Die Regierung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj versucht inmitten einer schweren Krise, die durch die geleakten Pentagon-Dokumente ausgelöst wurde, ihre Bemühungen zu forcieren, den von der Nato unterstützten Stellvertreterkrieg gegen Russland fortzusetzen. Der Inhalt der Dokumente entlarvt sowohl die Lügen der imperialistischen Mächte als auch diejenigen ihrer Stellvertreter in der herrschenden Klasse der Ukraine.
Ukrainische Regierungsvertreter behaupten seit Beginn des Kriegs, ihre Verluste seien im Vergleich zu denen Russlands minimal und der Sieg sowie die Rückeroberung der Krim stünden demnächst bevor, sofern sie nur genug Geld und Waffen vom Westen erhalten. Diese Behauptungen wurden durch die geleakten vertraulichen Dokumente der US-Regierung eindeutig widerlegt.
Über diese Enthüllungen schweigt sich die ukrainische Regierung weitgehend aus oder versucht stattdessen, die geleakten Dokumente als Beweis dafür zu benutzen, ihr Land hätte schon die ganze Zeit nicht genug Waffen bekommen.
Als die ersten Informationen aus den Dokumenten publik wurden, orientierten sich ukrainische Regierungsvertreter wie Selenskyjs Chefberater Michailo Podoljak am Beispiel der USA und versuchten, die Leaks als Teil einer russischen Desinformationskampagne darzustellen. So erklärte Podoljak am 8. April: „Es ist offensichtlich, was die ,Leaks‘ der geheimen Daten bewirken sollen: die Aufmerksamkeit ablenken, Zweifel, gegenseitigen Verdacht und Zwietracht säen. Das ist ein ganz normales Spiel der russischen Geheimdienste: Man nimmt offene Besprechungen, fügt falsche Informationen oder Teile von abgefangenen Daten hinzu und veröffentlicht sie in sozialen Netzwerken, um das ,Leak‘ zu legalisieren.“
Einen Tag zuvor, am 7. April, hatten drei anonyme US-Regierungsvertreter gegenüber Reuters erklärt, hinter dem Leak stünden „wahrscheinlich pro-russische Elemente.“ Dass sie und Podoljak zur gleichen Zeit die gleiche Position vertraten, unterstrich ironischerweise eines der wichtigsten Ergebnisse aus dem Leak: dass US-Regierungsvertreter sowohl in den Krieg als auch in die alltägliche Arbeit der ukrainischen Regierung tief verstrickt sind.
Zudem zeigten die Leaks, dass die USA den von der ukrainischen Armee im Namen der Nato geführten Krieg weit weniger positiv bewerten, als dies in den Medien dargestellt wird.
Eine vom militärischen Standpunkt besonders vernichtende Enthüllung war, in welchem Ausmaß die ukrainische Luftabwehr in Folge des Kriegs zerstört wurde. Die New York Times musste einräumen: „Ein geleaktes Pentagon-Dokument zeigt, dass Russland derzeit mit 485 Kampfjets in der Ukraine operiert, die Ukraine hingegen mit 85 Jets.“
Was die bevorstehende Gegenoffensive angeht, so haben die Pentagon-Dokumente enthüllt, dass jeder militärische Vorstoß der Ukraine katastrophal sein könnte. Abgesehen von der stark geschwächten Luftwaffe leidet das ukrainische Militär auch unter einem Mangel an Munition und Artillerie, den die USA nachweislich nicht ausgleichen können. Ihre aufgestellten Brigaden sind mit einem Sammelsurium aus amerikanischen und europäischen Waffen ausgerüstet, die von den ukrainischen Streitkräften nicht ohne weiteres repariert werden können.
Als sich der Wahrheitsgehalt der Dokumente nicht mehr leugnen ließ, reagierten die Vertreter der ukrainischen und der US-Regierung sowie ihre Sprachrohre bei der New York Times und der Washington Post mit Versuchen, die Enthüllungen zu vertuschen und sie als Vorwand für die Forderung nach noch mehr militärischer Unterstützung zu benutzen.
Letzte Woche erklärte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba, einer der militaristischsten Vertreter einer ohnehin schon rechten Regierung, als Reaktion auf die Leaks, er habe mit US-Außenminister Antony Blinken gesprochen. Dieser soll laut Kuleba „die felsenfeste Unterstützung der USA bekräftigt und alle Versuche, Zweifel an der Fähigkeit der Ukraine zum Sieg auf dem Schlachtfeld zu säen, vehement zurückgewiesen haben.“
Wenige Tage später forderte Kuleba auf Twitter westliche Flugzeuge und rief die Nato auf, „die Ausbildung ukrainischer Piloten in westlichen Kampfflugzeugen“ zu beginnen.
Die USA wiederum eskalieren und verschärfen ihre Beteiligung an dem Konflikt weiter. Am Mittwoch kündigten sie weitere Militärhilfe für die Ukraine im Wert von 325 Millionen Dollar an, die zusätzliche Artilleriegeschosse und Raketen für die HIMARS-Raketenwerfer umfassen wird. Laut der Asia Times hat die Ukraine bereits 9.612 HIMARS-Raketen zum Preis von je ca. 146.000 Euro verschossen, d.h. insgesamt 1.400 Milliarden Euro – ein erstaunliches Urteil über die immensen Summen, die für den Krieg verschwendet werden.
Doch unabhängig davon, wie viele Millionen und Milliarden Dollar die imperialistischen Mächte in diesen Krieg pumpen, steht außer Frage, dass die Selenskyj-Regierung und die Kriegsanstrengungen des ukrainischen Regimes als ganzes zutiefst erschüttert sind. Schätzungen zufolge sind in diesem Krieg bereits ganze 200.000 ukrainische Soldaten gestorben, weitere Hunderttausende wurden verwundet.
Diese Zahlen wären zwar in jedem Krieg erschreckend, doch die Ukraine ist obendrein ein relativ dünn besiedeltes Land. Vor dem Krieg lebten dort weniger als 40 Millionen Menschen, von denen inzwischen mehr als acht Millionen geflohen sind und mehrere Millionen in Gebieten leben, die von Russland beansprucht werden. Videos und Bilder, die in den sozialen Medien kursieren, lassen vermuten, dass überall im Land Massengräber mit Leichen von Soldaten zu finden sind. Die ukrainische Regierung ist eindeutig besorgt über die politischen Auswirkungen dieser Bilder und hat deshalb vor kurzem ein Verbot von Video- und Bildaufnahmen auf Friedhöfen erlassen.
Während sämtliche Lügen der imperialistischen und ukrainischen Kriegspropaganda zerstört werden, wird das Schicksal des Selenskyj-Regimes zunehmend prekär.
Im Unterschied zu seinen Beratern und Ministern hat sich Selenskyj mit Aussagen über die Pentagon-Leaks auffällig zurückgehalten. Stattdessen hat er in den letzten zwei Wochen Gespräche mit dem britischen Premierminister Rishi Sunak und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron geführt und ein aufwändig produziertes Video zur Feier des orthodoxen Osterfestes veröffentlicht. Außerdem unternahm er eine PR-Reise an die Front zur ostukrainischen Stadt Awdiiwka, die nur 90 Kilometer südwestlich des „Fleischwolfs“ Bachmut liegt. Wie aus den Pentagon-Dokumenten hervorgeht, sind die ukrainischen Streitkräfte „seit dem 25. Februar in Bachmut operativ nahezu vollständig von russischen Truppen eingekreist.“
Am Dienstag veröffentlichte Politico einen Artikel, laut dem Selenskyj möglicherweise bald abgesetzt wird aufgrund von Anschuldigungen, er sei nicht ausreichend gegen „Korruption“ vorgegangen. Der Reporter und Pulitzerpreis-Gewinner Seymour Hersh warf Selenskyj und seinem Gefolge vor kurzem die Veruntreuung von 364 Millionen Euro vor.
Politico zitierte zunächst einige bürgerliche, EU-freundliche ukrainische Regierungsvertreter, danach einen anonymen „ehemaligen hochrangigen US-Diplomaten mit beträchtlicher Erfahrung“ mit den Worten: „Wir haben noch keine signifikanten Bemühungen festgestellt, Korruption zu bekämpfen – vielleicht mit einer wichtigen Ausnahme. Ich glaube, sie versuchen wirklich zu verhindern, dass die massive westliche Hilfe, die sie erhalten, abgezweigt wird. Ich glaube, sie verstehen, welche Risiken ein schwerer Skandal birgt.“ Damit deutete er eine Absetzung Selenskyjs an.
Über die so genannten „zivilgesellschaftlichen“ Kräfte hinter dem rechten Putsch, mit dem der pro-russische Präsident Wiktor Janukowitsch 2014 gestürzt wurde, erklärte er: „In ihren Augen wird es eine Abrechnung geben, sobald der Krieg beendet ist. Und ich denke, das wird wahrscheinlich so sein.“ Die „Zivilgesellschaft“ hinter dem Putsch von 2014 bestand größtenteils aus rechtsextremen und offen neofaschistischen Kräften. Seit Selenskyjs Machtübernahme im Jahr 2019 haben sie immensen Druck auf seine Regierung ausgeübt. Jetzt sind sie mit Nato-Waffen ausgerüstet und fest in das Militär integriert.
Erklärungen von Vertretern des Selenskyj-Regimes selbst deuten darauf hin, dass sie sich der Tatsache sehr wohl bewusst sind, dass sie mit immensem Druck konfrontiert würden, wenn sie den Krieg nicht fortsetzen. Oleksi Danilow, Sekretär des Nationalen Sicherheitsrats- und Verteidigungsrats der Ukraine, erklärte kurz nach Bekanntwerden der Pentagon-Leaks offen, jeder Vorschlag Selenskyjs für Friedensverhandlungen mit Moskau käme einem „politischen Selbstmord“ gleich.