Kanada: Liberale Regierung und Gewerkschaften wollen Hafenarbeiterstreik in British Columbia beenden

Streikende Hafenarbeiter in British Columbia (BC): Kontaktiert uns hier oder füllt das Formular am Ende dieses Artikels aus, um euch anonym über eure Arbeitsbedingungen und Ansichten zu äußern, wie der Streik zum Erfolg geführt werden kann. In einer Situation, in der die liberale Regierung versucht, den Streik zu beenden, ist es noch wichtiger, den Maulkorb der ILWU abzuschütteln. Wir kämpfen für den Aufbau von Aktionskomitees, um die Kämpfe der Hafenarbeiter in ganz Nordamerika und weltweit zu vereinen.

Wie die liberale kanadische Regierung von Premierminister Justin Trudeau am Dienstagabend ankündigte, will sie durch eine Intervention den seit zwölf Tagen andauernden Streik von 7.400 Hafenarbeitern an der Westküste beenden.

Arbeitsminister Seamus O’Regan hat, unter Anwendung von Abschnitt 105 (2) des arbeiterfeindlichen kanadischen Arbeitsrechts einen staatlichen Schlichter bestimmt, der die Verhandlungen zwischen der British Columbia Maritime Employers Association (BCMEA) und der International Longshore and Warehouse Union (ILWU) geleitet hat, um die Bedingungen für eine Beendigung des Tarifstreits innerhalb von 24 Stunden zu schaffen. Die BCMEA und die ILWU werden dann 24 Stunden Zeit haben, um den von der Regierung diktierten Tarifvertrag anzunehmen oder abzulehnen.

Streikende Hafenarbeiter in British Columbia [Photo: ILWU Canada/Facebook]

O’Regans Vorgehen ist praktisch ein Back-to-Work-Gesetz. Bei der Ankündigung, dass die Regierung den normalen Tarifverhandlungsprozess umgehen wird, erklärte der Arbeitsminister: „Ich habe nach elf Tagen Arbeitsniederlegung beschlossen, dass sich die Positionen der Arbeitgeber und der Gewerkschaften nicht so stark unterscheiden, dass es einen längeren Ausfall der Arbeit rechtfertigen würde.“ Mit anderen Worten, wenn sich die ILWU weigert, ihren Mitgliedern die von der Regierung und dem Großkapital diktierte Einigung aufzuzwingen, werden die Liberalen das Parlament einberufen, um den „ungerechtfertigten“ Streik durch ein Streikbruchgesetz zu kriminialisieren.

Um diesen dreisten Angriff auf das Streikrecht der Arbeiter abzuwehren, müssen die streikenden Hafenarbeiter, ihre Genossen in den Häfen der US-Westküste und Arbeiter in ganz Kanada müssen mobilisiert werden. Aktionskomitees sollten in allen Häfen gegründet werden, um den Streik auszuweiten, statt ihn zu beenden, wie es die Regierung und ihrer Verbündeten in den Gewerkschaften planen. Sie müssen der ILWU-Bürokratie die Kontrolle über den Streik entreißen, da diese bereits ihre Bereitschaft angekündigt hat, vor einer von der Regierung diktierten Einigung zu kapitulieren.

Der Apparat der ILWU Canada unter Führung von Präsident Rob Ashton hat sich geweigert, die Intervention der Regierung zu verurteilen und erklärte, er werde erst einen Kommentar abgeben, wenn die Empfehlungen des Schlichters vorliegen. Damit gesteht er stillschweigend ein, dass die Regierung das „Recht“ hat, einen schlechten Tarifvertrag durchzusetzen, der die Forderungen der Arbeitgeber nach Zugeständnissen erfüllt.

Dies entspricht auch dem bisherigen Verhalten der Gewerkschaft während des Streiks. Selbst als sie der BCMEA vorwarf, sie setze in ihrer Verhandlungsstrategie auf eine Intervention der Regierung, und Ottawa demonstrativ aufforderte, sich aus dem Tarifstreit „herauszuhalten“, stellte sie nie die Frage, was die Arbeiter tun sollten, falls ein Back-to-Work-Gesetz erlassen wird.

O’Regans Behauptung, die Anliegen in dem Streik würden seine Fortsetzung nicht rechtfertigen, ist eine skandalöse Provokation und ein Angriff auf das Recht der Hafenarbeiter, demokratisch zu entscheiden, ob ein Arbeitskampf „gerechtfertigt“ ist oder nicht. Die Behauptung des Ministers, ein „guter Deal“ sei „in greifbarer Nähe“, ist offenkundig absurd und zeigt, dass die Regierung vollauf hinter den Arbeitgebern steht. Die Verhandlungen vor und während des Streiks waren geprägt von empörenden Forderungen der BCMEA und der Verunglimpfung der Streikenden als „überbezahlt und verwöhnt.“ Die Vereinigung, die etwa 49 Arbeitgeber in den 30 Häfen von British Columbia repräsentiert, will den Einsatz von Fremdfirmen massiv ausweiten, um die Arbeitskosten zu senken und durch Automatisierung weitere Arbeitsplätze abzubauen. Sie drängt außerdem auf massive Reallohnsenkungen und bietet den Arbeitern eine „Lohnerhöhung“ von 14,7 Prozent über vier Jahre an. Fünf Mitgliedsorganisationen der BCMEA sind globale Konzerne, die alleine im Jahr 2022 Profite von mehr als 100 Milliarden Kanadischen Dollar gemacht haben.

Da sich die BCMEA der Unterstützung der Regierung sicher ist, hat sie sich am dritten Streiktag arrogant aus den Verhandlungen zurückgezogen. Nachdem der Streik nun fast zwei Wochen andauert, untermauern die ihre Sprachrohre in den Mainstreammedien die schrillen Forderungen, die Regierung solle einschreiten und den Tarifstreit sofort beenden, mit Berichten über Unternehmen aus der Fertigungs- und Agrarindustrie, die ihre Produktion verlangsamen müssen.

Für die liberale Regierung hätte es zwei Vorzüge, wenn sie Abschnitt 105 (2) des Arbeitsrechts anwendet, um den Streik zu beenden. Zum einen ist dieser Prozess schneller als eine Wiedereinberufung des Parlaments und die Verabschiedung eines Back-to-Work-Gesetzes, was zusammen mehrere Tage dauern würde. Wenn die ILWU vor O’Regans Vorschlag kapituliert, können die Arbeiter bereits am Donnerstagabend zur Rückkehr an die Arbeit gezwungen werden. Zum anderen kann die Regierung auf diese Weise die Bedingungen der Arbeitgeber durchsetzen, ohne die volle Staatsmacht zum Einsatz bringen zu müssen und sich damit offen als Werkzeuge des Großkapitals, und das Tarifverhandlungssystem als Farce zu entlarven.

Wie schon so häufig seit ihrem Machtantritt im Jahr 2015 ziehen es die Liberalen vor, bei der Unterdrückung des Klassenkampfes und der Umsetzung der Forderungen der kanadischen Wirtschaft auf die Dienste der Gewerkschaftsbürokratie zu setzen. Sollten sich die ILWU-Bürokraten weigern, die geplante Einigung durchzusetzen, hätte die Trudeau-Regierung weiterhin die Macht, ein Streikbruchgesetz durch das Parlament zu peitschen, wie sie es im Mai 2021 beim Streik von 1.100 Hafenarbeitern in Montreal getan hatten.

Abschnitt 108 des kanadischen Arbeitsrechts gibt O’Regan auch die Möglichkeit, eine Abstimmung über den von der Regierung diktierten Tarifvertrag zu erzwingen, wenn die ILWU ihn ablehnt, die BCMEA ihn jedoch unterstützt.

In seinen Kommentaren vom Dienstag machte O’Regan deutlich, dass für die herrschenden Eliten in Kanada und den USA viel mehr auf dem Spiel steht als nur die Bedingungen eines neuen Tarifabkommens: „Das Ausmaß dieser Störungen zeigt, wie wichtig die Beziehung zwischen der BCMEA und der ILWU für unsere nationalen Interessen ist. Wir dürfen nicht zulassen, dass dieser Ausstand andauert und die Beziehung zwischen den beiden Parteien weiter beschädigt.“

Mit „nationalem Interesse“ meint O’Regan die Interessen des kanadischen Imperialismus, der ungestört funktionierende Lieferketten braucht, um gemeinsam mit dem US-Imperialismus seinen Kriegskurs im Ausland und die Förderung der „globalen Wettbewerbsfähigkeit“ – d.h. der Profite des Großkapitals – im Inland zu verfolgen. Die Häfen an der nordamerikanischen Pazifikküste sind wichtig für die Lieferung von Rohstoffen für die Rüstungsindustrie und die von dieser produzierten Waffen. Deshalb sind sie von entscheidender Bedeutung für die herrschenden Klassen der USA und Kanadas, die in der Ukraine Krieg gegen Russland führen und einen Krieg gegen China vorbereiten.

O’Regans Sorge um potenzielle „Beschädigung der Beziehung“ zwischen der BCMEA und der ILWU zeigt, welch entscheidende Bedeutung die korporatistische Partnerschaft zwischen der Gewerkschaftsbürokratie, dem Großkapital und der Regierung für die nordamerikanischen imperialistischen Mächte hat. Da sie sich während des Streiks umfassend mit der Biden-Regierung abgesprochen haben, ist sich O’Regan zweifellos bewusst, wie die Demokraten ihre „Beziehung“ zur Gewerkschaftsbürokratie benutzt haben, um im letzten Dezember einen Streik von über 110.000 Eisenbahnern zu verhindern, der massive Auswirkungen auf die Lieferketten und möglicherweise die Kriegsanstrengungen gehabt hätte. O’Regan ist zudem Mitglied einer Regierung, die ihre engen Beziehungen zur Gewerkschaftsbürokratie immer wieder benutzt hat, um den Klassenkampf zu unterdrücken, u.a. im April durch die Durchsetzung eines Ausverkaufs an dem zweiwöchigen Streik von 155.000 Beschäftigten der Bundesregierung.

In seinen Äußerungen vom Dienstag machte er kein Geheimnis aus der Tatsache, dass er die Gewerkschaft als Partner dabei sieht, den Arbeitern die Bedingungen der Arbeitgeber aufzuzwingen. Die Interessen der Arbeiter stehen nicht nur im Konflikt mit denen der Arbeitgeber, sondern auch mit denen der ILWU-Bürokraten. Der Deal, der jetzt vom staatlichen Schlichter ausgearbeitet wird, sei „sowohl für den Arbeitgeber als auch für die Gewerkschaft vertretbar.“ Die Interessen der Arbeiter hielt er nicht einmal für erwähnenswert.

Um den Streik zu beenden, hat die liberale Regierung die Dienste von Hassan Yussuff, dem ehemaligen Präsidenten des größten kanadischen Gewerkschaftsbundes Canadian Labour Congress (CLC), in Anspruch genommen. Yussuff erschien am Montag zum ersten persönlichen Treffen zwischen den beiden Parteien seit über einer Woche. Er verkörpert die arbeiterfeindlichen korporatistischen Beziehungen zwischen der liberalen Regierung und der Bürokratie.

Als CLC-Präsident hatte Yussuff eine wichtige Rolle bei der Neuverhandlung des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens (NAFTA) mit der Trump-Regierung gespielt, die auf die Konsolidierung eines von den USA geführten Handelsblocks zu Lasten der strategischen Rivalen der beiden imperialistischen Mächte abzielten. Er spielte auch eine wichtige Rolle darin, die mörderische „Profite vor Leben“-Politik der herrschenden Elite in der Pandemie durchzusetzen, u.a. durch die tödliche Back-to-Work-Kampagne. Für seine Dienste an der Finanzoligarchie ernannte Trudeau Yussuff nach seinem Rückzug von der CLC in den kanadischen Senat.

Dass Yussuff nach Vancouver geschickt wurde, verdeutlicht die zunehmende Angst innerhalb der herrschenden Kreise, dass der Streik – wenn er nicht schnell beendet wird – als Katalysator für eine breitere Bewegung der Arbeiter in ganz Nordamerika gegen den kapitalistischen Austeritätskurs und die Unterordnung der Ressourcen der Gesellschaft für imperialistischen Krieg fungieren könnte. Am Montag verurteilte die BCMEA die Ankündigung der ILWU, ihre Mitglieder in den USA würden keine aus Vancouver in amerikanische Häfen umgeleiteten Container entladen, auf das Schärfste. Dies verdeutlicht die Angst der Arbeitgeber vor einem gemeinsamen Kampf der Arbeiter auf beiden Seiten der Grenze zu den USA. Die BCMEA tobte: „Die Führung der ILWU Canada hat sich sogar mit den Hafenarbeitern an der US-Westküste zusammengetan, die sich weigern, aus dem Hafen von Vancouver nach Seattle umgeleitete Containerschiffe zu entladen. Damit verursachen sie weitere Schäden an der Zuverlässigkeit und Wettbewerbsfähigkeit der Häfen an der gesamten Westküste.“

Tatsächlich hat sich die Initiative der ILWU als weitgehend wirkungslos erwiesen und sollte vor allem die große Zustimmung der Belegschaften zu einem vereinten Kampf mit den nordamerikanischen Hafenarbeitern gegen die Arbeitgeber beschwichtigen. Aus Sicherheitsgründen erhielten die Hafenarbeiter und die ILWU keine Informationen darüber, welche Container auf welchen Schiffen sind, sodass Reeder und ihre Kunden Fracht noch auf See umetikettieren und den Zielhafen ändern können. Am Montag trafen in Seattle zwei Schiffe ein, die von Vancouver umgeleitet wurden. Dass sie später ankündigten, nach Kanada zurückzukehren, ist ein klares Zeichen dafür, dass die Fracht in Seattle gelöscht oder in einem anderen US-Hafen entladen werden soll.

Die ILWU hat während des ganzen Streiks daran gearbeitet, die amerikanischen und kanadischen Hafenarbeiter hermetisch voneinander abzuriegeln. In enger Zusammenarbeit mit der Biden-Regierung kündigte sie letzten Monat plötzlich eine vorläufige Vereinbarung für 22.000 amerikanische Hafenarbeiter an, gerade als sich ihre kanadischen Kollegen eindeutig für einen Streik ausgesprochen hatten. Die Ankündigung dieses Deals, dessen Ratifizierung mehrere Wochen lang hingezogen wird, zielt darauf ab, einen gleichzeitigen Streik auf beiden Seiten der Grenze zu verhindern. Die Hafenarbeiter an der US-Westküste müssen auf Geheiß der ILWU seit über einem Jahr ohne Tarifvertrag arbeiten.

Die Vereinigung der Kämpfe der Hafenarbeiter in ganz Nordamerika ist von entscheidender Bedeutung für den Sieg über die aggressive Intervention, mit der die Trudeau-Regierung den Streik unterdrücken will. Die streikenden Hafenarbeiter in BC müssen ihre amerikanischen Genossen dazu aufrufen, sich an dem Kampf zu beteiligen und ihn auf weitere Sektionen der Arbeiter in ganz Kanada auszudehnen, die ein direktes Interesse am Sieg über die immer weitergehenden Bestrebugnen der herrschenden Klasse haben, das Streikrecht zu beschneiden.

Dieser Kampf muss als Rebellion gegen die ILWU-Bürokratie und ihre Hintermänner in der New Democratic Party geführt werden. Letztere unterstützen die Trudeau-Regierung, die jetzt auf den Rechten der Hafenarbeiter herumtrampelt. Die Arbeiterklasse muss eine Gegenoffensive vorbereiten, um dem Austeritäts- und Kriegskurs der herrschenden Elite, dem Einsatz autoritärer Metoden und der Macht des kapitalistischen Staates, diese durchzusetzen, ein Ende zu bereiten.

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