Ukraine: Selenskyj entlässt Verteidigungsminister, während sich USA und Nato auf einen jahrelangen Krieg vorbereiten

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj gab am Sonntag bekannt, dass er Verteidigungsminister Oleksij Reznikow angesichts des Scheiterns der von der Nato unterstützten Sommeroffensive ablösen wird.

Trotz des Todes zehntausender ukrainischer Soldaten in den 89 Tagen seit Beginn der Offensive sind die Kiewer Streitkräfte nur wenige Kilometer vorgerückt.

Verteidigungsminister Oleksij Resnikow bei einer Pressekonferenz nach dem Treffen der ‚Ukraine Defense Contact Group‘ auf der Air Base Ramstein, 21. April 2023 [AP Photo/Matthias Schrader]

Letzten Monat berichtete die Washington Post, dass die US-Geheimdienste von einem Scheitern der ukrainischen Offensive ausgehen. Sie seien zu dem Schluss gekommen, die Offensive werde ihr Hauptziel, zum Asowschen Meer vorzustoßen, um die „Landbrücke“ zur Halbinsel Krim abzuschneiden, nicht erreichen.

Bei der Ankündigung von Resnikows Rücktritt forderte Selenskyj „neue Ansätze“ für die Kriegsführung.

Die New York Times zitiert inoffizielle Äußerungen von ukrainischen Vertretern wie folgt: „Die Ukraine wird eine neue Führung brauchen, da der Krieg weitergeht.“

Resnikows Nachfolger, Rustem Umerow, ist Co-Vorsitzender der „Krim-Plattform“. Diese diplomatische Initiative wurde 2021 von der Ukraine gegründet, um internationale Unterstützung für die Bemühungen zur Rückeroberung der 2014 von Russland annektierten Halbinsel Krim zu gewinnen.

Die Ernennung von Umerow, der selbst von der Krim stammt, signalisiert, dass Kiew auch angesichts des militärischen Debakels das Ziel, die Halbinsel zurückzuerobern, dennoch weiterverfolgt. Es überrascht nicht, dass Umerow enge Verbindungen zum amerikanischen Staat unterhält. Als Schüler hat er an dem vom US-Außenministerium finanzierten Future Leaders Exchange Programm teilgenommen.

Rustem Umerov, Mitglied des ukrainischen Parlaments, während der Friedensgespräche mit der russischen Delegation in der Region Gomel, Belarus, 28. Februar 2022 [AP Photo/Sergei Kholodilin/BelTA Pool Photo ]

Umerow ist außerdem Investmentbanker. Seine Ernennung wird eine noch lukrativere Verknüpfung zwischen dem Krieg und den internationalen und nationalen Finanzinteressen ermöglichen.

Resnikows Abgang erfolgt vor dem Hintergrund einer langwierigen Regierungskrise, verbunden mit einer Reihe von Korruptionsskandalen, in die vor allem das Verteidigungsministerium verwickelt ist. Im Januar wurden ein stellvertretender Verteidigungsminister und der Leiter des Beschaffungswesens des Ministeriums entlassen, nachdem aufgedeckt worden war, dass das Ministerium zu viel Geld für die Verpflegung der Truppen ausgegeben hatte. Zu dieser Zeit wurde die Entlassung von Resnikow erwartet, dennoch blieb er im Amt. Damals leitete die Regierung Selenskyj die weitreichendste Säuberung seit Kriegsbeginn 2022 ein. Nun ist eine weitere Säuberung des Staatsapparats im Gange.

In einer Erläuterung gegenüber der Washington Post zu Resnikows Entlassung heißt es, dass „mehrere hochrangige Beamte des Verteidigungsministeriums ihrer Posten enthoben und Ermittlungen gegen sie aufgenommen“ worden seien.

Einen Tag vor Resnikows Entlassung nahm der ukrainische Inlandsgeheimdienst den ukrainischen Oligarchen Ihor Kolomoisky wegen des Verdachts auf Betrug und Geldwäsche fest. Kolomoisky war während Selenskyjs Fernsehkarriere eng mit diesem verbunden und ein früher politischer Unterstützer des heutigen Präsidenten. Im Mai wurde der Leiter des Obersten Gerichtshofs unter dem Vorwurf der Bestechung verhaftet. Und am Freitag wurde die Kaution für einen ehemaligen stellvertretenden Wirtschaftsminister auf 25.000 Dollar festgesetzt: Ihm wird vorgeworfen, Gelder für humanitäre Zwecke veruntreut zu haben.

Da mehr als 100 Milliarden Dollar an US-amerikanischen und internationalen Geldern in die Ukraine geflossen sind, ist Korruption weit verbreitet. Die New York Times berichtete, dass Waffen im Wert von fast einer Milliarde Dollar bezahlt, aber nicht geliefert worden seien. Dies ist zweifellos nur ein kleiner Einblick in Kriegsgewinnlertum und Vorteilsnahme auf Seiten der ukrainischen Oligarchie.

Diese Oligarchie schickt gleichzeitig Hunderttausende ukrainischer Jugendlicher und Arbeiter in den nahezu sicheren Kriegstod. Korruption ist die zweite Natur einer herrschenden Klasse und eines Staatsapparats, die aus der stalinistischen Zerstörung der Sowjetunion im Jahr 1991 und der anschließenden Plünderungsorgie im Zuge der kapitalistischen Restauration hervorgegangen sind.

Während die Umbesetzung im ukrainischen Verteidigungsministerium erfolgt, bereiten Kommentare in den US-Medien die amerikanische Öffentlichkeit darauf vor, dass der Krieg noch Jahre dauern wird.

In einem Meinungsartikel in der Washington Post schreibt Max Boot: „Die Ukraine hat vielleicht eine bessere Chance, im Jahr 2024 zu gewinnen.” Derselbe Max Boot hatte vor kaum drei Monaten General David Petraeus mit den Worten zitiert, er erwarte, dass „die Ukrainer relevante Durchbrüche machen und mehr erreichen, als die meisten Analysten vorhersagen”.

Diesmal zitiert Boot einen anderen US-General im Ruhestand, Mark Arnold, der sagte, er sei „optimistischer, was die Aussichten für entscheidende Operationen im nächsten Jahr angeht“. Boot zitiert Arnold mit den Worten: „Ich bin nach wie vor sehr skeptisch, dass es in diesem Jahr zu einer entscheidenden Schlacht kommen wird, die einen wesentlichen Beitrag zum ukrainischen Sieg leistet. Das kann im nächsten Sommer geschehen, wenn der Großteil der Manöverausrüstung von der Nato in der Ukraine eintrifft.“

In einer weiteren Kolumne im Wall Street Journal mit der Überschrift „How to Help Ukraine Win the War of Attrition“ (Wie man der Ukraine hilft, den Zermürbungskrieg zu gewinnen) erklärt Walter Russell Mead: „Zudem funktioniert die derzeitige amerikanische Strategie nicht gut.“ Er schreibt, dass der „Sieg“ ein amerikanisches Engagement für einen weiteren endlosen Krieg erfordern werde, und weiter: „Wenn dies ein Zermürbungskrieg ist, sind die USA und ihre Partner gut aufgestellt, um zu gewinnen. Wir müssen uns nur entscheiden und die Ärmel hochkrempeln.“

In einer weiteren Variation dieses Themas schreibt der ehemalige britische Armeegeneral Richard Barrons in der Financial Times: „Die Ukraine kann jetzt nicht gegen Russland gewinnen, aber ein Sieg bis 2025 ist möglich.“ Er fährt fort: „Die derzeitige Gegenoffensive der Ukraine wird Russland nicht aus der Bahn werfen – nicht, dass das jemand erwartet hätte. Auch ist es unwahrscheinlich, die besetzten Gebiete vor dem Winter in zwei Hälften zu teilen, was vielleicht eins der optimistischeren Ziele gewesen wäre. Die Offensive hat jedoch gezeigt, wie die russische Armee geschlagen werden kann. Nicht im Jahr 2023, sondern 2024 oder 2025.“

Der General weiter: „Die Ukraine wird bis Mitte 2024 brauchen, um wieder eine ausreichend starke Luftwaffe aufzustellen, und es fehlt ihr an der wichtigsten Ausrüstung, die für die Minenräumung benötigt wird. Die Behebung all dieser Probleme wird den Krieg mindestens bis ins nächste Jahr hinein verlängern.“

Im letzten Januar hatte der Vorsitzende der US-Generalstabschefs, Mark Milley, angekündigt, der Plan der USA sei, „in die Offensive zu gehen, um die von Russland besetzte Ukraine zu befreien“ und „die besetzten Gebiete zu befreien“. Während offizielle Stellen ihre Unterstützung für das weitreichende Ziel der Rückeroberung der Krim und des Donbass zusagten, verkündeten die US-Medien, dass die ukrainische Frühjahrsoffensive zum Zusammenbruch der russischen Truppen führen werde. Sie verglichen die Offensive mit der Landung in der Normandie am D-Day.

Jetzt, da die Offensive zu einem blutigen Desaster geführt hat, bereiten die US-Vertreter die Öffentlichkeit auf einen jahrelangen Konflikt vor. Die Zahl der Todesopfer in diesem Krieg, die derzeit schon nach Hunderttausenden zählt, könnte dann durchaus in die Millionen gehen.

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