PEN-Zentrum Deutschland ernennt Julian Assange zum Ehrenmitglied

„Wir fordern die zuständigen Behörden in England auf, unser Ehrenmitglied Julian Assange nicht an die Vereinigten Staaten von Amerika auszuliefern, wo ihm bis zu 175 Jahre Haft drohen, sondern ihn sofort und bedingungslos aus dem Gefängnis zu entlassen.“

Diese Worte stehen in einer Erklärung des PEN-Zentrums Deutschland vom 2. November, in der die Organisation bekannt gibt, dass sie den Gründer und Sprecher der Enthüllungsplattform WikiLeaks Julian Assange zum Ehrenmitglied ernannt hat.

Diese Ernennung, so das PEN-Zentrum weiter, sei „verknüpft mit der Sorge um die Gesundheit von Julian Assange, dessen Haftbedingungen von Amnesty International als Folter bezeichnet werden. Die Justizwillkür und der Freiheitsentzug von Assange sind eine ungeheuerliche Menschenrechtsverletzung – und dies geschieht inmitten einer westeuropäischen Demokratie und nicht etwa in einem despotischen Regime.“

Das PEN-Zentrum Deutschland ist eine von 150 in der Schriftstellervereinigung PEN International zusammengeschlossenen Vereinigungen. Ihr Name PEN (Feder) steht für „Poets, Essayists, Novelists“, und sie betrachtet sich als „Stimme verfolgter und unterdrückter Schriftsteller“.

Kurz vor Assanges Ernennung wurde am 26. Oktober der Journalist und Autor Deniz Yücel zum neuen Präsidenten des deutschen PEN-Zentrums gewählt. Der Türkei-Korrespondent der Welt, Mitherausgeber von Jungle World und ehemalige taz-Redakteur Yücel war in der Türkei wegen angeblicher „Terrorpropaganda“ selbst ein Jahr lang inhaftiert.

Auf der Mitgliederversammlung in der Frankfurter Paulskirche sagte Yücel letzte Woche, er sei „davon überzeugt, dass wir als Autorinnen und Autoren, dass wir als PEN aus Prinzip und für unsere Glaubwürdigkeit im Zweifel immer für die Freiheit des Wortes und der Kunst sein müssen (…) auch dann, wenn es wehtut. Gegen die Mächtigen, gegen die Bösen – und wenn es sein muss auch gegen die Guten.“

Auf twitter betonte Yücel, die Entscheidung, Assange zum PEN-Ehrenmitglied zu ernennen, sei „nach reiflicher Überlegung und Abwägung“ erfolgt. In der PEN-Erklärung heißt es einschränkend: „Das deutsche PEN-Zentrum nimmt die Vorwürfe der sexuellen Übergriffigkeit ernst, wir wissen aber auch um die von Nils Melzer, dem UN-Sonderberichterstatter für Folter, wiederholt formulierten Zweifel an diesen Beschuldigungen und die Gefahr ihrer unzulässigen Instrumentalisierung.“

Zwar ist die Erwähnung angeblicher „Vorwürfe sexueller Übergriffigkeit“ in dieser Ernennung absolut unnötig. Längst ist erwiesen, dass diese angeblichen Vorwürfe, die niemals zur Anklage führten, auf ein staatlich fabriziertes Komplott zurückgehen, um Assange aus Schweden direkt in die USA auszuliefern.

Dessen ungeachtet ist die Ernennung Assanges zum Ehrenmitglied des PEN-Zentrums Deutschlands ein wichtiger und begrüßenswerter Schritt.

Wie es in der Erklärung des PEN-Zentrums völlig richtig heißt, ist der Angriff auf Assange eine „ungeheuerliche Menschenrechtsverletzung“ und „Justizwillkür“. Assange sitzt seit zweieinhalb Jahren im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh in Einzelhaft, weil er imperialistische Kriegsverbrechen aufgedeckt hatte. Er sitzt in Haft, obwohl es kein Urteil gegen ihn gibt und seine Auslieferung an die USA in erster Instanz abgelehnt wurde. Zuvor hatte er schon acht Jahre als politischer Flüchtling, völlig isoliert, in der ecuadorianischen Botschaft verbracht.

Assange hat der Weltöffentlichkeit die Kriegsprotokolle von Irak und Afghanistan, die Diplomatendepeschen der USA und die Guantanamo-Akten zugänglich gemacht. Ihre Veröffentlichung durch WikiLeaks hat Kriegsverbrechen, Folter, Putschversuche und Korruption höchster Regierungspolitiker aufgedeckt. Sie haben 2011 zu den sozialen Aufständen in Tunesien und Ägypten beigetragen.

Deshalb ist Assange einem erbärmlichen Rachefeldzug zum Opfer gefallen, an dem sich die Regierungen Großbritanniens, der USA, Ecuadors, Australiens und Schwedens, aber auch die deutsche Bundesregierung beteiligen. Der US-Geheimdienst CIA hatte sogar erwogen, ihn zu ermorden.

Das PEN-Zentrum Deutschlands hat im Februar 2020 bereits den gemeinsamen Appell „Julian Assange aus der Haft freilassen“ unterzeichnet, an dem sich mehrere ehemalige Minister der SPD, FDP und Grünen, darunter der damalige SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel, beteiligten. Allerdings wäre die Hoffnung, dass der Aufruf von PEN irgendeinen Regierungspolitiker dazu bewegen könnte, sich für Assanges Freiheit einzusetzen, mehr als naiv.

Die neue „Ampel“-Regierung aus SPD, FDP und Grünen wird sich genauso wenig für Assange einsetzen wie die scheidende Große Koalition. Die ehemaligen Regierungspolitiker sprachen sich damals nur für Assange aus, solange dies keine praktischen Konsequenzen hatte. Die „Ampel“ ist entschlossen, die militaristische Großmachtpolitik der Großen Koalition fortzusetzen.

Assange ist hinter Gittern, weil er die Verbrechen des Imperialismus aufgedeckt hat. Der Angriff auf seine Person und seine demokratischen Rechte ist Teil der zunehmenden Angriffe auf die Presse- und Meinungsfreiheit in jedem Land. Sein Schicksal und seine Freiheit sind untrennbar mit dem Kampf der Arbeiterklasse verbunden: gegen die Rückkehr von Krieg und Faschismus, gegen die schreiende soziale Ungleichheit und gegen die kriminelle Coronapolitik.

Nur die internationale Arbeiterklasse kann diesen Kampf zum Erfolg führen. Das ist der Grund, warum die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) die Arbeiterklasse mobilisiert und für unabhängige Aktionskomitees kämpft.

Das ist auch der Grund, warum die Bundesregierung die SGP als „linksextremistisch“ bezeichnet und durch den Verfassungsschutz beobachten lässt. Wie der neue PEN-Präsident Deniz Yücel vor zwei Jahren richtig erklärte, ist der Verfassungsschutz „die gefährlichste Behörde Deutschlands“ und „nicht reformfähig“. Auch Yücel erhielt darauf, wie zahlreiche Prominente, Kabarettisten und Journalisten, Todesdrohungen mit der Unterschrift „NSU 2.0“.

Julian Assanges Verteidigung, seine Befreiung und die Verhinderung seiner Auslieferung an die USA ist mit der Verteidigung der SGP eng verknüpft. Dafür ist es notwendig, in der internationalen Arbeiterklasse das Verständnis zu wecken, dass Demokratie und soziale Gleichheit mit dem kapitalistischen Profitsystem unvereinbar sind, und die Bedingungen für eine sozialistische Umgestaltung der Gesellschaft zu schaffen.

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