Die USA und Südkorea veranstalten diese Woche von Montag bis Freitag umfangreiche Luftwaffenübungen auf und um die koreanische Halbinsel. Hierbei handelt es sich um die jüngste Provokation, die Washington und seine Verbündeten in dieser Region organisieren. Sie werden zwar als defensive Reaktion auf angebliche Drohungen Nordkoreas dargestellt, signalisieren jedoch, dass Washington mit seiner militärischen Aufrüstung fortfahren wird, die sich vor allem gegen China richtet.
Die Übung mit dem Namen Vigilant Storm ist die erste ihrer Art seit 2017 und gehört zu den größten gemeinsamen Übungen der Streitkräfte der beiden Länder in diesem Jahr. Insgesamt sind daran etwa 240 Flugzeuge beteiligt. Der Pentagon-Pressesprecher Brigadier General Pat Ryder erklärte am 1. November, die Übung sei „seit langem geplant und konzentriert sich darauf, die Fähigkeit unsrer Streitkräfte zur Zusammenarbeit bei der Verteidigung der Republik Korea und unserer Verbündeten in der Region zu verbessern.“
Die USA haben mehr als 100 Flugzeuge geschickt, darunter Tarnkappenjäger des Typs F-35B, die im japanischen Okinawa stationiert sind; EA-18-Kampfflugzeuge zur elektronischen Kriegsführung; Tankflugzeuge des Typs KC-135 und Aufklärungsflugzeuge des Typs U-2. Das südkoreanische Kontingent umfasst 140 Flugzeuge, darunter F-35-A-Tarnkappenjäger und Jagdflugzeuge der Typen F-15K und KF-16. Daneben ist ein KC-30A-Mehrzwecktankflugzeug der australischen Luftwaffe vertreten, was die zunehmende Einbindung Canberras in die Kriegspläne der USA und ihrer regionalen Verbündeten unterstreicht. Sie sollen im Laufe der Woche vermutlich etwa 1.600 Einsätze fliegen.
Wie die US Air Force erklärte, werden die Streitkräfte der beiden Länder „zusammenarbeiten, um während der Übung 24 Stunden am Tag groß angelegte Lufteinsätze wie Luftnahunterstützung, defensive Luftabwehr und Notfalloperationen durchzuführen... Unterstützungskräfte am Boden werden ihre Stützpunktverteidigungsverfahren und Überlebensfähigkeit im Fall von Angriffen trainieren.“
Diese gemeinsamen Luftwaffenübungen die früher unter dem Namen Vigilant Ace bekannt waren, begannen 2015 und wurden bis 2017 jährlich abgehalten. Zuletzt nahmen etwa 230 Flugzeuge der USA und Südkoreas daran teil. Dass Washington diese Übungen einstellte, war Teil der Versuche der damaligen Trump-Regierung, Pjöngjang durch eine Mischung aus vagen Versprechen über wirtschaftliche Unterstützung und Drohungen mit der „völligen Vernichtung“ aus dem Einflussbereich Chinas zu lösen.
Statt zu versuchen, die Situation zu entschärfen, facht Washington durch die Wiederaufnahme von groß angelegten Militärübungen mit Südkorea die Spannungen in der Region bewusst an. So fand im August die Übung Ulchi Freedom Shield statt, die Pjöngjang in eine Lage versetzte, in der es sich zu einer Reaktion gezwungen sah. Solche Reaktionen will Washington als Rechtfertigung benutzen, um die Region weiter zu militarisieren und um die Abhaltung von Militärübungen vor Chinas Haustür weiter zu rechtfertigen.
Am 1. November bezeichnete das nordkoreanische Außenministerium Washington als „Hauptschuldigen für die Zerstörung von Frieden und Sicherheit“. Das Ministerium fügte hinzu: „Wenn die USA ihre schweren militärischen Provokationen fortsetzen, wird die DVRK (Demokratische Volksrepublik Nordkorea) stärkere Folgemaßnahmen als in Betracht ziehen.“
Am 2. November feuerte Pjöngjang mindestens 23 Kurzstreckenraketen und Boden-Luft-Raketen sowie 100 Artilleriegranaten ins Japanische Meer und das Gelbe Meer. Laut dem südkoreanischen Militär überflog eine Kurzstreckenrakete die faktische Seegrenze im Japanischen Meer zwischen den beiden koreanischen Staaten, bevor sie in internationalen Gewässern landete. Hierbei handelt es sich Berichten zufolge um das erste Mal seit dem Koreakrieg von 1950 bis 1953, dass eine nordkoreanische Rakete die Grenze zum Süden überquerte. Daraufhin feuerten südkoreanische Luft-Boden-Raketen in die internationalen Gewässer nördlich der Grenze.
Letzten Endes sind die USA für die Verschärfung der Spannungen verantwortlich, da sie das faktische Abkommen missachtet haben, das Trump und der nordkoreanische Staatschef Kim Jong-un bei ihrem Treffen im Jahr 2018 ausgehandelt hatten. In Folge dieses Abkommens stellte Nordkorea seine Interkontinentalraketentests und seine Atomtests ein, während Washington seine gemeinsamen Militärübungen mit Südkorea aussetzte.
Pjöngjang hielt seinen Teil der Abmachung ein und hoffte auf Wirtschaftshilfe und die Aufhebung der verheerenden Sanktionen, die die USA verhängt hatten. Dazu kam es jedoch nicht. Washington ließ die Situation in Nordkorea weiter schwelen, solange Pjöngjang keine neuen Tests durchführte, sodass die USA ihre Energien darauf konzentrieren konnten, den Krieg mit Russland in der Ukraine und mit China wegen Taiwan zu schüren. Diese Situation setzte sich zunächst nach dem Amtsantritt von Joe Biden im Januar 2021 fort.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Doch da Pjöngjang in fast fünf Jahren keine Hilfe von Washington erhalten hat, führte es im März seinen ersten Interkontinentalraketentest seit Beginn des Moratoriums durch. Darauf folgte ein zweiter im Mai nach einem provokanten Gipfeltreffen zwischen Biden und dem gerade erst vereidigten südkoreanischen Präsidenten Yook Suk-yeol in Seoul.
Bei dem Gipfel einigten sich Biden und Yoon darauf, strategische Kapazitäten in der Region zu stationieren und erstmals seit Januar 2018 wieder ihre gemeinsame Extended Deterrency Strategy and Consultation Group (Gruppe zur Strategie und Beratung der erweiterten Abschreckung) wieder einzuberufen. Sie bietet Washington und Seoul die Möglichkeit, strategische und politische Fragen hinsichtlich der so genannten erweiterten Abschreckung zu diskutieren, zu der auch der Einsatz von Atomwaffen gehört. Yoon strebt zudem engere Beziehungen mit Japan an, was ebenfalls eine wichtige Forderung in Washingtons Kriegsplanungen war.
Die Biden-Regierung hat Pjöngjangs zahlreiche Raketenabschüsse seit September, u.a. von Kurzstreckenraketen, jedoch nicht von Interkontinentalraketen, bewusst geschehen lassen. Pjöngjang hat außerdem davon abgesehen, einen siebten Atomwaffentest durchzuführen, obwohl Washington monatelang behauptet hat, Nordkorea stehe kurz davor. Diese Behauptung war Teil der US-Kriegspropaganda, die ihre eigene militärische Eskalation vertuschen und gleichzeitig Pjöngjang provozieren sollte.
Die gleiche Vorgehensweise haben die USA in ihren verbrecherischen Kriegen im Nahen Osten und in Zentralasien während der letzten drei Jahrzehnte angewandt: Verunglimpfung des anvisierten Ziels, Übertreiben der Bedrohung über alle Maßen, Aufbau von Druck, Wirtschaftsblockaden und Drohungen gegen das Opfer, sodann Ausnutzen jeder Reaktion zur weiteren Eskalation der Kriegstreiberei. Bezeichnenderweise hat die Biden-Regierung jeden Anschein aufgegeben, Verhandlungen mit Nordkorea anzustreben.
Das schiere Ausmaß der Übungen im Rahmen von Vigilant Storm im Vergleich zum Ausmaß von Pjöngjangs Reaktion widerlegt die Behauptungen der USA, diese Manöver seien defensiven Charakters. Nordkorea ist ein verarmtes Land mit 26 Millionen Einwohnern und größtenteils von der Weltwirtschaft isoliert. Die USA hingegen besitzen ein gewaltiges Militär und nutzen die Situation auf der koreanischen Halbinsel aus, einen Krieg mit Peking zu schüren, das Washington als die größte potenzielle Herausforderung für seine globale Hegemonie ansieht.