Gericht stellt Verfahren gegen Baberowski gegen Zahlung von 4.000 Euro ein

Zwei Tage vor der seit Monaten angesetzten Verhandlung gegen den rechtsradikalen Professor Jörg Baberowski wegen Körperverletzung und Sachbeschädigung hat das Amtsgericht Berlin das Verfahren gegen Zahlung von 4.000 Euro an die gemeinnützige Organisation KINDerLEBEN eingestellt. Auch wenn die Zahlung durch Baberowski einem Schuldeingeständnis gleichkommt, ist die kurzfristige Einstellung ein verheerendes politisches Signal, das Gewalt gegen andersdenkende Studierende durch einen rechtsradikalen Professor zu einem Bagatelldelikt erklärt.

Baberowski, der osteuropäische Geschichte an der Berliner Humboldt-Universität lehrt, hatte am 30. Januar 2020 große Mengen studentischen Wahlkampfmaterials der Hochschulgruppe IYSSE vernichtet, den Studenten Sven Wurm tätlich angegriffen und ihm gedroht: „Soll ich Dir was in die Fresse hauen?“ Der Vandalismus, die Bedrohung und die Gewalttat sind auf Video dokumentiert und wurden zu keinem Zeitpunkt in Zweifel gezogen.

Die Staatsanwaltschaft hatte aufgrund der eindeutigen Faktenlage schon im Juni letzten Jahres Strafbefehl wegen Körperverletzung und Sachbeschädigung erlassen, doch Baberowski widersprach diesem, so dass die mündliche Verhandlung für den vergangenen Mittwoch angesetzt wurde. Die Staatsanwaltschaft hatte sich bisher immer wieder geweigert, das Verfahren einzustellen, zuletzt im Februar dieses Jahres, weil es sich um einen eindeutigen Fall und einen schweren Angriff auf die demokratischen Rechte der Studierendenschaft handelt.

Baberowski ist eine zentrale Figur der rechten Szene. Er verbreitet fremdenfeindliche Hetze, verharmlost Gewalt gegen Flüchtlinge und relativiert die Verbrechen der Nazis. Im Februar 2014 hatte er im Spiegel behauptet, dass Hitler nicht grausam und der Holocaust nichts anderes als Erschießungen während des russischen Bürgerkriegs gewesen sei.

Baberowski hatte schon zweimal versucht, Kritiker gerichtlich mundtot zu machen, war aber jedes Mal gescheitert. Das Oberlandesgericht Köln stellte fest, dass seine Aussagen hinreichende Anknüpfungspunkte für die Bezeichnung als „rechtsradikal“, „rassistisch“ und „gewaltverherrlichend“ böten. Das Landgericht Hamburg hielt die Bewertung seiner Aussagen zu Hitler als „Geschichtsfälschung“ für statthaft.

Nachdem er juristisch gescheitert war, ging Baberowski immer aggressiver gegen Andersdenkende vor. Im Jahr 2020 zeigten ihn zwei studentische Senatorinnen an, weil er sie nach sachlicher Kritik an seinem „Zentrum für Diktaturforschung“ öffentlich als „linksradikale Fanatiker“ und „unfassbar dumm“ diffamiert hatte.

Als Professoren der Humboldt-Universität den Leiter des Lit-Verlags wegen dessen Unterstützung für die flüchtlingsfeindliche „Erklärung 2018“ kritisierten, beschimpfte Baberowski sie als „Denunzianten“ und rückte ihr Verhalten in die Nähe des Judenboykotts der Nazis, indem er sich an „finstere Zeiten“ erinnert fühlte. Er schrieb: „Kauft nicht beim Ausgestoßenen!“ Schließlich drohte er ihnen mit den Worten: „Die Gedemütigten und Ausgeschlossenen werden sich daran erinnern, wer sie an den Pranger gestellt hat.“

Auch gegen die Studierenden der Hochschulgruppe IYSSE war Baberowski wiederholt ausfällig geworden und hatte sie unter anderem als „dreckige Denunzianten“, „Faschisten“ und „Geisteskranke“ beleidigt. Seine Übergriffe gipfelten schließlich in der gegenständlichen Gewalttat. Das war keine Affekthandlung, sondern ein systematisches Vorgehen gegen Andersdenkende.

Baberowski riss etliche Wahlplakate der IYSSE zu den StuPa-Wahlen von einer Tafel für studentische Aushänge. Als er dabei ertappt wird, schlägt er dem StuPa-Abgeordneten Sven Wurm, der an seinem Geschichtsinstitut studiert, das Mobiltelefon aus der Hand und bedroht ihn. Dieser Akt der Gewalt zielte darauf ab, Studierende einzuschüchtern und von ihrem demokratischen Recht abzuhalten, für ihre politischen Ansichten zu werben.

Dass dieser Übergriff nun nicht weiter geahndet wird, ist nicht nur ein Schlag ins Gesicht des Opfers, sondern ein Angriff auf alle kritischen Studierenden, die rechtsradikale Positionen ihrer Professoren sachlich kritisieren. Gewalt gegen andersdenkende Studierende von Seiten rechter Professoren wird zu einem Bagatelldelikt erklärt, das keiner strafrechtlichen Verfolgung wert sei.

Dass es sich dabei um eine politische und keine rechtliche Entscheidung handelt, zeigt sich schon daran, dass die Staatsanwaltschaft eine Einstellung ohne Auflagen noch im Februar abgelehnt hatte. Erst wenige Tage vor dem angesetzten Gerichtstermin und nachdem sich Sven Wurm einen Anwalt genommen und am 28. März dieses Jahres Nebenklage beantragt hatte, schwenkte die Staatsanwaltschaft ein und akzeptierte die Einstellung des Verfahrens gegen Auflage der Zahlung, wie die Behörde gegenüber der WSWS erklärte. Offensichtlich wollten Gericht und Staatsanwaltschaft einen Prozess vermeiden, in dem die politischen Fragen angesprochen werden.

Es ist davon auszugehen, dass dieser Umschwung auf politische Einflussnahme zurückgeht. Der rot-rot-grüne Senat in Berlin hatte sich ebenso wie die Universitätsleitung mehrfach hinter den rechtsradikalen Professor gestellt.

Sabine Kunst (SPD), die langjährige Präsidentin der Humboldt-Universität, hatte Baberowskis Gewalttat gegen Wurm in dieser Funktion sogar als „menschlich verständlich“ bezeichnet. Eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Baberowski, die Wurm bereits am 5. Februar 2020 eingereicht hatte, ließ sie einfach unbeantwortet.

Wurm reichte daraufhin beim damaligen regierenden Bürgermeister von Berlin, Michael Müller, und dem Staatssekretär für Bildung eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Kunst ein. In der Begründung verwies er nicht nur auf die Unterstützung von Baberowskis Gewalttat, sondern auch auf eine lange Liste von früheren Vorfällen, in denen Baberowski Studierende und Kollegen bedroht und sich Kunst hinter den rechtsradikalen Professor gestellt hatte.

Ferner erwähnte Wurm, er habe die HU-Präsidentin darauf aufmerksam gemacht, dass ein enger Mitarbeiter Baberowskis in seiner Jugend ein in Hannover stadtbekannter Neonazi war, der unter anderem zusammen mit Rechtsterroristen auf einer Demonstration gegen die Wehrmachtsausstellung teilgenommen hatte. „Kunst unternahm nicht das Geringste, um uns Studierende vor solchen Lehrenden zu schützen“, schrieb Wurm und resümierte:

„Es gibt für diese eindeutige Chronologie keine harmlose Erklärung. Frau Kunst hat die wiederholte verbale und physische Gewalt Baberowskis gegen Studierende systematisch gedeckt und notwendige Kritik an dem rechtsradikalen Professor unterdrückt. Sie ist damit für ein Klima der Einschüchterung verantwortlich, in dem Studierende gehindert werden sollen, die rechten Ansichten von Professoren zu kritisieren. Das ist mit einer demokratischen Universität nicht vereinbar.“

Auch der rot-rot-grüne Senat weigerte sich, zu der Dienstaufsichtsbeschwerde Stellung zu nehmen und leitete sie an Edelgard Bulmahn (SPD) weiter, die dem Kuratorium der HU vorsitzt. Bulmahn wischte alle Anschuldigungen beiseite und erklärte lapidar, dass „ein dienstliches Fehlverhalten der Präsidentin der HU nicht festzustellen ist“. In Hinblick auf die unbeantwortete Dienstaufsichtsbeschwerde verwies sie auf den Umstand, dass das Strafverfahren gegen Baberowski noch laufe und die Universität deshalb eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Baberowski nicht bescheiden könne.

Trotz der vollständig dokumentierten Straftat Baberowskis stellte sich der rot-rot-grüne Senat zusammen mit der Universitätsleitung hinter den rechtsradikalen Professor. Diese skandalöse Verharmlosung rechter Gewalt findet nun auch in der Einstellung des Verfahrens am Amtsgericht ihren Niederschlag. Der Schwenk der Staatsanwaltschaft muss vor diesem Hintergrund gesehen werden.

„Wir rufen deshalb alle Studierenden auf, gegen diese Entscheidung zu protestieren und die Arbeit der IYSSE zu unterstützen“, erklärt dazu Sven Wurm. „Es geht um die Frage, ob Universitäten Orte der Wissenschaft und des demokratischen Austauschs bleiben oder in rechte Zentren und militaristische Kaderschmieden verwandelt werden. Wenn rechte Gewalttaten gedeckt und unterstützt werden, kann von einer demokratischen Universität keine Rede mehr sein.“

Update: Nachdem sich die Staatsanwaltschaft auf Anfrage der WSWS zum Sachverhalt geäußert hat, wurde der Artikel entsprechend aktualisiert.

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