Weiterer Erfolg zweier WISAG-Flughafenarbeiter vor dem Hessischen Landesarbeitsgericht

Erneut haben zwei Bodenarbeiter am Frankfurter Flughafen ihren Fall in der zweiten Instanz gewonnen. Das Landesarbeitsgericht Hessen urteilte, dass WISAG Ground Service GmbH sie wiedereinstellen und ihnen die entgangenen Bezüge nachzahlen muss. Ein dritter, ehemaliger WISAG-Vorfeldbusfahrer drang dagegen mit seiner Klage auf Weiterbeschäftigung nicht durch.

Riza Kodak (links) und Köksal Kina (rechts), in der Mitte ihr Anwalt Ümit Degirmenci

Am 12. Oktober ging es zunächst um die Klagen der beiden Arbeiter Köksal Kina und Riza Kodak. Ihr Anwalt Ümir Degirmenci legte überzeugend dar, dass die erste Instanz, das Arbeitsgericht Frankfurt, anstatt den Fall sorgfältig zu prüfen, praktisch die Argumente des Konzerns eins zu eins übernommen hatte.

Dagegen kamen im zweitinstanzlichen Verfahren an diesem Mittwoch die Umstände der Massenentlassung vom 17. Dezember 2020 konkreter zur Sprache. Es ging um den Personalabbau bei WISAG, die seither eingestellten Leiharbeiter, die Arbeitsbedingungen am Flughafen und den hohen Krankenstand. Der entlassene Flughafenarbeiter Riza Kodak kam zu Wort, und er schilderte die Auswirkungen, die die Kündigungen auf die Arbeiter hatten.

„Ich habe seit 2000 am Flughafen gearbeitet“, sagte Kodak. „Ich kam nie zu spät und war in meinem Fach der Beste. In der Zeit, als ich den Ablauf koordinierte, bildete ich zudem neue Leute aus.“ Er habe als gewissenhafter Arbeiter im Sinne des Konzerns gearbeitet, „als wäre es meine eigene Firma“. Er erinnerte auch daran, dass die Arbeiter dem Unternehmen eigene Lohnbestandteile wie Weihnachtsgeld und Zusatzleistungen geschenkt hatten, um sie in schweren Zeiten zu unterstützen.

„Es tut weh, wie ein Stück Holz behandelt zu werden!“ fuhr er fort. „WISAG hat mich einfach gekündigt und damit mein Leben zerstört.“ Er schilderte, was seine Entlassung für die ganze Familie bedeutete, dass er beispielsweise den Kindern keinen Geigen- und Gitarren-Unterricht und kein Basketballturnier mehr finanzieren könne. „Das alles geht nicht mehr, seit ich meine Arbeit verloren habe. Es hätte so viele andere Lösungen gegeben. Aber WISAG hat sich dafür entschieden, mich nach 21 Jahren vor die Tür zu setzen. Von Anfang an ging ich davon aus, dass ich meinen Arbeitsplatz zurückbekommen muss.“

Beide, Riza Kodak und Köksal Kina, lehnten einen Vergleich auf der Grundlage einer Abfindung ab. „Wir Arbeiter haben doch auch Rechte! Und dafür kämpfen wir,“ so Kodak.

Die beiden gehören zu der Gruppe von Flughafenarbeitern, die sich gegen ihre Entlassung durch WISAG von Anfang an gewehrt hatten. Sie waren auf die Straße gegangen, hatten Demonstrationen und Kundgebungen und sogar einen Hungerstreik durchgeführt. Vor allem hatten sie den Kampf gegen ihre Entlassung unabhängig von Verdi aufgenommen, die als eigentliche Hausgewerkschaft am Flughafen eng mit Fraport, Lufthansa und den anderen Firmen kooperiert. Bei WISAG hatte der Verdi-Betriebsrat die Entlassungen mit organisiert.

Für die Gegenseite der beklagten WISAG führten neben Holger Kube, einem Geschäftsführer, diesmal mehrere Vertreter der Wirtschaftskanzlei Schweibert, Leßmann und Partner das Wort. Anwesend waren Frau Dr. Ulrike Schweibert und der Wirtschaftsanwalt Alexander Pfeiffer. Nachdem in der Vorwoche schon zwei WISAG-Arbeiter ihren Fall gewonnen hatten, bot der Konzern den zwei Klägern noch vor der Gerichtsverhandlung überraschend eine verdoppelte Abfindung von 26.000 Euro an. Beide lehnten ab.

Zum Grund der Entlassungen verwickelte WISAG sich in Widersprüche. Während Schweibert als Grund für den Personalabbau weiterhin die Corona-Pandemie angab („Wir haben lange die Kurzarbeit genutzt, aber wir konnten nicht ewig so weitermachen“), machte Geschäftsführer Kube deutlich, dass WISAG die Pandemie in Wirklichkeit nur genutzt hatte, um „unwirtschaftliches Personal“ loszuwerden. („Wir sind ein Unternehmen, das Geld verdienen muss.“) Das bestätigte Anwalt Pfeiffer mit den Worten: „Es ist vollkommen egal, ob vor Corona oder nach Corona, es hatte nichts mit Corona zu tun. Die Entscheidung wurde auf der Grundlage getroffen, dass wir das beste Level erreichen mussten.“

Schweibert argumentierte dann mit dem neuen, wundersamen Computersystem RTC, das angeblich sehr viele Arbeitsplätze erübrige. Sie sagte: „Der Kern der Wahrheit ist, dass ich aufgrund der neuen Software einen so krassen Abbau gut hinkriege. Das funktioniert wie ein Autopilot.“

Sie räumte ein, dass der Konzern immer mehr auf Leiharbeiter setzt, und erklärte das nicht nur mit den „Peaks“ in der Hochsaison. Die Topanwältin, die selbst über ein mindestens fünfstelliges Monatsgehalt verfügt, klagte über die schlechte Arbeitsmoral der Bodenarbeiter. Eine Krankenquote von 26 Prozent sei einfach nicht normal. Sie sagte: „Diese Leute sind auch gar nicht krank. Es ist ein Motivationsproblem.“ Und: „Wir brauchen die Leiharbeiter auch, weil es nicht vorhersehbar war, dass wegen Krankheit so viele ausfallen.“ Dennoch funktioniere das System mit der reduzierten Mannschaft bestens.

Dies griff Rechtsanwalt Degirmenci mit den Worten auf: „Sie sagen, der hohe Krankenstand sei Ausdruck einer Art Arbeitsverweigerung, aber in Wirklichkeit ist er das Resultat der zu hohen Arbeitsbelastung. Das ist am Flughafen offensichtlich. Dafür stellen Sie Leiharbeiter ein, aber es ist ein Dauerproblem. Wir hören hier, dass Leiharbeiter sowohl für die saisonalen Belastungen, die Peaks, als auch für die AU-Zeiten [Zeiten der Arbeitsunfähigkeit, Krankheitstage] benötigt werden. Sie werden das ganze Jahr benötigt. In Wirklichkeit ist das ein verschleierter Dauerbedarf.“ Zu der neuen Software sagte Degirmenci: „Es ist eine Illusion zu glauben, die Software mache alles alleine.“

Im Lauf des Verfahrens wurde sehr deutlich, welche Probleme am Flughafen vorherrschen: Durch neue, hochprofessionelle Technik werden gewisse Abläufe vereinfacht, so dass dafür weniger Zeit benötigt wird. Anstatt nun auf dieser Grundlage die überlangen, hoch-belastenden Arbeitsschichten zu verkürzen und sicherzustellen, dass gut ausgeruhtes, gesundes und motiviertes Personal die Flugzeuge abfertigt, werden so viele Beschäftigte wie nur irgend möglich gekündigt.

Allein unter den Bodenarbeitern sind seit Ende 2020 bei LH-Cargo und LH-Technik, Fraport, Frasec, LSG, ASG etc. weit über 20.000 Arbeiter entlassen worden. Unbekannt ist, wie viele Leiharbeiter mittlerweile die Arbeit für schlechten Lohn und ohne Sicherheit ausführen. Bei WISAG waren es 283 Arbeiter, die entlassen wurden, und viele von ihnen sind heute noch arbeitslos.

Einer von ihnen ist auch Ergün Tasaroglu, der an diesem Tag der dritte Kläger war, und dessen Klage abgewiesen wurde.

Tasaroglu gehört zu der Gruppe der 31 Vorfeldbusfahrer, die bereits zum 1. Oktober 2020 entlassen wurden. WISAG hatte alle Busfahrer im Rahmen eines „Betriebsübergangs“ zu einer Strohmann-GmbH geschickt, der Sky City Bus GmbH. Sie hatte vor März 2020 überhaupt nicht existiert. Ihr Geschäftsführer war vorher bei WISAG angestellt gewesen, und sowohl die Busse als auch die Aufträge kamen von WISAG.

Für die Busfahrer bedeutete der Übergang den Verzicht auf Lohnbestandteile und Urlaubstage und den Wechsel von einer festen zur befristeten Arbeitsstelle. Wer das nicht akzeptierte, dem wurde gekündigt, er wurde sofort vom Hof gejagt, und die Lohnzahlung wurde ihm mit sofortiger Wirkung eingestellt. Mehrere WISAG-Busfahrer hatten dagegen geklagt. Im letzten Jahr hatte die Richterin am Arbeitsgericht, Frau Dr. Jana Kraus, einem Busfahrer ins Gesicht gesagt: „Sie wissen ja: Recht und Gerechtigkeit gehen selten Hand in Hand.“

Auch der Vorsitzende Richter der zweiten Instanz, Matthias Kreutzberg-Kowalczyk, tastete das fragile Konstrukt des „Betriebsübergangs“ von WISAG zu Sky City Bus GmbH nicht an. Schon am 7. September wies das Landesarbeitsgericht unter seinem Vorsitz die Berufungsanträge von 14 ehemaligen Vorfeld-Busfahrern gegen WISAG ab. Den Wechsel zu Sky City Bus betrachtete Richter Kreutzberg-Kowalczyk als normalen Teilbetriebsübergang. An einer Stelle sagte er, dem Gericht sei vom Grundgesetz vorgegeben, „das unternehmerische Recht“ zu schützen.

Dieser letzte Fall an dem Tag zeigte klar, dass Arbeiter sich nicht damit zufriedengeben dürfen, vor einem bürgerlichen Gericht mit ihrem Recht ausnahmsweise durchzudringen. Gerade die Busfahrer, die es am schlimmsten getroffen hat, sind auch in der zweiten Instanz bisher gescheitert. Für WISAG (wie auch für andere Unternehmen) könnte dies ein Fingerzeig sein, gerade über den Weg der Ausgründungen und Subunternehmen Lohndumping und Stellenabbau durchzusetzen.

Für WISAG ist die Methode bereits ein bewährtes Geschäftsmodell, um Lohndumping und Stellenabbau über immer neue Tochterbetriebe und Subunternehmen zu ermöglichen. Um ihre Hire-and-Fire-Praxis durchzusetzen, bedient sich der Konzern mittlerweile mehrerer Hundert solcher betrieblichen Konstrukte.

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