWS und sprachen mit Demonstranten:

Aliya verurteilte den Genozid an den Palästinenser und die Dämonisierung jeder Kritik daran: „Ein komplettes Volk wird gerade massakriert, Kinder werden getötet. Und wenn wir unsere Stimme erheben, gilt das direkt als Antisemitismus oder als israelfeindlich. Obwohl man ja in Deutschland immer damit prahlt ,wir haben hier Meinungsfreiheit‘“.

Meinungsfreiheit gelte aber nur, wenn man sich pro-Ukraine oder pro-Israel ausspricht. „Aber sobald wir sagen ,Stoppt den Krieg in Palästina‘, heißt es ,Nein, du bist antisemitisch‘. Also Meinungsfreiheit haben wir leider nicht“, schlussfolgert sie.

Die Perspektive eines internationalen Kampfs der Arbeiter unterstützt sie: „Das finde ich super. Das heißt also, sowohl Israelis als auch Palästinenser, die den Frieden haben möchten, tun sich dann zusammen und kämpfen gegen Unrecht. Das wäre für mich optimal.“

Sie schlussfolgert: „Also wenn die israelische Bevölkerung und die palästinensische Bevölkerung sagt, ,Wir können zusammen in Harmonie leben‘ und jetzt gerade die beiden Regierungen den Krieg verursachen, dann würde ich sagen ,Erhebt eure Stimme, kämpft gegen eure Regierungen und versucht wirklich friedlich zusammenzuleben‘. Das wäre meiner Meinung nach die optimale Lösung.“

Weiter verurteilt sie die Politik der imperialistischen Mächte und der anderen arabischen Länder, die den Konflikt immer weiter befeuern. „Wenn die keine Waffen mehr geliefert bekommen würden oder auch kein Geld, dann glaube ich nicht, dass der Krieg so lange anhalten würde.“

Einen vereinten Kampf der Arbeiter hier in Deutschland würde sie begrüßen und hält ihn für realistisch „Weil wir sind schon sehr viele – unabhängig ob Deutsche mit Migrationshintergrund oder ,nur Deutsche‘. Wenn wir selbst zusammenhalten würden, glaube ich schon, dass da eine riesengroße Bewegung auftaucht.“

Gegner wäre dabei direkt die deutsche Regierung: „Diese Regierung ist wirklich ein fataler Fehler gewesen. Baerbock hat Putin den Krieg erklärt [im Europarat] und unterstützt einseitig Israel. Sie steht nicht für Frieden, sondern hat die bedingungslose Unterstützung Israels versichert.“

Aliya schlussfolgert: „Deutschland, bzw. die Regierung ist gerade in Kriegsstimmung. Und das finde ich fatal, weil die meisten deutschen Bürger – das sind sowohl deutsche mit Migrationshintergrund als auch andere – den Krieg nicht wollen. Die wollen auch eigentlich nur in Frieden leben und das sollte man respektieren. Meiner Meinung nach spricht diese jetzige Regierung nicht im Namen des Volkes.“

Mohamed warnt auf der Demonstration, dass der Krieg im Gaza sich in einen Krieg in der ganzen Region ausweiten könne. „Und genau deswegen wollen wir auch, dass das so früh wie möglich gestoppt wird. Es sind vor allem Leute, die nichts getan haben, die auf beiden Seiten einfach nur Menschen sind – Kinder und ältere Leute – die in dem Krieg geopfert werden.“

Dass eine Eskalation nur gestoppt werden kann, durch die Einheit der internationalen Arbeiterklasse, unterstützt er: „Ich finde genau solche Artikel [wie die der WSWS] sollten möglichst weit verbreitet werden und zu so vielen Leuten wie möglich kommen, da dies wirklich Freiheit, Gerechtigkeit und auch im Endeffekt so wenige Morde wie möglich erzeugt.“

Mark und Vanessa auf der Pro-Palästina-Demonstration in Frankfurt, 21.10.2023

Mark und Vanessa sind eigentlich aus Duisburg für die Buchmesse nach Frankfurt angereist und haben sich dann dort der Kundgebung angeschlossen. „Also die uneingeschränkte Solidarität mit Israel, die schadet vor allem auch den Palästinensern hier in Deutschland und auch natürlich in Nahost“, erklärt Mark.

„Wenn man sich in dieser Zeit mit Israel solidarisch erklärt, dann heißt das, man steht auf der Seite von Kindermördern und einer rechten Regierung“, fügt Vanessa hinzu. „Wir können uns solidarisch stellen, finde ich mit jüdischen Menschen, aber nicht unbedingt mit einem Staat, der diese Art von Terror verbreitet.“

Mark sieht in der Nahost-Politik der Bundesregierung auch die breiteren imperialistischen Bestrebungen Deutschlands: „Ich glaube, Deutschland hätte gerne, das hat man ja auch an der Zeitenwende gesehen, einen größeren Platz an der Sonne, militärisch gesehen in der NATO und auf der Welt.“ Er sei dagegen. „Ich will nicht, dass wir hunderte Milliarden ausgeben für Waffen auf der ganzen Welt. Wenn es den Menschen hier und überall auf der Welt an allem fehlt und wir trotzdem weiter Geld für Waffen ausgeben.“

Er schlussfolgert: „Da sind natürlich Interessen dahinter, nicht zuletzt auch auf jeden Fall westliche Interessen. Die USA z.B. sind dabei ihre Dominanz, die sie momentan haben, zu verlieren. Der Zenit der amerikanischen Hegemonie ist überschritten.“

Er verurteilt auch die zunehmende Einschränkung demokratischer Rechte: „Man sieht ja auch, dass ganz extrem viele Demonstrationen in den letzten zwei Wochen verboten wurden. Natürlich auch Pro-Palästina-Demonstrationen, aber auch viele andere Demonstrationen, Anti-Rassismus-Demonstrationen. Und das ist natürlich eine gefährliche Entwicklung für die Demokratie in Deutschland. Das darf natürlich nicht sein.“

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