„Wir sollten alle streiken, damit die CEOs merken, dass wir es ernst meinen.“

Arbeiter fordern gemeinsamen Kampf mit Volvo-Kollegen, UAW nimmt Verhandlungen wieder auf

Am Dienstag sollten die Verhandlungen zwischen der Gewerkschaft United Auto Workers International, deren Niederlassung 2069 und dem Konzern Volvo Trucks North America fortgesetzt werden. Wie streikende Arbeiter aus dem Werk in Dublin (Virginia) im New River Valley meldeten, wurden sie jedoch abgesagt. Fast 3.000 Arbeiter des Lastwagenwerks befinden sich seit dem 7. Juni im Streik und haben bereits zwei unternehmensfreundliche Tarifverträge abgelehnt, die die UAW ihnen aufzwingen wollte.

Am Montagabend erklärte der Präsident der UAW-Niederlassung 2069, Matt Blondino, den Streikführern: „Das Unternehmen ist auf die Lastwagensparte [der UAW] und das Verhandlungsteam unserer Niederlassung zugegangen. Die Verhandlungen werden morgen beginnen.“ Doch am Dienstag gaben weder die Niederlassung noch UAW International weitere Details bekannt. Anfragen der World Socialist Web Site beim Pressesprecher von Volvo blieben unbeantwortet.

Die Arbeiter verurteilten die Manöver der UAW als zynischen Trick. Einer von ihnen erklärte gegenüber der WSWS: „Die UAW veranstaltet dieses Katz-und-Maus-Spiel, um uns zu veräppeln... Genau dasselbe Theater konnte man bei Nancy Pelosi und Trump sehen. Sie sagen einem alles Mögliche, aber letzten Endes arbeiten sie zusammen gegen uns, und die Mehrheit der Arbeiter weiß das. Wir stellen uns auf einen langen Kampf ein.“

Die Arbeiter hatten am 6. Juni den letzten Vorschlag, den ihnen UAW-Schatzmeister Ray Curry und regionale sowie lokale Gewerkschafter vorgelegt hatten, mit einer Mehrheit von 90 Prozent abgelehnt. Dieser Vorschlag hätte eine Lohnerhöhung von nur zwei Prozent pro Jahr für die nächsten sechs Jahre beinhaltet, was angesichts der steigenden Verbraucherpreise eine deutliche Senkung der Reallöhne bedeutet hätte. Auch das verhasste Zwei-Stufen-System bei Löhnen und Zusatzleistungen wäre beibehalten worden. Daneben wäre die Eigenbeteiligung bei der Krankenversicherung deutlich erhöht, die Leistungen für Rentner gekürzt und ein neuer Zehn-Stunden-Tag ohne Überstundenzuschlag nach acht Stunden Arbeit eingeführt worden.

Das Aktionskomitee der Volvo-Arbeiter (VWRFC) veröffentlichte am Dienstag einen offenen Brief an UAW-Präsident Rory Gamble, Curry und den Präsidenten der Niederlassung 2069, Matt Blondino. Die Arbeiter fragen in ihrem Brief, was die UAW dem Unternehmen vorschlägt, warum die UAW nur 275 Dollar Streikgeld pro Woche zahlt, obwohl ihre Streikkasse 790 Millionen Dollar enthält, und was die UAW und AFL-CIO unternehmen, um ihre 400.000 bzw. 12,5 Millionen Mitglieder zu mobilisieren, damit der Streik gewonnen wird.

Der Brief schildert außerdem die Forderungen der Arbeiter nach beträchtlichen Verbesserungen der Löhne und Zusatzleistungen und der Mobilisierung der UAW-Mitglieder für den Streik, vor allem durch die Stilllegung aller Volvo-Betriebe in den USA. Zum Schluss heißt es: „Wenn Sie nicht bereit sind, einen solchen Kampf zu führen, dann verschwinden Sie. Die Basis wird ein eigenes Verhandlungs- und Streikkomitee wählen, das bereit ist, den notwendigen Kampf zu führen.“

Der offene Brief wurde stark verbreitet und an den Streikposten begeistert aufgenommen. Ein Volvo-Arbeiter erklärte gegenüber der WSWS: „Sie haben den Brief gelesen und waren besonders sauer darüber, dass die UAW 6,2 Millionen Dollar für den Umbau ihrer Zentrale in Detroit ausgibt. ... Sie sagten, die UAW sei nichts anderes als ein Haufen Diebe. Die Arbeiter haben vor dem Eingang zum Volvo-Werk einen Kiefernholzsarg für Streikbrecher und Fremdfirmen aufgestellt. Als sie den offenen Brief in einem Post gelesen hatten, sagten sie, sie sollten ihn vor dem UAW-Gebäude aufstellen, für Matt [Blondino] und die übrigen!“

Ein anderer Streikender erklärte: „Die UAW behauptet, bei dem Streik ginge es um alles, aber sie sagen nichts über Details. Ohne Erhöhungen der Reallöhne werden wir Sklaven unserer Jobs sein. Viele wurden über Inflation geschult und sie sagen, wir bräuchten eine Anpassung an die Lebenshaltungskosten. Früher war das keine große Sache, aber angesichts der steigenden Preise für Benzin und Lebensmittel ist es das.“

Auch für den Streik der Arbeiter in den Mack-Volvo-Werken in Allentown (Pennsylvania) und Hagerstown (Maryland) herrscht große Unterstützung. Das Werk in New River Valley lackiert Fahrerkabinen für Lkws, die in Macungie (Pennsylvania) gefertigt werden, und benutzt Motoren und Getriebe aus Hagerstown. In beiden Werken musste diese Woche vorübergehend die Arbeit eingestellt werden.

Ein streikender Arbeiter erklärte: „Volvo wollte die Produktion in unserem Werk steigern, weil Mack mehr Fahrerkabinen braucht. ... Aber wegen unseres Streiks und des Problems mit den Microchips gibt es Engpässe für das Werk in Macungie, also werden dort Leute freigestellt. Sie sollten einfach in den Streik treten, damit wir alle mit einer Stimme sprechen.“

Die UAW hat eine Nachrichtensperre über den Streik bei Volvo verhängt, weil sie befürchtet, dass er eine breitere Bewegung der Arbeiter auslösen könnte. Die UAW International hat auf ihrer Website und ihrer Facebook-Seite kein einziges Wort über den anhaltenden Arbeitskampf verloren. Auch die Seiten und Social-Media-Präsenzen der UAW-Niederlassungen 677 und 171, die Tausende von Mack-Volvo-Arbeitern in Allentown (Pennsylvania) und Hagerstown (Maryland) vertreten, haben nichts über den Streik in New River Valley gepostet.

Auch die Websites und Social-Media-Präsenzen der nationalen und bundesstaatlichen AFL-CIO von Virginia hüllen sich in Schweigen. Ebenso die United Mine Workers, United Steelworkers und die Massachusetts Nurses Association, die derzeit Streiks und Kämpfe der Arbeiter bei Warrior Met Coal, ATI, ExxonMobil und im Saint-Vincent-Krankenhaus in Worchester isolieren.

Die Präsidentin der Flugbegleitergewerkschaft Association of Flight Attendants-CWA, Sarah Nelson, die auch Mitglied der Democratic Socialists of America (DSA) ist und als potenzielle nächste Präsidentin der AFL-CIO gehandelt wird, hielt letzten Samstag eine Rede auf einer Kundgebung der Pflegekräfte in Worcester, die seit fast 100 Tagen streiken – und erwähnte den Streik bei Volvo mit keinem Wort.

Unter den Arbeitern, die von dem Streik erfahren haben – hauptsächlich durch die World Socialist Web Site – herrscht weit verbreitete Unterstützung für die Volvo-Arbeiter und die Entschlossenheit, an einem gemeinsamen Kampf teilzunehmen.

Rob, ein junger Arbeiter des Stellantis-Lastwagenwerks in Warren, einem Vorort von Detroit, erklärte zu dem offenen Brief: „Ihr Brief ist perfekt und sollte allen Autoarbeitern als Vorbild dienen. Die Forderungen sind wirklich das, was für das Wohlergehen der Arbeiterklasse notwendig ist. Alle Autoarbeiter sollten es ihnen nachmachen und alles in ihrer Macht Stehende tun, um den Streikenden zu helfen.“

Über den Arbeitskampf, den Arbeiter im März 2020 angesichts der Ausbreitung der Corona-Pandemie in den Werken gegen den Widerstand der UAW geführt hatten, erklärte Rob: „Der spontane Streik war großartig! Er hat genau gezeigt, was Solidarität unter Autoarbeitern bewirken kann. Das erste Hindernis für uns alle, bei Volvo und den Detroiter Autokonzernen, ist die UAW.“

Eine Stellantis-Arbeiterin aus Indiana erklärte gegenüber der WSWS: „Die Volvo-Arbeiter kämpfen für uns alle. Wir haben alle die gleichen Probleme. Wir werden, was unsere Gesundheit und Sicherheit, Arbeitsbedingungen, Arbeitszeiten, Zusatzleistungen und Löhne angeht, missbraucht und ausgenutzt.

Es spricht Bände, dass sie den Tarifvertrag abgelehnt haben. Sie haben das, was man ihnen vorgelegt hat, nicht mitgemacht. Indem die Gewerkschaft versucht hat, sie nach dem zweiwöchigen Streik letzten Monat wieder an die Arbeit zu schicken, hat sie gezeigt, dass es ihr egal ist. Ihre Forderungen müssen erfüllt werden, andernfalls werden sie nicht weiterarbeiten.“

Sie bezeichnete das Streikgeld als „Witz“ und erklärte: „275 Dollar reichen gerade mal für das Benzin für einen Monat. Wir müssen noch Rechnungen, Essen, Hypotheken, Autoversicherung und zahlreiche andere Sachen zahlen. Sie versuchen, die Volvo-Arbeiter mit so wenig Geld und Zusatzleistungen wie möglich auszuhungern und zur Rückkehr an die Arbeit zu zwingen. Streiken ist sehr wichtig, damit die grundlegenden Bedürfnisse der Arbeiter erfüllt werden. Ich wünschte, wir könnten alle streiken, damit die CEOs merken, dass wir es ernst meinen.“

Ein Elektriker von Warren Truck, der 34 Jahre lang Mitglied der Gewerkschaft International Brotherhood of Electrical Workers (IBEW) war, erklärte, es überrasche ihn nicht, dass die UAW den Arbeitern in Michigan nichts von dem Streik erzählt: „Sie kehren es unter den Teppich. Bei der IBEW haben sie das jahrelang getan. Immer wenn wir eine Lohnerhöhung wollten, ging sie zu Lasten unserer Versicherung, sodass wir nicht mehr Geld hatten. Es geht nicht in unsere Tasche. Alles Geld geht nach Washington D.C. und an die AFL-CIO, das machen sie. Mit der UAW ist es genauso. Deshalb müssen die Volvo-Arbeiter weiterkämpfen und dürfen nicht aufgeben.“

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