Ukrainekrieg: Linkspartei schließt die Reihen mit Bundesregierung und Nato

Der reaktionäre Überfall der russischen Regierung auf die Ukraine muss vom Standpunkt des internationalen Sozialismus verurteilt werden. Doch die Nato-Mächte, die den Krieg durch die Einkreisung des Landes und zahllose Stellvertreter-Kriege provoziert haben, nutzen den Waffengang, um den Konflikt mit Russland weiter zu eskalieren und ihren Plan der Kolonialisierung des Landes mit aller Gewalt umzusetzen. Dazu dienen ihnen weitreichende Sanktionen, die vor allem die russische und europäische Bevölkerung schwer treffen werden, sowie die Vorbereitung einer umfassenden militärischen Intervention.

In Deutschland haben sämtliche Parteien die Reihen hinter der Regierung von Olaf Scholz (SPD) geschlossen, um dieses Ziel voranzutreiben, das in einen dritten Weltkrieg zu münden droht. Eine besonders üble Rolle spielt dabei die Linkspartei, die ihre Unterstützung der Nato-Aggression und Regierungspolitik mit weißen Friedenstauben spickt und so versucht, die Antikriegsstimmung der Bevölkerung für ihre reaktionären Ziele zu missbrauchen.

Gleich am Donnerstag veröffentlichten die Parteivorsitzenden Susanne Hennig-Wellsow und Janine Wissler und die Vorsitzenden der Bundestagsfraktion Amira Mohamed Ali und Dietmar Bartsch eine gemeinsame Erklärung, in der sie den Krieg gegen die Ukraine als „eine neue Stufe der Aggression durch Putin“ bezeichneten ohne die vorherige Nato-Aggression auch nur mit einem Wort zu erwähnen.

Am Freitag macht der Parteigründer und langjährige Fraktionsvorsitzende, Gregor Gysi, im ZDF-Morgenmagazin dann unmissverständlich deutlich, dass die Partei sich vollständig hinter die Nato stellt. „Alles, was ich Kritisches zur Nato gesagt habe, ist Makulatur geworden“, erklärte er in Hinblick auf den Ukrainekrieg.

„Ich bin in diesem Fall auch für Sanktionen“, sagte Gysi weiter. Diese sollten möglichst nicht die Bevölkerung treffen, erklärte er, schloss aber auch einen Stopp der Gasimporte nicht aus, solange die USA auch ihre Ölimporte stoppen würden.

Bartsch wurde am Freitagmorgen noch deutlicher. Er betonte, dass sich die Linke für Sanktionen aussprechen müsse. „Wir waren als Linke immer gegen Sanktionen, weil sie meist die falschen treffen, nämlich die Bevölkerung“, sagte Bundestagsfraktionschef Dietmar Bartsch der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Aber: „Dieser historische Einschnitt wird auch von der Linken eine Neubewertung nötig machen.“

Bartsch griff die Bundesregierung sogar von rechts an und forderte weitergehende Sanktionen als sie ohnehin schon ins Werk gesetzt wurden. So nannte er die Diskussion über Schritte gegen die Erdgasleitung Nord Stream 2 heuchlerisch. „Denn durch diese Pipeline fließt derzeit kein Gas“, sagte er. „Die Zertifizierung zu stoppen, ändert praktisch erst einmal nichts. In der Realität ist das bedeutungslos. Wenn überhaupt, muss man über die Gaslieferungen insgesamt reden, über die Druschba-Leitung und über Nord Stream 1.“

Bartsch will also die Gaslieferungen aus Russland stoppen, was zuallererst die Bevölkerung in Russland und in ganz Europa extrem hart treffen würde, wie er selbst einräumt. Die Gaspreise würden explodieren und damit die ohnehin enorme Inflation weiter antreiben.

Vor allem aber stellt sich die Linkspartei damit hinter eben die aggressive Nato-Politik, die zu diesem Krieg geführt hat. Die USA und ihre Nato-Verbündeten haben Russland in den letzten 30 Jahren systematisch umzingelt und seinen Einfluss in einer Kombination aus wirtschaftlichen Sanktionen und zahlreichen völkerrechtswidrigen Angriffskriegen zurückgedrängt. Beginnend mit der Bombardierung Serbiens über die Kriege in Irak und Libyen bis hin zur Intervention in Syrien.

Dass die Linkspartei diese Politik unterstützt, kommt nicht überraschend. Schon in der vergangenen Woche hatten sich Vertreter der Partei hinter Bundeskanzler Scholz gestellt und Vorschläge gemacht, wie dieser deutsche Interessen am besten gegen Russland durchsetzen könnte. Bartsch schlug vor, Angela Merkel als Vermittlerin nach Moskau zu schicken. „Wir müssen zurückkommen zu der Politik, die Angela Merkel gemacht hat. Die hat immer wieder auf Dialog gesetzt, auch wenn das schier aussichtslos war“, lobte er die Ex-Kanzlerin auf Phoenix.

Gysi unterstützte Bartschs Vorschlag. Er wollte Merkel von ihrem Vorgänger Gerhard Schröder begleiten lassen, der für den russischen Energiekonzern Gazprom arbeitet und persönlich mit Präsident Putin befreundet ist. Merkel könne gut verhandeln, sagte er gegenüber dem Spiegel, „ihr fiel immer etwas ein, wenn scheinbar nichts mehr ging“ – und Schröder habe „nun mal eine gute Beziehung“.

Die Stoßrichtung dieser Vorschläge liegt auf der Hand. Deutschland hat – unter der Kanzlerschaft Schröders wie Merkels – die Ostexpansion der Nato, des größten Militärbündnisses der Welt, ebenso aggressiv vorangetrieben wie die USA. Schröders Kanzlerschaft begann 1999 mit dem ersten internationalen Kampfeinsatz der Bundeswehr: der gewaltsamen und völkerrechtswidrigen Zerschlagung Jugoslawiens durch die Nato. 2001 schickte er die Bundeswehr nach Afghanistan, wo sie zwanzig Jahre lang Krieg führte.

Merkel unterstützte als CDU-Vorsitzende den Irakkrieg, als dieser von der Regierung Schröder noch abgelehnt wurde. Als Kanzlerin führte sie den Afghanistaneinsatz fort und entsandte die Bundeswehr unter anderem in den Irak, Syrien und Mali. Unter ihrer Verantwortung fand 2013/14 eine grundlegende Neuorientierung der Außenpolitik statt. Deutschland sollte, wie es in einem damaligen Strategiepapier der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) heißt, seine Stärke als „Handels- und Exportnation“ auch global mit militärischen Mitteln verfolgen.

Im selben Jahr organisierte die Regierung Merkel in enger Zusammenarbeit mit der Obama-Administration den rechten Putsch in der Ukraine, auf den der heutige Konflikt zurückgeht. Es ist bezeichnend, dass der rechte Nationalist Petro Poroschenko, der dank dem Putsch Präsident wurde, Merkel ebenso preist wie die Linkspartei. „Deutschland und Angela Merkel waren, wenn man dieses Wort verwenden kann, ein Schutzengel für die Ukraine“, sagte er kürzlich dem Sender ntv.

Die Linkspartei war an dem Putsch in der Ukraine beteiligt und unterstützte schon damals die Bundesregierung, die sich nach der Organisation des Putsches als Vermittlerin zwischen der Marionetten-Regierung in der Ukraine und Russland aufschwang, um ihre geostrategischen und wirtschaftlichen Interessen in der Region durchzusetzen. Die Linke war 2013 mit ihrem früheren außenpolitischen Sprecher Stephan Liebich auch an der Ausarbeitung oben genannten SWP-Papiers beteiligt.

Schon im Jahr 2012 forderten zahlreiche Führer der Linkspartei die Unterstützung der sogenannten syrischen Opposition, die aufgebaut worden war, um unter Einschluss islamistischer Kräfte die Regierung von Bashar al-Assad zu stürzen. Zwei Jahre später, im Oktober 2014 forderten Bartsch und andere führende Figuren der Linkspartei dann einen Militäreinsatz gegen den Islamischen Staat im Irak und Syrien, der zuvor vom Westen gegen die syrische Regierung gestärkt worden war.

Im letzten Bundestagswahlkampf, in dem sie auf eine Regierungsbeteiligung mit SPD und Grünen schielte, ließ die Linkspartei dann alle Hüllen fallen. So erklärte Bartsch, dass die Linkspartei in der Regierung die Auslandseinsätze der Bundeswehr und die Mitgliedschaft in der Nato unterstützen würde. Nun ist die Partei auch ohne formelle Regierungsbeteiligung voll in die Kriegspolitik integriert.

Wenn es in der Partei eine Fraktion gibt, die eine andere Haltung gegenüber Russland fordert und etwa Sanktionen ablehnt, tut sie das vom Standpunkt der imperialistischen Interessen Deutschlands. So erklärte die langjährige Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht am Dienstag: „Sanktionen lösen kein Problem, sie schaden EU und Deutschland, während USA profitieren.“

Die Tatsache, dass sich alle kapitalistischen Parteien hinter Bundesregierung und Nato stellen, bestätigt die Perspektive des Internationalen Komitees der Vierten Internationale, dass der Krieg nur gestoppt und ein dritter Weltkrieg verhindert werden kann, wenn die internationale Arbeiterklasse auf der Grundlage eines sozialistischen Programms mobilisiert wird. In seinem Statement zum Ukrainekrieg erklärt das IKVI mit Bezug auf Leo Trotzki:

Sich im Kriege nicht an den Nationalstaat zu binden, nicht der Logik des Krieges zu folgen, sondern sich von den Prinzipien des Klassenkampfs leiten zu lassen – das vermag nur eine Partei, die dem Nationalstaat bereits in Friedenszeiten kompromisslos den Krieg erklärt hat.‹ Den ›Prinzipien des Klassenkampfs‹ zu folgen bedeutet, den Widerstand gegen den Imperialismus im Kampf zur Vereinigung der internationalen Arbeiterklasse zu verankern – gegen Ausbeutung, Ungleichheit und das kapitalistische System.

Das IKVI fordert die sofortige Beendigung des Krieges. Während wir die Invasion in die Ukraine ablehnen, prangern wir die Politik des US- und Nato-Imperialismus an, dessen Behauptungen, Demokratie und Menschenrechte zu verteidigen, mit Blut und Heuchelei durchtränkt sind.

Loading