Auf Anraten von Gewerkschaften und Parteien hatten viele Unternehmen ihre Ankündigung von Rationalisierungsmaßnahmen, Massenentlassungen und Werksschließungen auf die Zeit nach der Wahl verschoben.
Es sollte verhindert werden, dass zusätzlich zum Streik der Lokführer, den Protesten der Beschäftigten von Siemens Energy in Berlin gegen den massiven Stellenabbau im Gasturbinenwerk und dem Streik der Beschäftigten in den beiden größten Berliner Krankenhauskonzernen noch weitere Arbeiterproteste im Wahlkampf und am Wahltag stattfinden.
Doch kaum waren die Wahllokale geschlossen, hagelte es Hiobsbotschaften aus den Betrieben und Konzernzentralen.
- Opel Eisenach
Die Unternehmensleitung kündigte überraschend Kurzarbeit bis Jahresende an, was nicht nur massive Lohneinbußen für die Beschäftigten bedeutet. Es gibt deutliche Anzeichen, dass der Produktionsstopp genutzt werden soll, um in enger Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat und der IG Metall die Stilllegung des Werkes vorzubereiten. - Ford-Saarlouis und Köln
Am Rande des Automotive Kongresses in Saarbrücken demonstrierten vergangene Woche erneut Ford-Arbeiter gegen den massiven Arbeitsplatzabbau im Werk Saarlouis. Die Zukunft des Traditionswerks, das im vergangenen Jahr mit großem Pomp sein 50-jähriges Bestehen feierte, ist völlig unsicher. In seiner provokativ-arroganten Art erklärte Ford-Deutschland-Chef Gunnar Herrmann gegenüber der Saarbrücker Zeitung wenn es überhaupt eine Zukunft für das Werk gebe, dann nur, wenn alle Beschäftigten zukünftig eine „gigantische Flexibilität mitbringen“. Gigantische Flexibilität ist offensichtlich die neue Bezeichnung für die sklavereiähnliche Ausbeutung der Arbeitskraft. In Köln hat Ford die Fiesta-Produktion wegen des Materialmangels bis Ende Oktober eingestellt. Was mit den Werken nach der Krise geschieht, ist noch völlig unklar. Die Konzernleitung hat in der vergangen Woche überraschend angekündigt den Umstieg auf Elektromobilität stark auf die USA zu konzentrieren und in den US-Bundesstaaten Kentucky und Tennessee neue Werke aufzubauen.
- VW-Wolfsburg
Auch bei VW soll gigantisch flexibilisiert werden. Die Unternehmensleitung kündigte einen „radikalen Umbau“ an, „um gegen Tesla und die Konkurrenz aus China zu bestehen“.
Am vergangenen Donnerstag riefen Volkswagen-Chef Herbert Diess und Markenchef Ralf Brandstätter alle 120 Top-Manager in Wolfsburg zu einer Krisensitzung zusammen. Es müsse im Stammwerk „eine Revolution“, eine „Operation am offenen Herzen“ geben. Die VW-Chefs betonten: Ohne massive Steigerung der Produktivität und Profitabilität könne sich der Konzern am internationalen Markt nicht halten. Tesla, aber auch die vielen neuen chinesischen Hersteller produzieren günstiger und schneller. Dabei wird die Qualität ihrer Fahrzeuge immer besser, erreicht mittlerweile europäische Standards. Die Konsequenz: Laut Auto-Experten der Unternehmensberatung Kearney haben sich schon mehr als 70 Prozent der chinesischen Kunden entschieden, ihr nächstes Premium-Fahrzeug bei einem chinesischen Hersteller zu kaufen. Hinzu komme, dass ein Tesla 3 in zehn Stunden gebaut werde, mehr als dreimal so schnell wie ein VW ID.3 in Zwickau. Damit befindet sich Tesla in einer anderen Dimension, was Produktivität und Profitabilität angeht.
- Autozulieferer Bolta-Werke bankrott
Der bayerische Autozulieferer Bolta Werke aus dem Nürnberger Land hat Insolvenz angemeldet. Bolta hat nach eigenen Angaben rund 1000 Mitarbeiter am Diepersdorfer Stammsitz. Gemessen an der Zahl der Beschäftigten handelt es sich um eines der größten Unternehmen im Nürnberger Land. Firmentöchter gibt es im Süden der USA und in Mexiko. Weltweit arbeiten 2400 Menschen für die Bolta-Gruppe. - FAM entlässt 100 Mitarbeiter
Der traditionsreiche Maschinen- und Anlagenbauer FAM streicht 100 der insgesamt knapp 600 Jobs am Standort Magdeburg. Die Mitarbeiter sind dem Bericht zufolge am vergangenen Mittwoch auf einer Betriebsversammlung über Details der Stellenkürzungen informiert worden. Um Proteste zu verhindern kündigten Betriebsrat und IG Metall sofort an, für die Betroffenen soll es eine Transfergesellschaft und Abfindung geben. - Massenentlassungen bei Blohm+Voss
Bei der Hamburger Traditionswerft Blohm+Voss steht offenbar ein Kahlschlag bevor. Die Führung des Mutterkonzerns Lürssen aus Bremen hat bei einer Belegschaftsversammlung am vergangenen Freitag angekündigt, dass ein Großteil der Beschäftigten gehen muss. Gegenwärtig hat die Werft etwa 580 Mitarbeiter. Die Gewerkschaft kündigte Verhandlungen an. - Chemiekonzern Evonik stellt Produktion in Niederkassel ein
Wie der Essener Dax-Konzern vor einer Woche überraschend mitteilte, soll der Standort Niederkassel-Lülsdorf, im nordrhein-westfälischen Rhein-Sieg-Kreis, in absehbarer Zeit aufgeben werden. Angestrebt ist der komplette Verkauf des Niederkasseler Standorts an einen neuen Eigentümer. Die Zukunft der 600 Beschäftigten ist völlig ungewiss.
Diese Liste könnte noch fortgeführt werden und sie wird täglich länger.
Nach den Wahlen bläst die herrschende Klasse zu einem regelrechten Generalangriff auf die Arbeiter. Die Hunderten Milliarden Euro, die im Zuge der sogenannten Corona-Rettungspakete vor allem an Großbetriebe und Banken geflossen sind, werden nun wieder eingetrieben. Gleichzeitig soll die deutsche Wirtschaft im internationalen Wettbewerb profitabler gemacht werden. All das erfordert massive Angriffe auf Löhne, Arbeitsbedingungen und Arbeitsplätze. Allein in der Autoindustrie stehen eine halbe Million Arbeitsplätze auf dem Spiel.
Beschäftigte, die den Kampf zur Verteidigung der Arbeitsplätze, und gegen Sozialabbau und Lohnsenkung aufnehmen, sind nicht nur mit allen Bundestagsparteien konfrontiert, sondern auch mit den Gewerkschaften und Betriebsräten, die aufs Engste mit dem Managements und den Unternehmensleitungen paktieren. Sie fungieren als Co-Manager und entwickeln für Konzerne und Regierung Konzepte, um die Interessen der deutschen Wirtschaft im globalen Wettstreit um Märkte und Profite durchzusetzen.
Dabei setzen sie ihren umfassenden Funktionärsapparat samt Betriebsräten und Vertrauensleuten ein, um einen wirklichen Kampf zur Verteidigung der Arbeitsplätze, Löhne und Sozialstandards zu unterdrücken. Zu dieser Strategie gehören auch Pseudo-Proteste, die nur dazu dienen, Frustration zu verbreiten, und Standort-Kampagnen, die die Arbeiter spalten und gegeneinander ausspielen. Aber es gelingt den Gewerkschaften immer weniger den wachsenden Widerstand in den Betrieben unter Kontrolle zu halten und zu unterdrücken.
Die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) hat die Arbeiterklasse auf diese Entwicklung vorbereitet. Wir haben im Wahlkampf erklärt, wie wichtig der Aufbau von Aktionskomitees ist, in denen sich Arbeiter unabhängig von den korporatistischen Gewerkschaften organisieren und international vernetzen.
In der Perspektive „Die Bundestagswahl und die Verschärfung des Klassenkampfs“ schrieben wir wenige Tage vor der Wahl:
Auf der ganzen Welt stehen Arbeiter denselben multinationalen Konzernen und Finanzinteressen gegenüber. Deshalb dürfen sie sich nicht spalten lassen. Sie können ihre Rechte und Errungenschaften nur verteidigen, wenn sie ihre Kämpfe international koordinieren. Das erfordert einen Bruch mit den Gewerkschaften und den Aufbau der Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees (IWA-RFC).
Gleichzeitig haben wir erklärt, dass Arbeiter ihre eigene Partei brauchen, um ihre Gegenoffensive zu entwickeln und politisch zu orientieren. Die SGP ist die einzige Partei, die ein internationales, sozialistisches Programm vertritt, das der Arbeiterklasse in den gegenwärtigen und kommenden Kämpfen mit Konzernen, Regierung und Gewerkschaften eine klare und prinzipielle Perspektive gibt.
Der Aufbau unabhängiger Aktionskomitees in den Betrieben und der SGP als neuer Massenpartei der Arbeiterklasse ist nun von entscheidender Bedeutung.