Rotterdam: Hafenarbeiter boykottieren aus Solidarität mit 800 entlassenen Seeleuten eine Fähre von P&O

Am Freitag weigerten sich holländische Schauerleute, die Fracht der P&O-Fähre „Pride of Rotterdam“ zu löschen. Sie übten Solidarität mit den 800 Seeleuten, die P&O Ferries am 17. März entlassen hatte. Damit hielten sie den Kurs der Fähre nach Hull im Vereinigten Königreich auf, und das Schiff konnte den Europoort in Rotterdam nur mit großer Verzögerung verlassen.

Ein Video, das jubelnde Hafenarbeiter zeigt, die den Eingang der Fähre blockieren, wurde von Niek Stam, einem Sekretär der FNV Dockers, getwittert und fand weite Verbreitung. Es wurde am 25. März um 18.42 Uhr veröffentlicht und bis zum Montag über 800.000 Mal angesehen.

Die Aktion der niederländischen Schauerleute löste am Samstag weitere Aktionen in Hull aus. Dutzende von Unterstützern der P&O-Entlassenen strömten auf die A64 und hielten den Verkehr auf, der über die Hedon Road zum King George Dock rollte. Diese Fahrzeuge wollten in Hull an Bord der „Pride of Rotterdam“ gehen, die jedoch durch die Aktion der niederländischen Hafenarbeiter aufgehalten wurde.

Die internationale Solidarität der Arbeiter im Hafen von Rotterdam, dem größten Seehafen Europas und dem größten Seehafen der Welt außerhalb Ostasiens, zeigt die enorme kollektive Stärke der Arbeiterklasse, die auf der Grundlage eines Kampfs für den sozialistischen Internationalismus mobilisiert werden muss.

Den britischen Gewerkschaften und Labour-Abgeordneten war die Solidaritätsaktion deshalb ein Gräuel. Obwohl es sich bei der Seefahrt um die globalste aller Branchen handelt, sind diese Bürokraten dagegen, dass sich Arbeiter in Großbritannien mit ihren Kollegen in anderen Ländern zusammenschließen. Sie richten all ihre Bemühungen auf die konservative Regierung, von der sie ein Eingreifen zur „Rettung der britischen Fähren“ und der britischen Seefahrt fordern.

Zehn Tage nach den Entlassungen haben die Gewerkschaften Rail, Maritime and Transport (RMT) und der kleinere Berufsverband Nautilus International noch nicht einmal mit einem Arbeitskampf gedroht, geschweige denn zu einer Urabstimmung aufgerufen. Dabei sind ihre eigenen Mitglieder fristlos entlassen und von vermummten Security-Schlägern, die mit Handschellen ausgerüstet waren, von den Schiffen geworfen worden.

Der britische Gewerkschaftsdachverband TUC konnte sich bis Samstagmorgen um 9.30 Uhr, also fast 17 Stunden lang, nicht dazu durchringen, das Video der Aktion der niederländischen Arbeiter auf dem eigenen Twitter-Account zu retweeten. Als es schließlich doch geschah, wurde der Tweet über 13.000 Mal geliked und über 2.600 Mal geteilt. Der Labour-Abgeordnete für Hull, Karl Turner, leitete das Video mit dem Kommentar weiter: „Schließ dich heute noch einer Gewerkschaft an.“

Die Reaktionen auf den TUC waren weniger blasiert. Ein Kommentar lautete: „Alle Achtung vor den Rotterdamer Hafenarbeitern. Sie stellen sich mit der @RMT-Gewerkschaft gegen @POferries. Aber wenn sie kämpfen können, warum tut ihr es nicht?“ Ein anderer schrieb: „TUC verwechselt warme Worte mit Solidarität.“ Und wieder ein anderer: „Sie machen mehr als der TUC … Etwas peinlich, wenn ihr mich fragt! Erhebt euch von den Knien und tut was! Solidarität mit den entlassenen P&O-Beschäftigten und internationale Solidarität mit den Genossen in Europa!“

Die Weigerung der Gewerkschaften, einen Finger zu rühren, geschieht unter Bedingungen, unter denen sogar die Inspektoren der Tory-Regierung letzte Woche das P&O-Schiff „European Causeway“ in Larne, Nordirland, wegen „Fahruntauglichkeit“ festsetzen mussten. Die Inspektoren stellten Mängel bei der Einweisung und Ausbildung der Crews und bei der Schiffsdokumentation fest – alles Punkte, die die Sicherheit der Besatzung, der Passagiere und anderer Schiffe gefährden können.

Am Samstag haben erneut hunderte Demonstranten in den Häfen von Dover, Hull und Liverpool gegen die Entlassungen demonstriert.

Ein Redner der RMT bestätigte zwar die Aktion in Rotterdam, konzentrierte sich jedoch auf die Forderung, dass der Vorstandsvorsitzende von P&O, Peter Hebblethwaite, zurücktreten müsse. Ihm sei es gelungen, „den Ruf dieses 185 Jahre alten Unternehmens an einem Tag zu zerstören“. Wenn Hebblethwaite und sein Vorstand zurücktreten, so ein Gewerkschaftsvertreter, „dann und nur dann können wir die fantastische Marke wieder aufbauen, die es vorher war.“

Mitglieder der Socialist Equality Party verteilten Flyer mit ihrem Statement, das zur Gründung unabhängiger Aktionskomitees aufruft, und forderten die Arbeiter auf, den Nationalismus der Bürokraten zurückzuweisen und eine internationale Strategie zu unterstützen. WSWS-Reporter sprachen mit Teilnehmern der Kundgebung in Dover.

Chloe sagte: „Ich bin hier, um meine Schwester zu unterstützen. Sie hat ihren Job als P&O-Angestellte an Land verloren. Die Proteste dürfen nicht aufhören, bis Gerechtigkeit hergestellt ist. Was sich das Unternehmen leistet, ist empörend. Alle Arbeiter müssen zusammenhalten.“

Layla ergänzte: „Mein Schwiegervater war 35 Jahre lang Ingenieur bei P&O. So darf man mit seinen Arbeitern einfach nicht umspringen. Wenn P&O so etwas tut und damit durchkommt, werden andere Unternehmen es auch tun. Deshalb müssen wir alle zusammenhalten und ihnen klarmachen, dass wir uns das nicht gefallen lassen.“

Paul, ein Seemann, der seit kurzem im Ruhestand ist, hatte früher für P&O gearbeitet. Er sagte: „Was die Reederei sich geleistet hat, ist abscheulich und hätte nicht zugelassen werden dürfen. Die Schuld liegt bei den Tories, die das Arbeitsrecht geändert haben. Warme Worte haben keine Bedeutung, was wir brauchen sind Taten.

Früher hatten wir eine Besatzung von über 20 Leuten, dann wurde sie auf 16, dann auf neun und schließlich auf sechs Mann reduziert. Wir waren rund um die Uhr, 24 Stunden täglich, auf dem Schiff. Die Arbeitsbelastung hatte dermaßen zugenommen, dass es für mich zu unsicher wurde. Ich habe letztes Jahr aufgehört, weil mein Gesundheitszustand immer schlechter wurde.“

Paul betonte, dass es notwendig sei, dass die Crews gründlich ausgebildet würden. „Jetzt haben sie Streikbrecher zu schlechten Bedingungen eingestellt, und das ist gefährlich. Ich hatte schon mit vielen Situationen zu tun, z. B. wenn jemand über Bord geht, oder wenn ein Brand auf einem Schiff ausbricht. Man braucht ein geschultes Team, um damit umzugehen. Diese Leute werden nicht geschult. Es dauert mindestens sechs Monate, um die Arbeit auf der Fähre gründlich zu kennen, und das sind nur die Grundlagen. Man lernt nie aus, es ist ein ständiger Prozess.“

Paul arbeitete gerade auf einer Fähre, als am 6. März 1987 die „Herald of Free Enterprise“ sank. Das war kurz nach ihrem Auslaufen aus dem belgischen Hafen Zeebrugge, und 193 Besatzungsmitglieder und Passagiere ertranken. „Das war schrecklich, und daraus wurden keine Lehren gezogen.“

Paul wies darauf hin, dass die 800 Entlassungen nicht die ersten, sondern nur die jüngsten in einer langen Reihe von Stellenstreichungen seien. „Vor nicht allzu langer Zeit [Juni 2020] verloren 1.200 Menschen ihren Arbeitsplatz, und jetzt sind es noch einmal 800, die entlassen werden.“

John, ein Angestellter des NHS, des britischen Gesundheitswesens, sagte: „Das ist ein Angriff auf die Arbeiterklasse. Es dreht sich hier nur um die Profiteure, die mehr Geld verdienen wollen und sich nicht um die Arbeitskräfte in ihrer Umgebung kümmern. Es müsste so sein, dass die Arbeiter demokratisch bestimmen, und nicht ein paar Fettwänste, die das ganze Geld für sich behalten. Man muss den Konzernen zeigen, dass sich die Menschen nicht auf diese Weise behandeln lassen.

Die Arbeiterklasse leidet unter der Krise der Lebenshaltungskosten. Alles wird teurer, aber die Löhne sinken. Die Regierung tut nichts, um die Arbeiter zu unterstützen, sie unterstützt nur die Aktionäre und die Unternehmen. Wir müssen die Art und Weise, wie dieses Land regiert wird, ändern. Wir brauchen einen Sozialismus, der demokratisch von den Arbeitern für die Arbeiter geführt wird.“

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