Die Bundesregierung gibt 29 Milliarden Euro aus, um den Gasimporteur Uniper zu kaufen und am Leben zu erhalten. Es ist die höchste Summe, die seit der Finanzkrise 2008 für den Erhalt eines einzelnen Unternehmens ausgegeben wurde, als der Staat den Bankensektor mit 480 Milliarden Euro stützte. Und sie dürfte nur der Anfang sein; im ersten Halbjahr 2022 verzeichnete Uniper einen Nettoverlust von 12,3 Milliarden Euro.
Am Mittwoch unterzeichneten die Bundesregierung, Uniper und der bisherige Mehrheitseigentümer Fortum eine Vereinbarung, laut der Uniper zu 98,5 Prozent in deutschen Staatsbesitz übergeht. Der Bund zahlt Fortum 480 Millionen für seine Anteile und 8 Milliarden für Kredite, die es dem Düsseldorfer Unternehmen zur Verfügung gestellt hat. Weitere 8 Milliarden fließen als Kapitalspritze an Uniper. Zusammen mit den 13 Milliarden Euro, die der Bund dem Konzern bereits früher als Kreditlinie zur Verfügung gestellt hat, belaufen sich die Gesamtkosten auf rund 29 Milliarden Euro, wie die Financial Times ausgerechnet hat.
Das Wirtschaftsministerium rechtfertigt diese gewaltige Ausgabe damit, dass sie „die Energieversorgung für Unternehmen, Stadtwerke und Verbraucherinnen und Verbraucher“ sichere. Uniper, das mehr als 100 Stadtwerke und große Unternehmen mit Erdgas beliefert und für 40 Prozent der deutschen Gasversorgung steht, macht täglich über 100 Millionen Euro Verlust, weil es kein billiges Gas mehr aus Russland erhält und die fehlenden Mengen teuer auf dem Gasmarkt kaufen muss, um seine Lieferverträge zu erfüllen.
Im letzten Halbjahr musste Uniper außerdem zwei Milliarden für seine Beteiligung an der Pipeline Nord Stream 2 abschreiben, die wegen der Russland-Sanktionen nicht in Betrieb genommen wurde.
Die 29 Milliarden, die die Regierung in Uniper steckt, werden – wenn überhaupt – nur marginal dazu beitragen, die immensen Gaspreise zu senken, die unzählige Privathaushalte und Unternehmen in den Ruin treiben. Selbst an der Gasumlage, die ab Oktober in Kraft tritt und einen Vier-Personen-Haushalt mit zusätzlichen 700 Euro im Jahr belastet, will Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) festhalten, obwohl sie hauptsächlich Uniper stützen sollte und nach der Verstaatlichung juristisch umstritten ist.
Bei einem Gaspreis von 20 Cent pro kWh muss ein Vier-Personen-Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 20.000 kWh in diesem Jahr etwa 5000 Euro für die Gasrechnung aufbringen. Neuverträge wurden schon im August zu einem wesentlich höheren Preis von 28 Cent pro kWh abgeschlossen; 2021 waren es noch 5 Cent gewesen. Noch katastrophaler ist die Lage für energieintensive kleinere und mittlere Unternehmen, die meist kurzfristigere Verträge abgeschlossen haben und jetzt mit Preissteigerungen von mehreren hundert Prozent konfrontiert sind.
Ein Großteil der 29 Milliarden für Uniper fließt in die Kassen der großen Energiekonzerne, die wegen der Energieknappheit und astronomischen Preisen an den Spotmärkten Rekordprofite erzielen.
Uniper wurde 2016 aus dem deutschen Energieriesen Eon ausgegliedert, der im ersten Halbjahr 2022 einen Gewinn von 4,1 Milliarden Euro erzielte. Uniper diente Eon als eine Art „Resterampe“ oder „Bad Bank“, in die der Konzern die fossilen Energien auslagerte, während er sich dem lukrativeren Geschäft mit Netzen, Energiedienstleistungen und Ökoenergie zuwandte.
Seither hat Uniper mehrmals den Besitzer gewechselt, bis es schließlich 2020 ganz von Fortum übernommen wurde, das sich mehrheitlich in finnischem Staatsbesitz befindet. Ein schlechtes Geschäft: Fortum bezahlte für seinen Anteil 7 Milliarden Euro und kassierte insgesamt 900 Millionen Dividenden, nun hat es für den Verkauf 480 Millionen Euro erhalten.
Uniper ist nicht nur Deutschlands größter Gasimporteur, sondern betreibt auch Kraftwerke und Gasspeicher. Der Konzern beschäftigt in 40 Ländern rund 11.500 Mitarbeiter, etwa 5000 davon in Deutschland. Hauptmärkte sind Deutschland, Großbritannien, Schweden und – bis zum Ukrainekrieg – Russland. Die russische Tochter Unipro betrieb fünf Kraftwerke, beschäftigte 4000 Mitarbeiter und kam zuletzt für einen Fünftel des operativen Ergebnisses auf. Im vergangenen Jahr machte der Konzern rund 164 Milliarden Euro Umsatz.
Die 29 Milliarden, die nun zu seiner Rettung ausgegeben werden, sind Teil der gewaltigen Summe, die die europäischen Mächte für den Krieg und die Sanktionen gegen Russland zahlen – und die schließlich in Form von sozialen Kürzungen, Entlassungen und unbezahlbaren Energiepreisen auf die Arbeiterklasse abgewälzt werden.
Laut Berechnungen des Thinktanks Bruegel haben die 27 EU-Mitglieder 314 Milliarden Euro und Großbritannien 178 Milliarden Euro zur Dämpfung der Energiekrise bereitgestellt, ohne dass dies viel bewirkt hätte.
Wie zu erwarten, unterstützt die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi die 29-Milliarden-Aktion der Bundesregierung uneingeschränkt. „Die Übernahme durch den Bund ist notwendig, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten und sie ist im Sinne der Beschäftigten,“ sagte Verdi-Bundesvorstandsmitglied Christoph Schmitz. Eine Insolvenz wäre ein unkalkulierbares Risiko für den Gasmarkt in Deutschland und die ganze Energie- und Wärmeversorgung.
Auch der Betriebsratsvorsitzende von Uniper, Harald Seegatz, begrüßte den Schritt. Uniper sei mit seinen rund 5000 Beschäftigten in Deutschland für die Energieversorgung systemrelevant und benötige dauerhafte Unterstützung. „Der Bund muss seine Beteiligung bei Uniper als langfristiges Engagement sehen,“ forderte er.
Das richtet sich direkt gegen die Verteidigung der Arbeitsplätze und des Lebensstandards. Verdi unterstützt die herrschende Klasse sowohl im Krieg wie bei den Angriffen auf die Arbeiterklasse. Anstatt die Verluste zu vergesellschaften und die Gewinne zu privatisieren, müssen die großen Energiekonzerne entschädigungslos enteignet werden. Nur eine unabhängige Bewegung der internationalen Arbeiterklasse, die den Kampf gegen Krieg und Inflation mit dem Kampf für ein sozialistisches Programm verbindet, kann eine gesellschaftliche Katastrophe verhindern.