Die USA planen, Seestreitkräfte in den Hafen der nordgriechischen Stadt Alexandroupoli zu verlegen, der als wichtiges Drehkreuz im Nato-Krieg gegen Russland in der Ukraine dient. Dieser Schritt führt zu einer weiteren Eskalation der Spannungen zwischen Griechenland und der Türkei.
Letzte Woche berichtete die griechische Tageszeitung Kathimerini, dass „die US-Marine am Hafen von Alexandroupoli interessiert ist“ und fügte hinzu: „Hochrangige US-Militärs haben vorgeschlagen, den Hafen weiter zu vertiefen und auszubauen, um US-Zerstörer der Arleigh-Burke-Klasse aufzunehmen und zu versorgen.“
Diese Zerstörer „tragen Lenkraketen und haben erweiterte Fähigkeiten zur elektronischen Kampfführung“. Die Stationierung dieser Schiffe in der nördlichen Ägäis wäre ein wichtiger Schritt zur Einkreisung Russlands und zur Stärkung der Kampfkraft der USA und der Nato in der Region.
Diese Pläne und die laufende Aufrüstung der griechischen Luftwaffe lösen in Ankara Angst aus. Griechenland hat letzte Woche im Rahmen eines 1,5 Milliarden Dollar teuren Programms zur Modernisierung seiner Jagdflugzeugflotte seine ersten beiden F-16-Militärjets aus den Vereinigten Staaten erhalten. In Ankara wächst die Sorge, dass Griechenland im nächsten Jahrzehnt über eine stärkere Luftwaffe als die Türkei verfügen könnte.
Die militärische Aufrüstung auf dem Balkan ist Teil der ständigen Osterweiterung der Nato und der Militarisierung Ost- und Südosteuropas seit der Auflösung der Sowjetunion 1991.
Das Zusatzprotokoll zum Abkommen über gegenseitige Verteidigung und Zusammenarbeit, das 2019 zwischen den USA und Griechenland unterzeichnet wurde, umfasst die Modernisierung des Militärstützpunkts Souda auf der griechischen Insel Kreta, die Renovierung des Flughafens Larissa, die militärische Verstärkung des Luftwaffenstützpunkts Stefanovikeio zwischen Volos und Larissa sowie die Erweiterung und Modernisierung des Hafens von Alexandroupoli. Dieser griechische Teil der Nato-Kriegsvorbereitungen gegen Russland wurde weitgehend umgesetzt.
Darüber hinaus unterzeichneten die USA militärische Kooperationsabkommen mit Rumänien und Bulgarien, die beide 2004 der Nato beitraten. US-Truppen wurden auf Militärstützpunkten stationiert, die Anfang der 2000er Jahre eröffnet wurden.
Diese Militärbasen sind von strategischer Bedeutung für die Bewaffnung der ukrainischen Armee durch die USA und ihre Nato-Verbündeten im Krieg gegen Russland. Die Entscheidung der Türkei, gemäß dem Vertrag von Montreux unmittelbar nach Beginn des Ukrainekriegs die Meerenge zwischen der Ägäis und dem Schwarzen Meer für alle Kriegsschiffe zu sperren, hat die Bedeutung des Hafens von Alexandroupoli weiter erhöht. Kathimerini berichtete: „Tausende von Soldaten, Panzern, Hubschraubern und anderen Versorgungsgütern für US- und andere Nato-Truppen wurden schnell und effektiv nach Osteuropa verlegt.“
Zu diesem Zeitpunkt erhob der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan Einwände gegen die wachsende Militärpräsenz der USA in Griechenland, insbesondere gegen den Stützpunkt Alexandroupoli in der Nähe der türkischen Grenze.
Im Mai behauptete Erdoğan, die neun von Washington in Griechenland errichteten Militärstützpunkte seien gegen die Türkei gerichtet: „Sehen Sie, Griechenland schuldet Europa derzeit 400 Milliarden Euro. Zurzeit gibt es neun amerikanische Stützpunkte in Griechenland. Gegen wen richten sich also diese Stützpunkte, warum sind sie dort? Sie sagen: ‚Gegen Russland...‘ Das ist eine Lüge. ... Sie sind nicht ehrlich. Ihre Haltung gegenüber der Türkei ist angesichts all dessen offensichtlich.“
Darüber hinaus stellten türkische Vertreter in aggressiven Äußerungen die Souveränität Athens über die ägäischen Inseln in Frage und sprachen offene Drohungen aus, weil Griechenland die Inseln illegal bewaffnet habe. Am Sonntag berichtete die türkische Nachrichtenagentur Anadolu: „Videoaufnahmen [der türkischen Armee] zeigten, dass die Landungsschiffe Militärfahrzeuge zu den Inseln Midilli (Lesbos) und Sisam (Samos) brachten, die von den USA geschenkt wurden.“
Ankara beschuldigte Athen außerdem, dass Ende August und Anfang September türkische Kampfflugzeuge bei Nato-Einsätzen mit S-300-Raketen auf dem Radar verfolgt wurden. Anfang September gab die griechische Küstenwache Warnschüsse auf ein Handelsschiff in der Ägäis ab.
Die Türkei, die enge Energie-, Handels- und Militärbeziehungen zu Russland unterhält, ist besorgt, dass der Nato-Krieg den Interessen der türkischen Bourgeoisie schaden könnte. Die Türkei verfolgt gegenüber Russland eine andere Linie als ihre Nato-Verbündeten. Sie hat versucht, als Vermittler aufzutreten, indem sie unter der Schirmherrschaft der Uno einen „Getreidekorridor“ aus der Ukraine und den jüngsten „Gefangenenaustausch“ zwischen der Ukraine und Russland organisierte. Während sich die imperialistischen Nato-Mächte auf einen Atomkrieg mit Russland vorbereiten, ruft Erdoğan zu einer „Verhandlungslösung“ auf.
Ankara verkauft zwar weiterhin bewaffnete Drohnen an die Ukraine und wendet sich gegen die Annexion der Krim durch Russland, baut aber auch seine wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zu Moskau aus und beteiligt sich nicht an den von den USA verhängten Sanktionen gegen Russland. Der türkischen Regierung wurde vorgeworfen, über Banken und einige Häfen gegen die Sanktionen zu verstoßen.
Auch im Konflikt zwischen Aserbaidschan und Armenien sowie in den Nato-Kriegen in Syrien und Libyen hat die Türkei eher einen Deal mit Russland als mit ihren Nato-Verbündeten gesucht. Die Erdoğan-Regierung versucht, zwischen ihren Nato-Verbündeten und deren Hauptgegnern Russland und China zu manövrieren. Diese Politik verschärft die Spannungen, so dass Nato-Mächte wie die Vereinigten Staaten und Frankreich ihre militärischen Beziehungen zu Griechenland stärken. 2016 eskalierte der Konflikt in einem gescheiterten Putschversuch gegen Erdoğan.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Erdoğan hat sich für einen Beitritt zur Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) ausgesprochen und bei deren 22. Gipfeltreffen in Usbekistan teilgenommen, worauf seine Nato-Verbündeten verärgert reagierten.
Der türkische Präsident sprach mit dem Sender PBS in New York nach der 77. UN-Vollversammlung unmittelbar nach dem SOZ-Gipfel. Auf die Frage: „Sie beabsichtigen, der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit beizutreten. Zu dieser Organisation gehören Russland, China und der Iran. Wollen Sie, dass Ihr Land Teil des Ostens oder des Westens ist?“ antwortete Erdoğan: „Ich muss ganz klar sagen, dass wir Teil der Welt sind, weder des Ostens noch des Westens ... Aber die Europäische Union hat uns 52 Jahre lang hingehalten ... Wir könnten unweigerlich in eine Situation kommen, in der wir verschiedene Dinge suchen.“
In seiner heuchlerischen Rede vor der UN-Generalversammlung griff Erdoğan Griechenland an und gab sich als „Verteidiger“ der Flüchtlinge aus. Mit einem Foto von zwei Kindern, die in der Ägäis ertrunken sind, sagte er: „Griechenland verwandelt die Ägäis mit seinen rechtswidrigen und rücksichtslosen Pushbacks in einen Flüchtlingsfriedhof. Es ist höchste Zeit für Europa und die Institutionen der Vereinten Nationen, diesen Gräueltaten, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen, Einhalt zu gebieten.“
Der griechische Premierminister Kyriakos Mitsotakis antwortete Erdoğan vor der UNO: „Die Boote mit den verzweifelten Menschen, von denen Präsident Erdoğan spricht, verlassen die türkischen Küsten am helllichten Tag.“ Er machte die Türkei für die Krise verantwortlich. „Wenn Präsident Erdoğan über rote Linien sprechen will“, fuhr er fort, „dann sage ich dies: Die türkischen Ansprüche auf die Souveränität der griechischen Inseln sind unbegründet und inakzeptabel. Die Souveränität griechischer Territorien in Frage zu stellen, überschreitet eine rote Linie für alle Griechen.“
In Wirklichkeit sind sowohl die türkische als auch die griechische Regierung mitverantwortlich für das Leid der Flüchtlinge, die in der Ägäis ertrinken, in Lagern festgehalten werden oder gezwungen sind, in der Türkei zu verelenden. Beide Länder haben die imperialistischen Kriege im Nahen Osten unterstützt und sind Teil des reaktionären Antiflüchtlingsabkommens der Europäischen Union.
Es besteht eine ernste Gefahr, dass die kapitalistischen Regierungen in der Türkei und Griechenland angesichts des wachsenden Widerstands der Arbeiterklasse und explosiver geopolitischer Spannungen einen Krieg provozieren. Trotz der Aggression der Bourgeoisie auf beiden Seiten gibt es unter den Arbeitern keine Begeisterung oder Unterstützung für einen Krieg. Laut einer kürzlich durchgeführten Umfrage glauben 64 Prozent der Menschen in der Türkei, dass es keine Feindschaft zwischen der türkischen und griechischen Bevölkerung gibt.
Um einen verheerenden Krieg zu verhindern, muss diese Antikriegsstimmung, die in der Arbeiterklasse auf beiden Seiten der Ägäis vorherrscht, zur Grundlage einer bewussten und organisierten Bewegung gemacht werden, die ein internationales sozialistisches Programm vertritt. Dafür kämpft das Internationale Komitee der Vierten Internationale.