Am Dienstag nahmen fast 100 Arbeiter an einer Anti-Kriegsveranstaltung der Sozialistischen Gleichheitspartei (SGP) teil. Unter dem Titel „Kein dritter Weltkrieg! Milliarden für Gesundheit und Arbeit statt Rüstung und Krieg!“ diskutierten sie über den Stellvertreterkrieg der Nato gegen Russland in der Ukraine und die Notwendigkeit einer internationalen Bewegung gegen Krieg.
In seinem einleitenden Beitrag machte der Sekretär des Internationalen Komitees der Vierten Internationale (IKVI), Peter Schwarz, deutlich, dass sich eine solche Bewegung auf ein genaues Verständnis der Ursachen und Triebkräfte des Kriegs stützen muss. Die zentralen Fragen seien: „Wie ist es zu diesem Krieg gekommen? Welche gesellschaftlichen Interessen vertreten die Teilnehmer? Welche politischen Ziele verfolgen sie?“ sowie auch: „Was ist der Zusammenhang zwischen diesem Krieg und früheren Kriegen?“
Schwarz wies darauf hin, dass die USA und ihre Nato-Verbündeten in den letzten 30 Jahren zahlreiche Kriege geführt und ganze Gesellschaften – den Irak, Jugoslawien, Afghanistan, Libyen, Syrien etc. – in Schutt und Asche gebombt haben. Auch in der Ukraine verfolgten sie klare eigene Ziele. Er wies nach, dass das IKVI schon 2016 die Nato-Kriege als „Kette zusammenhängender Ereignisse“ aufgefasst und geschrieben hatte: „Die laufenden regionalen Kriege sind zusammengehörige Elemente einer rasch eskalierenden Konfrontation der USA mit Russland und China.“ Dies habe sich im Ukrainekrieg bestätigt.
Den militärischen Angriff auf die Ukraine bezeichnete Schwarz als „ebenso kurzsichtigen wie reaktionären Entschluss Russlands, der der Nato direkt in die Hände spielte“. Er habe den USA, Deutschland und ihren Nato-Partnern den willkommenen Vorwand geliefert, um ihrem Ziel, Russland zu zerschlagen, einen Schritt näher zu kommen. Damit wollten sie sowohl ein Hindernis für einen Krieg gegen China aus dem Weg räumen, als auch Zugang zu den gewaltigen russischen Ressourcen bekommen. Seither sei die Ukraine regelrecht mit Waffen, sowie auch mit Experten, Ausbildern und Geheimdienstinformanten überflutet worden und führte die Nato auf dem Rücken der ukrainischen Bevölkerung einen Stellvertreterkrieg gegen Russland.
Da Russland eine der beiden größten Atommächte der Welt sei, rücke mit einem solchen direkten Eingreifen der Nato auch die Gefahr eines dritten Weltkriegs immer näher, warnte Schwarz. Er bezeichnete das als „Eskalationspolitik, die an Wahnsinn grenzt“, die jedoch ihre Ursache in den unlösbaren Widersprüchen des Kapitalismus habe: „Das kapitalistische Weltsystem wird von sozialen, wirtschaftlichen und politischen Widersprüchen zerrissen, für die es keine friedliche Lösung gibt.“ Auf der Grundlage dieses Verständnisses müsse eine internationale Bewegung gegen Krieg und seine Wurzel, den Kapitalismus aufgebaut werden.
Auch der Vorsitzende der SGP, Christoph Vandreier, betonte die Notwendigkeit einer solchen Bewegung, die sich gegen die Kriegstreiber in jedem Land richten müsse. Deutschland spiele eine zentrale Rolle dabei, einen dritten Weltkrieg nicht nur vorzubereiten, sondern konkret zu organisieren.
Deutschland sei längst Kriegspartei und beliefere die Ukraine mit tausenden Panzerabwehrwaffen, Millionen Schuss Munition und Panzern. „77 Jahre nach der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht rollen deutsche Panzer wieder gegen Russland“, so Vandreier. Zudem nutze Deutschland den Krieg, um wieder die dominierende Militärmacht Europas zu werden. Die Verdreifachung des Rüstungsetats durch die 100 Milliarden Euro Sondervermögen für die Bundeswehr sei schon lange geplant gewesen.
Mit dem Stellvertreterkrieg gegen Russland und der horrenden Aufrüstung bestätige sich der Kampf, den die SGP seit der Wiedervereinigung und insbesondere seit 2014 gegen die Rückkehr des deutschen Militarismus geführt hat. „Wir hatten schon damals erklärt, dass die Ankündigung vom Ende der militärischen Zurückhaltung Deutschlands an die dunkelsten Traditionen anknüpft und mit einer Relativierung der Verbrechen der Nazis einhergeht.“
Bereits 2014 hätten Professoren wie Herfried Münkler und Jörg Baberowski die Verbrechen des deutschen Imperialismus verharmlost. „Schon damals war die SGP die einzige Partei, die sich gegen die Geschichtsfälschung wandte, heute ist sie die offizielle Regierungspolitik“, erklärte Vandreier. Er verwies auf die Verharmlosung der Nazi-Verbrechen durch Bundeskanzler Olaf Scholz in dessen Rede am Tag der Befreiung und die Verbreitung der Behauptung, Hitler habe gegen die Sowjetunion einen Präventivkrieg geführt, durch die den Grünen nahestehende taz.
Vandreier betonte, dass diese rechte Entwicklung keineswegs ein Ausdruck politischer Stärke sei. „Dieselben Widersprüche, die die herrschende Klasse in den Krieg treiben, schaffen auch die objektiven Voraussetzungen für ihre Überwindung“. Wie in Sri Lanka und in vielen anderen Ländern entwickle sich in der Arbeiterklasse eine Bewegung, die mit dem Widerstand gegen den Krieg zusammenkomme. Dieser sei angesichts der historischen Erfahrungen der Arbeiterklasse v.a. auch in Deutschland tief verankert.
Die Kluft zwischen der herrschenden Klasse und der breiten Masse der Bevölkerung sei enorm. „Alle Parteien bis hin zur Linken unterstützen den Kriegskurs der Regierung, ihre Profite-vor-Leben-Politik in der Pandemie und die Wirtschaftspolitik, die mit Massenentlassungen und realen Lohnkürzungen einher geht“, sagte Vandreier. Dies schaffe eine Situation offener Klassenkämpfe. „Entscheidend ist es jetzt, diese Kämpfe mit einer marxistischen Perspektive auszustatten.“
In der anschließenden Diskussion betonten mehrere Sprecher ihre Besorgnis darüber, wie nahe die Welt schon an einem dritten Weltkrieg ist. Sie unterstützten die Perspektive des IKVI, die internationale Arbeiterklasse dagegen zu mobilisieren. Viele zogen den Schluss, dass es jetzt notwendig ist, Mitglied der Sozialistischen Gleichheitspartei zu werden und die Vierte Internationale als Weltpartei der sozialistischen Revolution aufzubauen.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Als ein Teilnehmer die Frage aufwarf, wie eine Mobilisierung der Arbeiterklasse erreicht werden könne, antwortete Peter Schwarz, dass die Frage der Perspektive zentral sei. „Überall brechen Kämpfe der Arbeiterklasse aus. Das ist ein objektiver Prozess, es kommt darauf an, sich darauf zu orientieren, und ihm eine Führung und Perspektive zu geben.“ Beispielhaft nannte der die Massenproteste und Generalstreiks in Sri Lanka, in denen die Socialist Equality Party (SEP) für eine sozialistische Perspektive kämpfe.
Eine Teilnehmerin verwies darauf, dass viele pseudolinke Organisationen Russland imperialistisch nennen, um den Krieg der Nato gegen Russland als einen Verteidigungskrieg zu verklären. Christoph Vandreier erläuterte daraufhin, dass die Bezeichnung „imperialistisch“ für Russland tatsächlich nur dazu diene, die Unterwerfung des Landes durch die imperialistischen Mächte zu rechtfertigen. Sie diene nicht dazu, das tatsächliche Verhältnis zwischen der korrupten und nationalistischen Bürokratie in Russland zu den imperialistischen Mächten zu erklären. „Wir lehnen den reaktionären Überfall Russlands auf die Ukraine ab und mobilisieren die ukrainischen und russischen Arbeiter gegen den Krieg und die Nato-Aggression“, erklärte Vandreier .
Zum Abschluss betonte Johannes Stern, der Chefredakteur der deutschsprachigen WSWS, der die Veranstaltung moderierte, dass die revolutionäre Partei nicht der Karte des Krieges, sondern der Karte des Klassenkampfs folgen müsse. Der Aufbau einer internationalen Antikriegsbewegung der Arbeiterklasse sei jetzt die entscheidende Aufgabe, um einen Rückfall in Weltkrieg und Barbarei zu verhindern. Grundlage dafür seien die Prinzipien, die das IKVI bereits in seiner Erklärung „Sozialismus und der Kampf gegen Krieg“ im Jahr 2016 formuliert habe.
• Der Kampf gegen Krieg muss von der Arbeiterklasse ausgehen, die als revolutionäre gesellschaftliche Kraft alle fortschrittlichen Teile der Bevölkerung hinter sich vereint.
• Die neue Bewegung gegen Krieg muss antikapitalistisch und sozialistisch sein, denn man kann nicht ernsthaft gegen Krieg kämpfen, ohne danach zu streben, der Diktatur des Finanzkapitals und dem Wirtschaftssystem, das die Ursache für Militarismus und Krieg bildet, ein Ende zu setzen.
• Aus diesem Grund muss die neue Antikriegsbewegung unbedingt vollkommen unabhängig sein von allen politischen Parteien und Organisationen der Kapitalistenklasse und diese ablehnen.
• Vor allem muss die neue Antikriegsbewegung international sein und dem Imperialismus in einem vereinten globalen Kampf die enorme Kraft der Arbeiterklasse entgegenstellen. Dem ständigen Krieg der Bourgeoisie muss die Arbeiterklasse mit der Perspektive der permanenten Revolution begegnen, die als strategisches Ziel die Abschaffung des Nationalstaatensystems und die Errichtung einer sozialistischen Weltföderation anstrebt. Auf diese Weise können die globalen Ressourcen auf rationale, planmäßige Weise erschlossen werden, um die Armut zu überwinden und die Kultur der Menschheit aufblühen zu lassen.
Im Anschluss an die Diskussion bedankten sich viele Arbeiter für die Veranstaltung und registrierten sich als aktive Unterstützer und Mitglieder der SGP.